Zum einen ist die bei Jesteburg liegende Kunststätte Bossard ein sehenswertes und einzigartiges Refugium. Zum anderen hatte sie stets den Hauch von nationalsozialistischer Vergangenheit. Dioch die Aufarbeitung läuft …Jesteburg. Vor dem Hintergrund einer seit 2019 kontrovers geführten Debatte über die Vergangenheit des Künstlers Johann Bossard beauftragte die Stiftung Kunststätte Johann und Jutta Bossard das Institut für Zeitgeschichte München−Berlin (IfZ) mit einem Gutachten zum Verhältnis der Bossards zum Nationalsozialismus. Der durchführende Wissenschaftler, PD Dr. Tobias Hof, empfahl in seinem Vorgutachten eine tiefergreifende Forschung, vor allem mit dem Fokus auf das Privatleben des Künstlerehepaars.
Seit dem Juni des vergangenen Jahres sichtete der Wissenschaftler schriftliches Archivmaterial, in dem Jutta Bossard teils ausführlich über private Erlebnisse berichtete und das Leben in der Nordheide beschrieb, und führte Zeitzeugeninterviews mit Menschen durch, die Jutta Bossard persönlich kannten. Das Ergebnis seiner Forschungszeit präsentierte der Wissenschaftler jetzt in der Reihe „Reden bei Bossard“ vor einem interessierten Publikum.
Dr. Hofs weiterführende Forschung ist in zwei Teile gegliedert. Unter dem Titel „Von Fidus bis Nolde: Johann Michael Bossard und die Kunstszene der 1870er bis 1950er Jahre“ legt er einen Schwerpunkt auf Johann Bossards Engagement in Vereinigungen und Netzwerken und findet Bezüge zu zahlreichen Künstlern seiner Zeit.
Im zweiten Teil seiner Forschung wirft er einen Blick auf private Aspekte: „Das Privatleben des Künstlerehepaars Bossard und die Geschichte der Kunststätte“. Im Fokus stehen hier das Zusammenleben der Künstler und die Verwirklichung ihrer Kunstidee auf dem Grundstück der Kunststätte und die Entwicklung hin zur Kunststätte nach Johann Bossards Tod. „Ab 1950 galt Jutta Bossards gesamtes Engagement dem Ziel, das Werk ihres Mannes posthum zu würdigen und bekannt zu machen. Dabei hatte sie keine Bedenken mit völkischen Kreisen in Verbindung zu treten, sofern es dazu diente, die Bekanntheit Bossards zu steigern und ihm die Ankerkennung zu verschaffen, die ihm ihrer Meinung nach zu stand“, stellt der Wissenschaftler heraus.
„Jutta Bossard geht für uns nicht nachvollziehbare Wege und knüpft zum Beispiel Kontakte zu kritisch zu bewertenden Organisationen wie dem Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG) oder umstrittenen Personen wie dem ungarischen Rechtsmediziner Ferenc Orsós“, erklärt Heike Duisberg-Schleier, Leiterin der Kunststätte Bossard und betont, „welch hohes Maß an Verantwortung Museen für die Bewahrung der Geschichte im Allgemeinen und für den verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Geschichte innerhalb jeder Einrichtung tragen.“ Die Umbenennung der Kunststätte Bossard in „Museum Kunststätte Bossard“ ist deswegen für sie ein folgerichtiger Schritt und ein starkes Signal für eine umfassende Vermittlung. „Nicht zuletzt zeigt die Ergänzung des Begriffs Museum in unserem Namen, dass wir einen professionellen Schritt zurücktreten und einen wissenschaftlichen Umgang mit diesem Ort voller Widersprüche finden.“
Mit besonderen Veranstaltungen im Museumsalltag, der Reihe Reden bei Bossard, musemspädagogischen Angeboten für Schulklassen, einem Erzählcafé, aber auch besonderen Sonderausstellungen und künstlerischen Interventionen bietet die Kunststätte Bossard ein Angebot, das jeden einzelnen Museumsbesucher zum Nachdenken angeregt. Seit dem März arbeitet die Historikerin Dr. Eva Lütkemeyer an einem neuen Vermittlungskonzept für die Kunststätte „Neustart Kunststätte Bossard“, gefördert durch die Förderlinie Pro*Niedersachsen.
Der Landrat des Landkreises Harburg und Stiftungsratsvorsitzende, Rainer Rempe, unterstützt den durch Transparenz und Wissenschaftlichkeit begleiteten Weg der Kunststätte. „Mit der Präsentation der Forschungsergebnisse durch das Institut für Zeitgeschichte und allen initiierten öffentlichen Debatten und Ausstellungen nimmt die Kunststätte Bossard in dieser Form eine wichtige Rolle als Bildungsinstitution im Landkreis Harburg ein. Diesen direkten Umgang mit einem schwierigen Erbe gilt es unbeirrt weiter fortzuführen.“
Das Vorgutachten sowie die aktuellen Forschungsergebnisse von Dr. Tobias Hof sind auf der Homepage der Kunststätte Bossard www.bossard.de und in gedruckter Form an der Museumskasse erhältlich. Das Museum hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Die etablierte Diskussionsreihe „Reden bei Bossard“ wird auch in diesem Jahr fortgeführt, die Termine stehen bereits fest. Am Samstag, dem 4. Mai 2024, findet um 13 Uhr das Erzählcafé statt. Am Donnerstag, dem 13. Juni 2024, ist der Historiker und Autor Florian Huber zu Gast an der Kunststätte. Infos und Anmeldung unter 04183/5112 oder info@bossard.de.