Leute, ich stehe am Bahnsteig und ich fühle mich nicht wie eine Pendlerin. Ich fühle mich wie eine Statistin in einem hochkomplexen, aber völlig absurden Theaterstück – inszeniert von der Digitalen S-Bahn Hamburg!
Erinnert ihr euch an die großen Töne, die vor nicht allzu langer Zeit gespuckt wurden? Neues Liniennetz! S3 und S5! Mehr Pünktlichkeit! Stabil und einfach! Die digitalen Anzeigen wurden als das ultimative Versprechen gefeiert: Endlich Klarheit, endlich keine Zettelwirtschaft mehr!
Was wir aber bekommen haben, ist ein chaotisches, egozentrisches Zug-Ballett auf den Anzeigetafeln, das selbst Nijinsky – den berühmten Balletttänzer – neidisch machen würde. Und ich rede nicht von einem schlichten „fünf Minuten Verspätung“. Nein, in Harburg hat der digitale Fahrplan seine ganz eigene, turbulente Dramaturgie.
Ich stehe also da, die Tasche voller Tatendrang, und blicke auf die Tafel. Zuerst ganz klassisch:
- S3 in 3 Minuten.
- S5 in 6 Minuten.
Klar, dachte ich. Alles entspannt. Doch dann beginnt der digitale Wettlauf des Grauens. Sekunden später wird der digitale Tacho der S5 nach oben korrigiert. Sie holt auf! Die 6 Minuten schrumpfen, während die S3 nur zögerlich näherkommt. Plötzlich stehen beide auf 3 Minuten.
Hä? Haben die beiden Züge gerade an der letzten Weiche eine spontane Wette abgeschlossen? Fahren sie jetzt parallel, in inniger S-Bahn-Brüderlichkeit? Ist das die höhere Kapazität der digitalen Schiene: zwei Züge auf einem Gleis, die sich gegenseitig Mut machen? Man weiß es nicht!
Aber es kommt noch besser, Harburg! Nach zehn quälenden Minuten des Stillstands, in denen meine anfänglichen 3 Minuten sich melancholisch auf 2 Minuten reduziert haben, passiert das Unfassbare. Die Anzeigetafel, die sich vorher nicht entscheiden konnte, haut plötzlich einen Verkehrs-Plot-Twist raus: Die S5, die vorhin noch hinter der S3 lag und mit ihr gleichzog, hat nun – ich zitiere das Display – die S3 überholt!
- S5 in 2 Minuten.
- S3 in 3 Minuten.
Wart’ mal! Wir haben hier EIN Gleis! Das ist kein Nürburgring, das ist unser S-Bahn-Gleis! Hat die S5 kurz in Moorburg einen Hubschrauber-Service in Anspruch genommen? Ist sie digital durch die Wand gefahren?
Diese Anzeige, meine Lieben, ist nicht zuverlässig. Sie ist ein nervöser, überambitionierter Wetterbericht, der alle 30 Sekunden seine Meinung ändert. Wir stehen hier nicht mehr und warten auf einen Zug. Wir nehmen an einem psychologischen Experiment teil. Die S-Bahn hat verstanden, dass Pünktlichkeit langweilig ist. Sie hat uns stattdessen Spannung und Verwirrung geschenkt!
Die wahre „Zuverlässigkeit“ liegt heute nicht in den Gleisen, sondern im Harburger Durchhaltevermögen. Wir sind die einzigen, die stabil sind, während die Züge digital Ping-Pong spielen.
Was lehrt uns das? Die S-Bahn Hamburg prahlt mit der Digitalen Schiene, die uns schneller machen soll. Die Realität ist: Das einzige, was schneller ist, ist die Geschwindigkeit, mit der die Fahrzeiten auf der Anzeigetafel aufeinander zurasen. Aber hey, langweilig wird uns hier unten wenigstens nicht. Weiter warten!
