Während manchen Spielmannszug große Nachwuchssorgen plagen, hat ein Hamburger Jung gleich eine ganze Meute aufhetzen können. Und sie bricht mit so ziemlich allen Konventionen …
Ach wie schön war es anno dazumal mit der Musik: es gab Rock, Punk, Schlager und Volksmusik (beim Blauen Bock), Klassik, Jazz, Pop vielleicht und Reggae für einige kiffende Versprenkelte und das war es fast schon an Unterscheidungskriterien. Damit kam man ganz gut durch bis in die Achtziger. Und man hätte wohl auch zu jeder Sparte bald sagen können, wie man ihre Anhängerschaft modisch zu unterscheiden weiß. Heute ist das weit aus schwieriger.
Der Rock allein ist von Trash Metal über Gothic bis Speed so facettenreich, dass differenzierende Begriffe zu suchen fast sinnlos erscheint. Manch „unplugged“ wird gerne schon Jazz genannt, weil „ist ja rein akustisch“. Der „Singer-Songwriter“ versucht lieber gleich jede musikalische Zuordnung zu vermeiden. Hier macht eben jemand was in Musik und Text. Das reicht ja wohl als Aussage …
Man könnte meinen, jeder macht was er will, Hauptsache es gefällt. Und wenn es erfolgreich ist, dann ist dem wohl so. Doch die neue Freiheit hat wahrlich sein Gutes, denn die Kunst muss ja stets Regeln und Strukturen brechen, um ihre Unzulänglichkeiten überhaupt erst zu verdeutlichen.
Und wenn es gar keine Regeln mehr gibt? Was tut sie dann?
Jedenfalls nicht zwangläufig nichts. Manchmal ermöglicht es eben auch erst Sprünge zwischen Genres, die einstmals aufgrund ihre Weite und Größe undenkbar, unerlaubt und vielleicht daher fast selbstmörderisch gewesen wären. Man denke sich zurück in die puristischen späten 80er. Die erste Techno-Musik (damals gerne noch Tekkno geschrieben) nahm ihren Anfang und da es nur von DJs – also nicht anerkannten Musikern sondern Zweit- oder Weiterverwertern – gespielt wurde, hatte dieses Genre es unter Live-Musik-Fans eh schon schwer. Und war das überhaupt Musik? Melodien sind da ja nicht wirklich zu finden und reine Beats als Musik zu bezeichnen, ist eben einer der Verdienste des Techno und zuweilen auch des Rap.
Das ist heute nicht mehr und hat so vermutlich erst die Basis geschaffen, dass eben nun ausgerechnet in Hamburg gleich eine ganze Meute losschlägt, den Techno mit der traditionellen Blaskappelle und irgendwie auch dem Jazz zu verbinden, im wahrsten Sinne neu einzukleiden und daraus wiederum Neues zu erschaffen. Und warum diese Kapelle dann nicht auch gleich „Meute“ nennen?
Die Idee stammt von Thomas Burhorn. Studierter Trompeter, der sich neben seinem Instrument auch noch mit Kulturmanagement befasste. Unter anderem mit Hamburgs Jazzszene.
Die Idee zum Projekt Meute“ fasst er in etwa so zusammen: elektronische Musik zu ihren Wurzeln zurück zu bringen. Oder man könnte auch lautmalern: uffta uffta kommt zurück zu rumtata rumtata. Also schnell der „Meute“ ein paar Spielmannszug-Anzüge überstreifen, den Beat zielgenau dem Techno entnehmen, ab auf die Straße und eine Kamera muß laufen. Das Video war kaum bei youtube hochgeladen traf die eine „Meute“ auf die andere: die Horde von begeisterungsfähigen Communities. Der Funke war entfacht. Die erste Techno Marching Band startete ihren Siegeszug.
Es lohnt sich im Übrigen, hierzu das Original mal im Vergleich zu hören: das Duo Âme spielte 2005 den Titel REJ ein: Hörbeispiel des Originals
Mittlerweile hat die Meute zahlreiche renommierte Festivals beglückt. Darunter das Dockville-Festival, Jazz in the City in Salzburg, „Rocken am Brocken“ oder Ueberjazz. Die „Zeit“ titelte „Die posaunen es raus“, Ina Müller nahm sie ebenso in ihre Sendung wie das NDR Kulturjournal. Die Meute ist angesagt, egal für welche Sparte.
Und das ist schon deshalb besonders, da zu jedem Auftritt immerhin 11-12 Musiker zusammen kommen müssen, dazu in 1-A-Spielmannszugklamotten. Nicht einfach und sicher nicht günstig. Und mit CDs oder mp3s wird die Kapelle wohl nicht den durchschlagenden Erfolg haben. Denn zumindest das konnte und wollte auch diese Band nicht ändern: live ist es nämlich immer noch schönsten!
Infos zur Band, Musik und auch Videos findet Ihr unter www.meute.eu und selbstredend auf facebook unter www.facebook.com/meutesound
(31.12.2016, hl)