Früher hieß Fernsehen – drei Kanäle zur Auswahl, ab 1 Uhr Sendeschluss, dazu einen Apparat. Röhre. Konnte ex- und implodieren. Das war´s. Heute findet sich alleine bei youtube mehr heißer Stoff als die ARD in 50 Jahren zeigte …
Ob man heute mit dem Begriff Fern-Sehen überhaupt noch dem Medien-Thema gerecht wird, ist fraglich. Ob per Kabel, Digital-Antenne oder übers Internet – „Fern-Sehen“ kann man alles, überall und immer und im Grunde jeder. Denn es ist kein Privileg Reicher mehr.
Und auch Filme produzieren kann heutzutage jede*r. Ein kleiner Knipps auf dem smartphone – los geht`s.
Und so tummeln sich im Netz Ideen, Konzepte und Talente, die aufgrund enger Senderstrukturen sonst niemals auf den Bildschirmen der Konsumenten gelandet wären. Sowohl die mittlerweile bekannten YouTube-Formate wie Beauty-Vlog oder Let’s Player, als auch echte filmische Erzählungen. Von Fiktion oder Doku, diverse Genres – Popkultur im Sinne der weltweit zurzeit sehr erfolgreichen „Serialität“.
Und es ist erstaunlich, was sich dort alles findet – und auch in welcher inhaltlichen und darstellerischen Qualität. Laien-Kino ist das wahrlich nicht mehr. Aber kann man davon leben, geschweige denn Geld verdienen? Oder ist das alles hot stuff von crazy nerds?
Möglich werden diese filmischen Produktionen durch digitale Netzwerke. Teams finden sich in Foren und der Vertrieb sowie das Marketing erfolgen in Eigenregie. Die ersten Schritte zur Umsetzung der eigenen Film-Vision sind also nicht von Beziehungen, Filmhochschulen oder hohen finanziellen Mitteln abhängig. Manche viel gesehene und geliebte Webserien sind wirklich schon auf dem Handy entstanden.
Und damit die Macher mit ihren Serien nicht für immer im virtuellen Raum verhaftet bleiben, bieten Festivals einen physischen Rahmen zum Austausch. Eines davon gibt es Wilhelmsburg und es findet im Spätsommer 2017 zum zweiten Male statt: das „Wendie Webfest Hamburg“.
Und wir wären nicht in Deutschland, wenn es dafür nicht einen völlig analogen Verein gäbe, der sich hier den hinterwäldlerisch anmutenden schönen Namen „Freundeskreis für digitales Storytelling Hamburg e.V.“ gegeben hat. Dahinter stecken insbesondere drei Personen, die Wilhelmsburg ein wenig Flair von Hollywood verleihen.
Nina Heinrich ist zwar in Berlin geboren, aber im Hamburger Speckgürtel aufgewachsen. Zum Studium der Kulturwissenschaft war sie in Hildesheim und arbeitete währenddessen auch für das Filmfest Oldenburg als auch für die Deutschsprachigen Filmtage des Goethe Instituts Litauens. Zurück in Hamburg zog es sie auf die Elbinsel. An der Leuphana Universität Lüneburg strebt sie gerade ihren Master an.
Sebastian Droschinski ist nach eigener Aussage „Altländer, Ossi der letzten Generation, Wilhelmsburger, Kultursöldner, ´Irgendwas-mit-Medien`, Fußballfan und Hobbykoch“. Während seines Studiums Kulturwissenschaften in Hildesheim und Warschau arbeitete er im Eventmanagement Filmfest Oldenburg sowie Content-Management und Redaktion bei der „Akademie für Fußballkultur“. Mit seiner Ideenschmiede Reclaimed Marshland setzte er Kurzfilmprojekte wie die neunteilige Webserie „Kumbaya!“ um.
Nick Buckenauer ist gar waschechter Wilhelmsburger und agierte dort mit der Sommer-Projektküche von 2012 „Zum Anstand“ und dem 2015 initiierten „Das Archipel“ als kollaborativ gebauten offenen Veranstaltungs- und Kultur-Raum auf dem Wasser. Mit Sebastian Droschinski machte er die Web-Serie „Kumbaya!“.
Aber warum nun ein Festival für webfilme? Sie erklären es so:
„Wir leben im Stadtteil Hamburg-Wilhelmsburg, dessen Kultur-Teilnehmer sich erfahrungsgemäß von zwei Dinge besonders angesprochen fühlen: Film und Do-It-Yourself. Jüngere Beispiele sind „48h Wilhelmsburg“, die „Insel-Lichtspiele“, das „Pop Up“ -Festival oder das „Das Archipel“ auf dem Veringkanal. Die erste Ausgabe unseres Festivals fand am 16. und 17. September 2016 in der Honigfabrik in Wilhelmsburg statt. Wir hatten nach einer beeindruckenden Vielzahl von Einreichungen 37 Serien aus 16 verschiedenen Ländern ausgewählt. Das Programm umfasste neben thematisch kuratierten Vorstellungsblöcken einzelner Folgen auch kurze Interviews im Anschluss auf der Bühne mit Serienmachern, die aus aller Welt angereist waren, sowie Podiumsdiskussionen Freundeskreis für digitales Storytelling Hamburg e.V. mit Experten. Vor allem diese Foren sind wichtig, um den Schritt von interner Szene zu öffentlichem Publikum möglich zu machen. An die bisherigen Erfolge möchten wir nun mit vielen neuen Ideen anknüpfen. Wir bringen die Serienmacher mit Publikum, Institutionen und Experten zusammen.“
2 Dinge: Film und Do-It-Yourself
Und um nicht nur Experten-Runde beim Festival zu sein, sondern das vorhandene Wissen zu teilen und auch den nachwachsenden Web-Filmern nahe zu bringen, bieten die Festivalmacher vom „Wendie Webfest“ so auch einen Film-Workshop zum Thema „Digitales Storytelling“ spezielle für Jugendliche und junge Erwachsene an.
Nina Heinrich: „Im Workshop wird sowohl theoretisch als auch praktisch gezeigt, wie man seine eigene Webserie entwerfen und umsetzen kann. Die Teilnehmer entwickeln dort eine Serien-Idee und lernen, wie diese filmisch dargestellt werden kann. Vorkenntnisse sind dabei nicht erforderlich. Die Ergebnisse der Teilnehmer werden im Anschluss auch auf dem Wendie-Festival im September gezeigt.“
Das Programm zum Festival Anfang September 2017 mit Screenings und Panels wird in Kürze unter auf der website zu sehen sein.
Kontakt: Nina Heinrich, Sanitasstraße 24, 21107 Hamburg