Die „Harburger Gedenktage 2017“ reichen über den ganzen November:

„Erinnern für die Zukunft“

1943: das Soldatendenkmal in Harburg (Bild: Helms-Museum)

Das menschliche Zusammenleben ist zuweilen schwer zu verstehen. Denn vieles ist im Gestern begründet. Im November wird in Harburg an vieles erinnert. Und die Termine zeigen, wie wichtig dies ist …

„Erinnern für die Zukunft“ – unter diesem Motto finden die Harburger Gedenktage im Jahr 2017 in einer neuen Form statt. Und zwar den kompletten November 2017 über finden verschiedenste Veranstaltungen statt. Und zwar 24 an der Zahl! Dabei gibt es Rundgänge, Vorträge, Diskussionen, Lesungen, Filmbeiträge oder gar Ausstellungen und Projektarbeit.

Es beteiligen sich dabei Harburger Schulen, Kultureinrichtungen, politische und gesellschaftliche Organisationen und Vereine mit Beiträgen und Veranstaltungen. Damit sind die Gedenktage vielfältig wie der Bezirk selbst. Die Harburger Gedenktage erinnern an die Opfer und die Verfolgten des Nationalsozialismus – mit dem Fokus auf Akteure und Ereignisse im Bezirk Harburg. Sie schauen aber auch auf die Gegenwart und die Zukunft. Extremismus, Diskriminierung und Verfolgung, Flucht und Vertreibung, Krieg, Selbstbehauptung und Widerstand sind auch aktuelle Themen.

Vielfalt an Beteiligten

Und an Beteiligten ist kaum mehr aufzubieten: Die Liste reicht vom Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, über die Bücherhalle Harburg, den Roten Sessel, das Friedrich-Ebert-Gymnasium,  Geschichtswerkstatt Harburg, Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen, die Initiative Gedenken in Harburg, das Künstlerisch-kulturelles Integrationsprojekt „Wir sind Harburg“, KulturWerkstatt Harburg e.V, Libertäre H-Burg, Regionales Bildungs- und Beratungszentrum Harburg, Süderelbe-Archiv, VVN/BdA Harburg bis zum welt*RAUM. Unterstützt durch die Bezirksversammlung Harburg, das Bezirksamt und den Evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hamburg-Ost.

Das komplette Programm zum Herunterladen unter: Harburger_Gedenktage_2017_Programm

Hier eine kleine Auswahl an Terminen:

Marione Ingram

Mi., 1. Nov. 18 Uhr, Friedrich-Ebert-Gymnasium, Pausenmehrzweckhalle, Alter Postweg 30-38, Zugang Eingang Petersweg 6

Zeitzeugengespräch: Marione Ingram über Verfolgung und Rettung im Nationalsozialismus

Marione Ingram ist sowohl Überlebende der Shoa als auch der „Operation Gomorrha“, die Hamburg für zehn Tage in ein Flammenmeer verwandelte und als „Feuersturm“ erinnert wird. Sie ist aus den USA zu Gast und liest aus ihrem Buch „Kriegskind, eine jüdische Kindheit in Hamburg“. Die heute 82-jährige Marione Ingram (sprich: Marion) beschreibt darin, wie sie als achtjähriges Mädchen 1943 der Deportation nach Auschwitz knapp entkommen ist, weil ausgerechnet in der Nacht zuvor die massiven Angriffe der britischen und US-amerikanischen Armee begannen. Marione konnte sich mit ihrer Mutter in einem Bombenkrater in Sicherheit bringen. Dank ihres mutigen Vaters, der immer zu seiner jüdischen Frau gestanden hat, konnten Marione, ihre jüngere Schwester und ihre Mutter die letzten Jahre der Nazi-Terrorherrschaft in einem Gartenhaus versteckt in Hamburg-Rahlstedt überleben. Alle drei sind Anfang der 1950er Jahre in die USA ausgewandert. Dort hat sie ihre traumatischen Erfahrungen in politisches Engagement für die Bürgerrechtsbewegung umgewandelt. Auch dies schildert sie in dem Buch, ebenso wie ihre schlimmen Erinnerungen an die ersten Schuljahre an einer deutschen Schule als gerade erst zehnjähriges Mädchen kurz nach der Befreiung. Wir freuen uns, dass sie nach der Lesung für Fragen bereit steht.

Anmeldung erbeten unter stefanie.engel@ebert.hamburg.de

Veranstalter: Friedrich-Ebert-Gymnasium

Sa., 4. Nov, 15 Uhr, Treffpunkt: Herbert-Wehner-Platz, S-Bahn-Station Harburg Rathaus (S 3, S 31), Ausg. Großer Schippsee

Rundgang: Gedenkorte mit Stolpersteinen für Harburger Opfer des Nationalsozialismus

Erinnerungsarbeit mit der Vierkaten-Schule aus Neu Wulmstorf. (Foto: GiH)

„Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ – Das sagt der Kölner Künstler Gunter Demnig, der seit 1995 mit seinem Projekt Stolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Stolpersteine sind mit Messingplatten bezogene Pflastersteine mit den Namen und Lebensdaten der ermordeten Menschen. Sie werden auf den Gehwegen vor den Häusern verlegt, in denen diese Menschen einst lebten oder arbeiteten. Der Rundgang dauert ca. 45 Minuten und führt zu vier Gedenkorten mit fünf – von insgesamt 207 – Harburger Stolpersteinen. Eine Veranstaltung im Rahmen des Harburger Kulturtages.

Beitrag: 3 € | Veranstalter: Initiative Gedenken in Harburg

Anna Pröll (Archiv Pröll)

So., 5. Nov., 17 Uhr (Einlass ab 16 Uhr), Sauerkrautfabrik, Kleiner Schippsee 22, Eingang: Am Wall

Film: „Anna, ich hab Angst um dich“

Regie Josef Pröll, Deutschland 2001

Der Dokumentarfilm zeigt Auszüge aus dem Leben von Anna Pröll, die während der Zeit des Nationalsozialismus aktiven Widerstand leistete. So wurde sie mit 17 Jahren wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt und 4 1/2 Jahre „weggesperrt“. Über das Untersuchungsgefängnis Katzenstadel und das Gefängnis Aichach kam sie in das Konzentrationslager Moringen. Der Zuschauer wird durch die Erzählungen Annas, durch ihre menschlichen Verhaltensweisen fasziniert und in eine Zeit versetzt, in der Zivilcourage oft das Leben kostete. „Vor den Zuschauern zieht … ein Leben vorbei… aufregend, ergreifend, beispielhaft in seiner mutigen, humanen Haltung.“ (Augsburger Allgemeine)

Veranstalter: welt*RAUM in Kooperation mit Libertäre H-Burg

Mi., 8. Nov., 18 Uhr, Fischhalle, Kanalplatz 16

Lesung: Claus Günther liest aus „Heile, heile Hitler“

„Die Nazizeit von innen. Mit den Augen eines Kindes. Mit seinen Gedanken, seinen Verwirrungen und Versuchen zu verstehen. Fast belanglos schleicht sich das Gift in den Alltag der Harburger Kleinfamilie, wird stärker, verändert die Menschen.“ So beginnt der Klappentext des Buches von Claus Günther, aus dem er einige Passagen vortragen wird. Claus Günther, gebürtiger Harburger, Jahrgang 1931, wächst in der Eißendorfer Straße auf, besucht die Grundschule und die Oberschule (heute Friedrich-Ebert-Gymnasium), ist Hitlerjunge, kommt in die Kinderlandverschickung und erlebt die frühe Nachkriegszeit in Harburg.

Veranstalter: Geschichtswerkstatt Harburg und Initiative Gedenken in Harburg

Do., 16. Nov. 19:30 Uhr, BGZ Süderelbe, Stadtteilsaal, Am Johannisland 2

Vortrag & Diskussion: Dr. Christian Gotthardt – Widerstand & Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg

Zeugnisse und Berichte 1933 -1945. Im Februar 2005 erschien die erweiterte Ausgabe des Buchs „die anderen. Widerstand und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg. Zeugnisse und Berichte 1933–1945.“ Die Autoren hatten damals umfangreiche Archivrecherchen vorgenommen und konnten sicher sein, den Gegenstand im Wesentlichen erfasst zu haben. Aber natürlich sind seitdem wichtige Details neu erforscht und wichtige Verfolgtengruppen komplexer begriffen worden. An diesem Abend sollen einige bisher unbekannte Fälle beleuchtet sowie ein – auch zahlenmäßiger – Gesamtüberblick gegeben werden. Spende erbeten.

Veranstalter: Süderelbe-Archiv | Harburger Gedenktage 2017 | zeitzeugengespräch | Harburger Gedenktage 2017

Sa., 18. Nov., 9 bis 16 Uhr, Treffpunkt: 9 Uhr vor dem Helms-Museum (Busbucht). Abfahrt: 9:30 Uhr

Bus-Exkursion zur Gedenkstätte Lager Sandbostel

Das STALAG X B war eines der größten Kriegsgefangenenlager Norddeutschlands. Zwischen 1939 und 1945 waren dort mehr als 313.000 Kriegsgefangene, Internierte und zuletzt etwa 9.500 KZ-Häftlinge aus mehr als 50 Nationen untergebracht. Tausende sind gestorben und wurden auf dem Lagerfriedhof bestattet. Die Teilnehmer der Bus-Exkursion erhalten auf dem geführten Rundgang über das Lagergelände eine Einführung in die Geschichte des STALAG X B sowie die Gelegenheit zur Besichtigung historischer Gebäude. Im Anschluss können die zwei Dauerausstellungen besucht werden. Ebenso besteht die Möglichkeit des individuellen Gedenkens am Gedenkstein und für einen Besuch der Kriegsgräberstätte Sandbostel (ehem. Lagerfriedhof).

Begrenzte Teilnehmerzahl, Anmeldung: Tel. 040 7927016 oder diewackers@web.de, Beitrag: 10 € pro Person, ermäßigt 5 € Veranstalter: VVN/BdA Harburg

 

Do., 23. Nov. 18:30 Uhr, Friedrich-Ebert-Gymnasium, Pausenmehrzweckhalle, Alter Postweg 30-38, Zugang Eingang Petersweg 6

Hannes Heer (Foto: Ulrike Deuscher)

Vortrag und Diskussion: Hannes Heer – Die Wehrmachtsausstellung

Das Ende der Legende von der „sauberen Wehrmacht“ und neue Legenden Lange glaubten viele, für die Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg sei allein die SS verantwortlich gewesen, die Wehrmacht sei sauber geblieben. Mit dieser Legende räumte 1995 die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ gründlich auf: Sie hat, im besten Sinne des Wortes, Geschichte gemacht.

Der Historiker Hannes Heer (* 1941) berichtet über die Kontroversen, die sich an die Ausstellung anknüpften: Konservative und Rechtsradikale protestierten gegen die angebliche Nestbeschmutzung, in der Presse wurden Fälschungsvorwürfe laut, Jan Philipp Reemtsma erstellte schließlich eine neue Ausstellung. Angesichts dieser Auseinandersetzungen, die zum Teil noch andauern, verspricht es ein spannender Abend zu werden.

Anmeldung für Gruppen/Schulklassen: Tel. 4287631-0 oder -12 bzw. joerg.isenbeck@ebert.hamburg.de.Spende erbeten. Veranstalter: KulturWerkstatt Harburg e.V. in Kooperation mit dem Friedrich-Ebert-Gymnasium

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