Toleranz und Gastfreundschaft mit vielen Gesichtern

Willkommenskultur

Austauschschülerin Tabea hat mehr als nur eine Reise nach Japan gemacht. (Foto: yfu)

Schüleraustausch ist mehr als nur mal ins Ausland reisen. Es geht auch um Wertevermittlung. Unsere Tiefgang-Autorin hat sich das mal näher angeschaut …

Weltoffenheit will gelernt sein. Nicht internationaler Handel oder sprachliche Verständigung stehen an oberster Stelle, wenn es darum geht, in einer globalisierten Welt miteinander respektvoll, fair und unvoreingenommen umzugehen. Menschliche Begegnungen sind vielmehr das A und O, um sich ein Bild voneinander machen und sich besser verstehen zu können.

Ich habe schon öfters Berichte gesehen und gelesen, in den Menschen davon berichten, dass sie nach persönlichen Erfahrungen umgedacht haben. Beispielsweise wurden zugezogene „Ausländer“ von Einheimischen skeptisch bis ablehnend beäugt, bis es zu einem zufälligen direkten, zwischenmenschlichen Kontakt kam. Daraus entstanden nicht selten langlebige und herzliche Bekanntschaften.

Das Fremde ist mit Vorurteilen behaftet. Erst durch das Kennenlernen entsteht Vertraut- und Verbundenheit. Der Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft hat ein enormes Potential und wird überwiegend als große Bereicherung erlebt.

Eine Möglichkeit, interkulturelle Bildung zu fördern, ist der internationale Schüleraustausch, bei dem Schüler für ein Jahr ins Ausland gehen, bei einer Gastfamilie wohnen und die örtliche Schule besuchen – oder eben ein Schüler aus dem Ausland in einer deutschen Familie aufgenommen und in deren Alltag integriert wird. Dabei geht es nicht um ein Unterhaltungsprogramm, das dem Jugendlichen geboten werden soll, sondern um das echte Erlebnis des Alltags in einer anderen Gesellschaft.

Ich las Berichte von deutschen Schülern, die die Vorzüge von chinesischen Schuluniformen kennen- und schätzen lernten und ihrerseits von ihren Mitschülern darum beneidet wurden, wie es hierzulande gehandhabt wird. Ich las Berichte von Schülern, die eine herzlichere Beziehung zu ihrer brasilianischen Gastfamilie haben als zu ihrer leiblichen, weil die Familie einen anderen Stellenwert hat und die Mentalität eine andere ist. Ich las Zeugnisse von heranreifenden Einsichten.

Ich las viele Berichte; die meisten sprachen von unendlicher Dankbarkeit für diese Erfahrungen und eine Zeit, die zur wertvollsten in ihrem bisherigen Leben zählt. Und etliche wollen ihre positiven Erfahrungen und Erkenntnisse weitergeben. Sie alle sind Botschafter einer toleranten Weltoffenheit, von denen alle lernen und profitieren können.

Der Schüleraustausch beruht auf einer Initiative der USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutsche Schüler nahmen 1955/1956 an einem Austausch-Programm teil, das von den Staaten zur Demokratieerziehung finanziert wurde. Später engagierten sich ehemalige Austauschschüler für eine Fortführung des Programms. Daraus entstand in den vergangenen Jahrzehnten ein weiteres Netzwerk. Partner finden sich auch in Europa, Afrika, Asien, Nord- und Lateinamerika.

Der Austausch ermöglicht eine ungewohnte Perspektive auf die fremde, aber auch auf die eigene Kultur und erweitert so den Horizont. Das anfängliche Fremdheitsgefühl weicht nach und nach einer Vertrautheit und zwischenmenschlichen Verbundenheit. Dass daraus lebenslange Freundschaften entstehen, ist keine Seltenheit. Und die Jugendlichen wachsen an der Erfahrung.

Während des Aufenthaltes findet in der Regel eine Betreuung durch ehrenamtliche Mitarbeiter statt, welche möglichst in der Nähe der Gastfamilie wohnen und diese erfahren und gut geschult unterstützen. Häufig gehören die Ehrenamtlichen zu den Ehemaligen, die selber ein Jahr im Ausland verbrachten oder zu einer Gastfamilie gehörten. Sie engagieren sich aus Überzeugung und möchten ihre wertvollen Erfahrungen weitergeben.

Wer nicht das nötige Geld aufbringen kann, seinem Nachwuchs ein Jahr im Ausland zu ermöglichen, kann sich für ein Stipendium bewerben, denn es gibt Förderprogramme. Eine weitere Möglichkeit ist, selber Herz und Heim einem mutigen jungen Menschen zu öffnen und für ein Jahr aufzunehmen.

Die Förderung von interkulturellen Kompetenzen ist von allergrößter Bedeutung für eine friedliche, tolerante und dialogfähige Gesellschaft. Wer ein Zeichen für Willkommenskultur setzen möchte, kann sich beispielsweise bei dieser gemeinnützigen Organisation informieren: yfu.de/home

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