Hamburgs Kulturbehörde unterstützt den Literaturbetrieb

Der Tanz zwischen Schreib- und Wickeltisch

Foto: congerdesign / Pixabay

Die Kulturbehörde Hamburg sendet mit ihren aktuellen Ausschreibungen eine präzise Botschaft an die Literaturszene und darüber hinaus: Kreativität darf nicht an den Hürden des Alltags – insbesondere der Elternschaft – scheitern.

Endlich wird die Realität von Müttern und Vätern im Kulturbetrieb anerkannt. Das neue Stipendium, das explizit Kinderbetreuung anbietet, ist ein substanzieller Schritt, der beweist, dass Hamburg die Existenz von Literat*innen als Eltern ernst nimmt. Von der gezielten Förderung schreibender Eltern bis zur Stärkung der Buchkultur vor Ort – die Maßnahmen sind so vielfältig wie das literarische Leben, das sie stützen sollen. Sie zeigen, dass Kulturförderung heute mehr denn je die individuellen Lebenswirklichkeiten der Kunstschaffenden anerkennen muss.

Das „Stipendium Parents in Arts“

Die wohl wichtigste und innovativste Nachricht ist die Ausschreibung des „Stipendium Parents in Arts“ in Kooperation mit der Arthur Boskamp-Stiftung, die mietfrei eine Wohnung im M.1 Hohenlockstedt bereitstellt. Das Stipendium ist eine direkte Reaktion auf die notorische Unvereinbarkeit von künstlerischer Arbeit und Elternschaft. Es ermöglicht, was lange ein Luxus war: ungestörte Arbeitszeit mit gesicherter Kinderbetreuung.

Der Kern des Stipendiums: Es werden sechs zweiwöchige Arbeitsaufenthalte vergeben – drei davon speziell für Schriftsteller*innen, Literaturübersetzer*innen und Comiczeichner*innen. Die Besonderheit: Die Förderung ist ausdrücklich für Elternteile konzipiert und bietet eine Aufwandspauschale von 1.700,- Euro, freie Unterkunft und vor allem: Kinderbetreuung vor Ort.

Das ist ein entscheidender Fortschritt. Für viele Künstler*innen bedeutet die Geburt eines Kindes oft eine massive Zäsur in der Karriere, da ungestörte Arbeitszeiten Mangelware werden. Die Möglichkeit, das Kind mitzunehmen, eine verlässliche Betreuung zu erhalten und sich für zwei Wochen voll auf das literarische Projekt zu konzentrieren, ist ein enormer Beitrag zur Gleichstellung in der Kultur. Es ist ein Statement, das die Care-Arbeit nicht als Störfaktor, sondern als integrativen Bestandteil einer Künstler*innenbiografie begreift.

Besonders interessant ist die Aufteilung der Aufenthaltszeiträume im Sommer 2026: Es gibt Termine mit Kindern (21.07. – 03.08.2026) und solche ohne begleitende Kinder (06.07. – 19.07.2026 und 20.08. – 02.09.2026). Diese Flexibilität trägt unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung – dem Wunsch nach produktiver Abwesenheit ebenso wie dem nach gemeinsamer Zeit in einem unterstützenden Umfeld.

Internationale Impulse: Neue Kurator*innen-Residenz

Parallel dazu wird eine weitere entscheidende Lücke geschlossen: die Förderung der literarischen Vermittlung und Innovation. Die Verlängerung der Ausschreibungsfrist für das Residenzstipendium für neue Literaturformate zeigt, dass die Kulturbehörde, das Künstler*innenhaus Lauenburg und das Literaturhaus Hamburg auf der Suche nach frischem Wind sind. Das Stipendium richtet sich an internationale und nationale Literaturkurator*innen oder Kollektive, die „neue, kreative und experimentelle Literaturformate“ entwickeln sollen. Die Förderung besteht aus einem viermonatigen Aufenthalt mit monatlich 1.000,- Euro Zuschuss sowie freier Wohnungs- und Ateliernutzung.

Diese Residenz ist ein wichtiges Instrument der Internationalisierung und der literarischen Avantgarde. Sie erkennt an, dass Literatur heute nicht mehr nur zwischen zwei Buchdeckeln stattfindet, sondern in Performances, digitalen Räumen und hybriden Formaten. Indem man Kurator*innen unterstützt, wird nicht nur ein einzelnes Werk, sondern die gesamte Präsentationskultur der Literatur gefördert. Die Bewerbungsfrist wurde bis zum 15. November 2025 verlängert, was die dringende Suche nach innovativen Ideen unterstreicht.

Der „Hamburg Bookstore Crawl“

Während Stipendien die Produktionsbedingungen verbessern, stärkt der Erste Hamburger Bookstore Crawl vom 3. bis 15. November das Fundament der Literatur: die unabhängigen Buchhandlungen.

In der digitalen Ära sind die 25 teilnehmenden Buchhandlungen mehr denn je kulturelle Ankerpunkte und wichtige Orte des Dialogs. Der Crawl – ein charmantes Wortspiel, das zum Entdecken einlädt – macht aus dem simplen Bücherkauf eine spielerische Schatzsuche. Das Prinzip ist einfach: Man sammelt Lesezeichen in 25 unabhängigen Buchhandlungen. Wer zehn unterschiedliche Lesezeichen sammelt (davon mindestens zwei südlich der Elbe!), nimmt an einer Verlosung von Lesungstickets und Buchpaketen teil.

Wer also zehn unterschiedliche Lesezeichen sammelt (mindestens zwei davon müssen von Buchhandlungen südlich der Elbe sein!) kann ein Foto seiner Ausbeute per E-Mail an buechereck@aol.com schicken und an einer Verlosung teilnehmen. Zu gewinnen gibt es Tickets für Lesungen in den teilnehmenden Buchhandlungen und Buchpakete. 

Dieses Projekt ist nicht nur eine schöne Aktion zur Woche der unabhängigen Buchhandlungen, sondern auch eine Liebeserklärung an die lokalen Akteur*innen. Es lenkt den Blick der Literaturinteressierten gezielt auf die Vielfalt der Hamburger Buchlandschaft und würdigt die Expertise und Leidenschaft der Buchhändler*innen, die oft die ersten Ansprechpartner*innen für neue Talente sind. Indem man die Buchhandlungen südlich der Elbe besonders hervorhebt, wird zudem eine Brücke über den Fluss geschlagen und die literarische Topografie der gesamten Stadt sichtbar gemacht.

Die Summe dieser Maßnahmen – die Berücksichtigung der Elternschaft, die Förderung neuer Formate durch internationale Kurator*innen und die Stärkung des lokalen Buchhandels – zeigt eine ganzheitliche, zukunftsorientierte Kulturpolitik. Sie investiert nicht nur in die Werke, sondern in die Menschen, die sie schaffen, in die Formate, die sie präsentieren, und in die Orte, an denen sie entdeckt werden. Das ist mehr als nur Förderung; es ist die Schaffung eines nachhaltigen, inklusiven und lebendigen Literatur-Ökosystems in Hamburg und Norddeutschland.

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