Museum der Arbeit eröffnete Ausstellung zum Kolonialismus

Grenzenlos

Eine Ausstellung zu Kolonialismus, Industrie und Widerstand wird weiter sensibilisieren (Grafik: MdA)

Wer denkt schon bei einem Hartgummi-Kamm an Plantagen in Kamerun? Sollte man aber. Eine Ausstellung sensibilisiert nun dafür.

Seit dem 30. September und noch bis April 2021 leistet das Museum der Arbeit in Barmbek nun mit einer Ausstellung zum Thema „Kolonialismus, Industrie und Widerstand“ einen wichtigen Beitrag zum Umgang auch mit Hamburgs oder gar erst Harburgs jüngerer Geschichte.

Hamburg war eines der wirtschaftlichen Zentren des europäischen Kolonialismus. Viele der Waren und Rohstoffe aus Kolonien, die über den Hafen in die Stadt gelangten, wurden in der hiesigen Industrie verarbeitet – auch auf dem Gelände des Museums der Arbeit, einer ehemaligen Gummifabrik. Die übrigens eine weitere Fabrik der zuerst in Harburg entstandenen Hamburg New Yorker Gummiwaarenfabrik (Nartenstraße) war.

Einige Hamburger Unternehmen waren deutschland- oder auch europaweit führend in der industriellen Verarbeitung von Kautschuk, tropischen Ölen und Fetten, Kakao und Elfenbein. Insbesondere seit dem 19. Jahrhundert konsumierten zahlreiche Menschen in Europa die daraus hergestellten Produkte. Doch wer denkt bei einem Hartgummi-Kamm schon an Plantagen in Kamerun, wer sieht in der Margarine oder der Christbaumkerze eine Verbindung zu Nigeria, wer erkennt in der Seife einen Bezug zu Samoa? Unsichtbar sind auch das Wissen und die Arbeit der Menschen in den Kolonien sowie die koloniale Gewalt und das mit ihr verbundene Leid.

Die Menschen in den Kolonien gewannen Kautschuk, Öle, Kakao und Elfenbein für Hamburgs koloniale Industrie unter den Bedingungen einer rassistischen Gewaltherrschaft. Sie wurden versklavt, zur Arbeit auf Plantagen und in Karawanen gezwungen, ihrer Existenzgrundlage beraubt und vertrieben. Sie leisteten individuell und kollektiv Widerstand, sei es in Protesten oder Petitionen, durch Flucht, Sabotage oder mit der Waffe.

Mit seiner Sonderausstellung möchte das Museum der Arbeit einen Beitrag zur aktuellen Debatte über den Umgang Hamburgs mit seiner kolonialen Geschichte und zur Diskussion über die langfristigen Folgen kolonialer Herrschaftsstrukturen leisten.

Museum der Arbeit, Öffnungszeiten: Montag 10 – 21 Uhr; Dienstags geschlossen; Mittwoch bis Freitag 10 – 17 Uhr; Samstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr

shmh.de/de/grenzenlos-kolonialismus-industrie-und-widerstand

 

Das Bookazine zur Ausstellung

Das Bookazine „grenzenlos“, das eine Mischung aus Magazin und Buch ist, bringt unterschiedliche Stimmen und Perspektiven von BIPoC in Deutschland zusammen. In Essays, Interviews, Gedichten, Collagen und Fotografien, bildet die Publikation die vielfältigsten Lebensrealitäten ab. Die Autor*innen führen dabei den Diskurs um die Ausstellungsinhalte selbstständig und kritisch fort. Das Bookazine möchte insbesondere BIPoC erreichen und bietet zugleich durch seinen diversitätssensiblen, diskriminierungskritischen und inklusiven Ansatz allen Leser*innen produktive Lernräume.

Mit Beiträgen u. a. von: Lahya Aukongo, Olenka Bordo Benavides, Elliot Blue, Nikita Dhawan, Diana Ejaita, Natasha A. Kelly, Isaiah Lopaz, Sandrine Micossé-Aikins, Alok V. Menon, Movain, Candice Nembhard, Kofi Shakur, Moro Yapha.

Herausgeber*innen: Josephine Apraku, Rita Müller, Christopher Nixon

170 Seiten, zahlreiche Abbildungen, KOCMOC-Publishing Space, ca. 17 €, erhältlich im Museumsladen

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