Fortsetzung der Dialogreihe „Bridging the Gap“ in den Deichtorhallen

Wenn jüdische Lebenslinien zur Kunst werden

Verständigung über Grenzen und Gegensätze hinweg – dafür steht die Dialogreihe „Bridging the Gap“ und wird nun fortgesetzt.

Der Verein zur Förderung des Israel Museums in Jerusalem e. V. und die Deichtorhallen Hamburg setzen in 2023/24 gemeinsam die erfolgreiche Dialogreihe „Bridging the Gap“ fort. Die Reihe steht für Verständigung über Grenzen und Gegensätze hinweg. Sie spricht das an, was schmerzt oder gebrochen ist und will zum Abbau von Vorurteilen und Konflikten beitragen. Realer Hintergrund der Dialogreihe ist das einzigartige und nachhaltige Kunstprogramm „Bridging the Gap“ des Israel Museums in Jerusalem für jüdische und palästinensische Kinder. Es ist das Leuchtturmprojekt und wichtigstes Anliegen des Vereins. Das Programm leistet Verständigungsarbeit in einer Stadt, die – gerade wieder hochaktuell – Kristallisationspunkt der Konflikte zwischen Ethnien und Religionen ist.

„Bridging the Gap – das klingt einfach und ist doch sehr schwierig. Wie baut man eine Brücke zwischen anscheinend unüberwindbaren Gegensätzen? Dem Israel Museum gelingt dies auf einzigartige Weise: mit dem Kunstprogramm für palästinensische und jüdische Kinder, das seit 30 Jahren einmal wöchentlich läuft. Es trotzt Kriegen und Terroranschlägen, es überwindet Misstrauen und Fremdheit“, erklärt Dr. h.c. Sonja Lahnstein-Kandel, Vorstandsvorsitzende des Vereins zur Förderung des Israel Museums e.V. „Wir, die deutschen Freunde des Museums sind Partner und möchten dieses im Nahen Osten beispiellose Programm bekannt machen und stärken. Deshalb veranstalten wir die Dialogreihe – und unterstützen damit auch die Zivilgesellschaft in Israel, die jede Woche für Freiheit und Demokratie kämpft. Dieser Kampf geht uns alle an.“

Prof. Dr. Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen Hamburg, und Sonja Lahnstein-Kandel führen gemeinsam die dreiteilige Reihe ein. Am 15. September 2023 findet die Auftaktveranstaltung statt – mit einem international besetzten Podium zum Thema „Wenn jüdische Lebenslinien zur Kunst werden“. Der New Yorker Fotograf Ralph Gibson, für den die Deichtorhallen eine Werkschau ausgerichtet haben und der 2020 seine Publikation „Sacred Land“ Israel widmete, diskutiert mit der israelischen Künstlerin Ilit Azoulay, die den Israel-Pavillon auf der 59. Biennale von Venedig bespielte und dem Berliner  Installations- und Videokünstler Leon Kahane. Zusätzlich wird ein Videobeitrag der israelischen Bildhauerin und Medien-Künstlerin Yehudit Sasportas gezeigt. Die Veranstaltung wird vom Gründer der Kulturbotschaft Berlin, Ralf Schlüter, moderiert. Er wird mit den Künstler*innen über den Sinn kultureller Spurensicherung sprechen: Wie spiegelt sich die jüdische Identität in der Kunst und wie geht man als Künstler*in damit um? Welche Erfahrungen kann man als „jüdische“ bezeichnen, und wodurch sind sie bestimmt? Kommt der Kunst hier eine Chronistenrolle zu, oder stiftet sie auch neue Zusammenhänge?

Das zweite Panel am 29. November 2023 unter der Moderation von Sonja Lahnstein-Kandel setzt sich mit dem „Dilemma der jüdischen Diaspora“ auseinander. Die Dialogreihe schließt im Januar 2024 mit dem Thema „Der NS-Raubkunst aus jüdischem Besitz auf der Spur 3.0“. Dabei stehen in Anlehnung an die umfassende Ausstellung „Dix und die Gegenwart“, die ab September 2023 in den Deichtorhallen zu sehen sein wird, neueste Erkenntnisse und Entwicklungen zur Nazi-Raubkunst im Vordergrund.
Die Reihe „Bridging the Gap“ wird von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gefördert.

Ralph Gibson

Der amerikanische Fotograf hat mit seinen außergewöhnlichen Arbeiten, die von führenden Museen der Welt, wie dem Museum of Modern Art in New York, dem J.P. Getty Museum in Los Angeles und der John Simon Guggenheim Memorial Foundation, gezeigt und gesammelt werden, großes internationales Renommee erlangt. Seine Werke, die seit den frühen 1960er Jahren entstanden sind, widersprechen der konventionellen Bestimmung des Mediums Fotografie: Er interessiert sich nicht für die fotografische Dokumentation der Realität, er begreift sie selbst als ästhetische Realität.

Ilit Azoulay

Die israelische Fotografin studierte an der Bezalel Academy of Art Design in Jerusalem und Tel Aviv, sie lebt und arbeitet in Berlin. In ihrer Kunst verbindet sie dokumentarische Aspekte mit konzeptionellen. Wie eine Archäologin setzt sie Fundstücke zu neuen Kunstwerken zusammen. Mit dem Werk „Queendom“ bezieht sie sich auf die Arbeit des Kunsthistorikers David Storm Rice und schaffte eine Metamorphose, ein neues Leben der Objekte – ein digitales Frauenreich. Im letzten Jahr bespielte sie den Israel-Pavillon auf der 59. Biennale von Venedig.

Leon Kahane

Der Installations- und Videokünstler lebt und arbeitet in Berlin und Tel Aviv. Nach seiner Fotografie-Ausbildung an der BEST-Sabel Berufsfachschule für Design und an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin studierte er Freie Kunst an der Universität der Künste in Berlin. Zentrale Bezugspunkte in den Videoarbeiten, Fotografien und Installationen des Künstlers sind Themen wie Migration und Identität und die Auseinandersetzung mit Mehr- und Minderheiten in einer globalisierten Gesellschaft. Für den Künstler spielen eigene Erfahrungen und biografische Bezüge eine zentrale Rolle.

Yehudit Sasportas (Videobeitrag)

Die israelische Künstlerin hat an der Bezalel Academy of Art Design und der Hebräischen Universität in Jerusalem sowie an der Cooper Union School of Art in New York studiert. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Tel Aviv und hat einen Lehrauftrag der Bezalel Academy inne. In ihrer Kunst stellt sie u.a. Landschaften dar und knüpft damit an die deutschen Romantiker und die japanische Holzschnittkunst an. Ihre Gemälde, Grafiken, Zeichnungen und Installationen zeigen Berge, Bäume, Unterholz, Wälder fernab vom landschaftlichen Idyll, befremdlich, unheimlich und überaus ästhetisch. Ihren internationalen Durchbruch erlebte sie im Jahr 2007 mit ihrer Teilnahme für Israel an der Biennale in Venedig.

Ralf Schlüter (Moderation)

Der Kulturjournalist studierte an der Freien Universität Berlin. Er schrieb Kritiken, Porträts und Reportagen für die „Berliner Zeitung“, den „Rolling Stone“, die „Wochenpost“, „Die Woche“ u.a. Er arbeitete als Textchef für das Designmagazin „form“ sowie für das Kunstmagazin „Art“ – hier übernahm er folgend die Position des stellvertretenden Chefredakteurs. Im Bucerius Kunst Forum Hamburg und auf Kampnagel moderierte er verschiedene Veranstaltungen. Er hatte Lehraufträge an der Universität Hamburg und der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und war als Moderator bei ByteFM tätig. Seit 2020 produziert er den Podcast „Zeitgeister“ zusammen mit der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. 2022 war er der Executive Editor des Handbuchs zur documenta fifteen.

Dr. h.c. Sonja Lahnstein-Kandel (Moderation)

Sonja Lahnstein-Kandel studierte zwischen 1969 und 1973 Wirtschaftswissenschaften in Hamburg. Die ehemalige Weltbank-Managerin gründete 1998 die Jugendinitiative „step21 – Initiative für Toleranz und Verantwortung“ und ist die Vorsitzende der Stiftung, die sich bis heute für die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen gegen Unrecht, Diskriminierung und Gewalt einsetzt. Für ihr beispielhaftes Engagement gegen Diskriminierung und Rassismus wurde Sonja Lahnstein-Kandel im Jahr 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie ist außerdem Vorstandsvorsitzende des Deutschen Förderkreises der Universität Haifa und des Vereins zur Förderung des Israel Museums e.V. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates der Universität Haifa. Außerdem ist sie Mitglied im Kuratorium des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg sowie der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Im Juni 2017 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Universität Haifa verliehen.

Prof. Dr. Dirk Luckow (Einführung) 

Der Kunsthistoriker und Kurator ist seit 2009 Intendant der Deichtorhallen Hamburg. Er studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Alte Geschichte an der Freien Universität in Berlin. Es folgten Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Kurator und Projektleiter im In- und Ausland. 2002 wurde er zum Direktor der Kunsthalle zu Kiel berufen und fungierte damit auch als geschäftsführender Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins Kiel. Darüber hinaus engagierte er sich im Künstlerischen Beirat der Temporären Kunsthalle Berlin, er ist Juror des Hauptstadtkulturfonds in Berlin, Juror des KÖR, Kunst im öffentlichen Raum, Wien, sowie Mitglied in den Kuratorien der Nordmetall-Stiftung und der Herbert-Gerisch-Stiftung/Skulpturenpark Neumünster.

Die Institutionen:

Der Verein zur Förderung des Israel Museums in Jerusalem e. V. 

Der Deutsche Verein zur Förderung des Israel Museums in Jerusalem e. V. wurde 1989 durch engagierte Persönlichkeiten aus Politik und des öffentlichen Lebens gegründet, darunter Dr. Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D., der bis zu seinem Tode Ehrenvorsitzender des Vereins war. Die Mitglieder des Vereins fühlen sich der Kunst verpflichtet, darunter viele Künstler und Persönlichkeiten aus dem kulturellen Leben in Deutschland. Der Verein unterstützt das Museum durch Dauerleihgaben bedeutender deutscher Künstler, organisiert Ausstellungen und fördert den Dialog zwischen den Kulturen. Besondere Anliegen sind die Beziehung zwischen Deutschland und Israel und die Verständigung zwischen jungen Juden und Palästinensern mittels Kunst in Israel und im Nahen Osten. Das Leuchtturmprojekt ist das arabisch-jüdische Kunstprogramm „Bridging the Gap“.

Das Programm „Bridging the Gap“ des Israel Museums

Namensgebend für die Dialogreihe „Bridging the Gap“ in den Deichtorhallen ist das seit 30 Jahren bestehende gleichnamige Kunstprogramm des Museums, das durch den Verein zur Förderung des Israel Museums in Jerusalem e. V. maßgeblich getragen wird. Das Programm richtet sich an palästinensische und israelische Kinder und Jugendliche in Jerusalem. Es steht beispielhaft für einen gelungenen und nachhaltigen Versuch, Brücken zu bauen zwischen Ethnien, Kulturen und Religionen. Das einzigartige Programm hat in der Stadt Jerusalem, die wie keine von politischer, religiöser und kultureller Vielfalt gekennzeichnet ist, bereits erfolgreich mehrere Tausend Schüler, Eltern und Lehrer zusammengeführt. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, die ansonsten in komplett getrennten Teilen Jerusalems wohnen, kommen während des Schuljahres einmal pro Woche in das Israel Museum, um ein bestimmtes, gemeinsam verabredetes Thema in einem Kunstprojekt zu erarbeiten und es am Ende in einer Ausstellung gemeinsam zu präsentieren.

Israel Museum, Jerusalem

Das 1965 erbaute Israel Museum in Jerusalem gehört zu den großen Museen dieser Welt und steht mit seinen Sammlungen und Ausstellungen wie keine andere Institution im Nahen und Mittleren Osten für universelle menschliche Werte und Kultur. Weltberühmt ist der Schrein des Buches, in dem die am Toten Meer entdeckten Qumran-Schriftrollen aufbewahrt werden, außerdem verfügt die Institution über eine bedeutende archäologische Sammlung und herausragende zeitgenössische Kunst.

Deichtorhallen Hamburg 

Die Deichtorhallen Hamburg widmen sich der zeitgenössischen Kunst und der Fotografie. Mit ihren drei Häusern – Halle für aktuelle Kunst, Haus der Photographie und Sammlung Falckenberg – an zwei Standorten und einer Ausstellungsfläche von 10.000 qm sind sie eines der größten Ausstellungshäuser dieser Art in Europa. Die Ausstellungen in den Deichtorhallen bilden die unmittelbare Gegenwart ab, überschreiten dabei Grenzen und Genres. Im Zusammenspiel mit der außergewöhnlichen Architektur der drei Ausstellungshäuser entstehen spektakuläre Ausstellungen auf hohem Niveau, die oftmals in Kooperation mit internationalen Museen umgesetzt werden.

15. September 2023, 17 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung erforderlich

Ort: Deichtorhallen Hamburg (Auditorium) | Deichtorstr. 1-2 | 20095 Hamburg
Anmeldung über Alexandra Stöckigt: stoeckigt.imj@step21.de
Tel (Di, Mi, Do, 9.00 – 15.00 Uhr): 040 790 246 883
Nele Schmidt: direktion@deichtorhallen.de

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