Auch im Neuen Jahr gibt es "klassische Abende" im "Komm Du":

Mit Tristan gegen die Tristesse

Musikvorträge können schon etwas Besonderes sein ... (Foto: Der Specht)

Über Musik zu schreiben oder zu reden, soll ja ähnlich sein, als wolle man zu Architektur tanzen. Aber so absurd ist es nun wieder nicht …

So gibt es bereits seit einer ganzen Weile eine lose Reihe von aufgelockerten Vorträgen im Kulturcafé „Komm Du“, die neben dem Hören von Musik sich auch mit Hintergründen der Komponisten und ihrer jeweiligen Zeit befasst. Und auch im Jahr 2017 kann man diese sogenannten „klassischen Abende“ nutzen, um Musik, Wissen und Unterhaltung gut miteinander zu vereinen.

Initiator und Vortragender ist ein gewisser Marc-Enrico Ibscher, Jahrgang 1966 und leidenschaftlicher Klassik- und Opern-Fan. Und das seit seiner Kindheit: “Mein Wagner-Leben begann durch die Freundschaft meiner Eltern mit Rudolf Schock“, erinnert Ibscher. „Dabei hörte ich erstmals die Gralserzählung aus ´Lohengrin` und ´Morgenlich leuchtend` aus den ´Meistersingern von Nürnberg` von der Schallplatte.“

1976 war es dann ausgerechnet eine Zeichentrickserie im ZDF, die das Wagner-Interesse erneut anstieß: sie hieß „Geschichten aus der Geschichte Die Nibelungen“ und dort trat die Trickfilmfigur Wagner als emsiger Komponist auf. Er wollte die Nibelungen als Oper komponieren und suchte dafür in lustigen Anekdoten dargestellt Sänger für die Uraufführung.

Es folgten die Lektüre des Opernführers von Ibschers Mutter, natürlich und speziell mit dem Kapitel Richard Wagner. In der 7. Klasse im Musikunterricht wurde dann Sentas Ballade aus dem „Fliegenden Holländer“, also aus der Zeit um 1978/1979, durchgenommen. Und dort entstand dann auch Ibischs erster Vortrag: „ich habe mir die Handlung des Holländers aus dem Opernführer erarbeitet und in der Klasse vorgetragen“.

1980 bekam er dann seinen ersten Querschnitt vom „Fliegenden Holländer“ auf einer Musikcassette (für die Jüngeren – der Vorgänger eines MP3s) geschenkt.

Ab 1981, also als 15jähriger, war Ibscher dann schon durch und durch Wagner-Fan und schleppte alles Taschengeld in diverse Plattenläden, um Wagner-LP’s zu kaufen. Nach und nach füllte sich das junge Archiv mit allen Musikdramen und als LP oder Cassette, zu Weihnachten, zum Geburtstag, von seinen Eltern oder selbst beschafft.

Seinen ersten Opernbesuch erlebte Ibscher – noch heute gut erinnernd –  am 5. Mai 1981, „Der fliegende Holländer“ in der Hamburgischen Staatsoper mit René Kollo als Erik und Norman Bailey als Holländer („authentische Besetzung meiner ersten MC!!!“). Ab 1983 wurde er zudem Statist an der Hamburgischen Staatsoper, im April 1985 als Ritter im Lohengrin. Sein (vorerst) letzter Statisten-Auftritt kam erst 1999 in „Turandot“.

„Zufällig erfuhr ich von der Existenz des Richard-Wagner-Verbandes und trat dem Verband im März 1992 bei. Aus beruflichen Gründen lebte ich zu dieser Zeit in Flensburg und trat auch dort sofort trat dem Flensburger Richard-Wagner-Verband bei und unterstützte die Vorsitzende, indem ich ihr Ideen für Veranstaltungen lieferte und Hamburger Referenten abwarb oder engagierte.“

1993 überließ sie ihm zum ersten mal Karten für Bayreuth (Tannhäuser und Holländer).

Eine jahrelange Zusammenarbeit rund um das Thema Wagner sorgten für Aufsätze in Fachzeitschriften und Vorträge zu Bruckner und Wagner, in den Folgejahren dann über Schumann und Schubert. Nach dem Tod der langjährigen Vorsitzenden wurde Ibscher – trotz mittlerweile wieder nach Hamburg verlegten Wohnsitzes erster Vorsitzender und ist es bis heute.

Kurzum: Ibscher ist Fachmann von Wagner und Opern allgemein. Er hielt zahlreiche Vorträge nicht nur in Flensburg, sondern auch in Hamburg, Helgoland, Düsseldorf, Münster, Graupa (Pirna/Dresden) und München über Themen wie Johann Strauß, Josef Strauß, Wilhelm Kienzl, Anton Bruckner, Friedrich von Flotow und Schumann in Verhältnis zu Wagner oder auch Rudolf Schock als Wagner-Sänger. Neuerdings gibt er auch eine Einführung in ein völlig unbekanntes, nur fragmentarisch erhaltenes Bühnenwerk Wagners.

Eines aber sei besonders erwähnt: ein Schwerpunkt seines Musikinteresses sind Musikerpersön-lichkeiten in Wagners Umfeld, aber nicht nur Freunde sondern auch Gegner wie Brahms und Schumann. „Dazu interessieren mich auch sehr seine Wurzeln, d.h. Mozart, Haydn und Gluck. Zu allen diesen Persönlichkeiten existieren Vorträge, oder sind (Haydn) noch in Arbeit.“

Seine Vorträge sind biographisch gestaltet, d.h. anhand des Lebensweges der Personen und der Entstehungsgeschichte ihrer bekanntesten oder auch unbekannteren Werke. Dazu erklingen Musikbeispiele, die etwa ein Drittel bis 40 % der Dauer des Vortrages ausmachen, neuerdings auch begleitet durch Powerpoint Präsentationen von Bildern der Komponisten und ihrer Lebens- und Wirkungsstätten. Angst vor zu viel Gerede und zu wenig Entertainment ist also unbegründet.

Ibscher füllt damit im Übrigen eine kulturelle Lücke in Harburg. Denn lange Jahre hab es die Reihe „Musik im Gespräch“ des einstigen Kulturredakteurs der „Harburger Anzeigen & Nachrichten“, Ernst Brennecke, der wöchentlich über musikalische Themen referierte und stets um die 60-70 Zuhörende in seinen Bann zog. Zuletzt gastierte die Reihe im „Stellwerk“ und wurde 2012 eingestellt. Gut nun, dass diese Tradition auf eine andere Art und Weise wieder Einzug hält.

Und wen´s interessiert, sollte sich folgende Termine im Kulturcafé „Komm Du“ (Buxethuder Straße) im Kalender notieren:

  • Am Do., 26. Jan. um 20h:“Anton Bruckner – Musikant Gottes auf Erden“

In einem Alter, das mancher seiner berühmten Kollegen, wie etwa Schubert und Mozart, nicht einmal erreichen durften, wurde Anton Bruckner (1824-1896) erst hauptberuflicher Komponist. Der Wagnerianer Bruckner, ein tiefreligiöser Sonderling und europaweit gefeierter Orgelvirtuose, wurde in seiner zweiten Lebenshälfte mit den großen Sinfonien gegen seinen Willen von der konservativen Wiener Musikkritik zu einer Art Gegenpapst zu Brahms aufgebaut. Der Vortrag zeichnet Anton Bruckners Lebensweg mit zahlreichen bekannten und unbekannten Musikbeispielen nach.

Weitere Informationen vorab:

 zu Anton Bruckner (1824 – 1896):
Anton Bruckner im Netz

Zum Reinhören: Anton Bruckner – Symphonie Nr.3 in d-moll „Wagner-Symphonie“ (1877 fassung)
Bruckner als Hörbeispiel

  • Am Do, 27.04.2017: „Friedrich von Flotow“
  • Am Do., 26.10.2017: „Joseph Haydn“

Der Eintritt ist übrigens frei, gegen eine Spende aber nichts einzuwenden!

(29. Dez. 2016, TG)

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