Neues aus der Schreibwerkstatt von Autorin Ute Holst:

Waldbaden

Foto: efteye81 / Pixabay

Nach dem Artikel in der Wochenendausgabe ihrer Tageszeitung war Erika neugierig geworden.

Von Ute Holst

Waldbaden, das musste sie unbedingt mal ausprobieren. Mit dem Auto fuhr sie in einen nahegelegenen Wald und lief solange, bis sie auf eine schöne Lichtung kam.

Mit dem Rücken lehnte sie sich an eine mächtige Buche und schloss die Augen. Sie spürte die wärmende Sonne auf ihrem Gesicht und wie der angenehm frische Wind mit ihren Haaren spielte. Erika atmete tief ein und aus und genoss den Geruch des feuchten Waldbodens. Etwas raschelte neben ihr im trockenen Laub, aber sie ließ die Augen geschlossen. „Wahrscheinlich ist das nur ein kleines Mäuslein“, dachte sie sich und fühlte wie sie innerlich zur Ruhe kam. Außer dem leisen Rauschen der Blätter, die sich im leichten Wind bewegten, hörte sie in der Ferne einen Hirsch röhren. Wenig später ertönte der Ruf eines Kuckucks und Erika erinnerte sich, dass ihre Großmutter immer gesagt hatte: „Wenn der Kuckuck ruft musst du deine Geldbörse schütteln, dann geht dir nie das Geld aus.“ Bei dieser Erinnerung musste Erika lächeln, sie hatte ihre Oma sehr gern gehabt.

Plötzlich knackten in der Nähe Zweige und trockenes Laub raschelte, Erika hatte den Eindruck als würden sich menschliche Schritte nähern. Gespannt lauschte sie diesem Geräusch und überlegte, ob sie ihre Augen öffnen sollte. Dann vernahm sie das Hecheln eines Hundes und die freundliche Stimme eines Mannes.

Erika schlug die Augen auf und sah einen jungen Förster mit seinem Hund vor sich stehen. Der Mann lächelte sie freundlich an und fragte: „Ist alles in Ordnung?“ Verwundert zwinkerte Erika mit den Augen, war sie eingeschlafen und träumte sie noch? Der Mitarbeiter des Forstamts beugte sich zu ihr hinunter und sah sie fragend an. „Brauchen sie Hilfe, junge Frau?“ Erika räusperte sich verlegen und hielt sich zum Schutz vor der Sonne die rechte Hand über die Augen: „Vielen Dank“, stotterte sie verlegen, „es ist alles okay.“ Als sie aufstehen wollte reichte der Mann ihr die Hand und zog sie behutsam in die Höhe. „Was für ein Händedruck“, schoss es Erika durch den Kopf, „kraftvoll und trotzdem sanft.“

Verwirrt sah sie ihrem Gegenüber ins Gesicht, graublaue Augen sahen sie interessiert an und der Mund wurde durch einen graumelierten Vollbart nahezu verdeckt. Soweit sie erkennen konnte war das Gesicht sonnengebräunt und der Hut saß ein bisschen schief auf dem Kopf, was dem Mann ein keckes Aussehen verlieh. „Was für ein toller Mann“, dachte Erika und senkte verlegen den Blick. „Ich wollte sie auf keinen Fall stören“, hörte sie den Revierförster sagen, „mein Hund und ich sind jeden Tag hier im Wald unterwegs. Wir müssen nach dem rechten sehen und genießen die Ruhe und die gute Luft.“ Bei diesen Worten schaute er liebevoll auf den Hund, der sich entspannt neben seinem Herrchen niedergelassen hatte. „Das kann ich gut verstehen“, gab Erika zur Antwort: „ich habe in der Zeitung vom Waldbaden gelesen und da wollte ich es auch einfach mal ausprobieren.“ Fragend sah sie den Förster an: „Das ist doch erlaubt, oder“. „Das dürfen sie sehr gerne“, der Mann lächelte sie aufmunternd an: „hat es ihnen denn gefallen?“ Erika holte tief Luft und schaute in die schönen Augen ihres Gegenübers: „Ja, es war ein wunderbares Erlebnis und ich könnte mir vorstellen es öfter zu machen“, schwärmte sie. „Nur zu“, ermunterte sie der junge Mann, „Gäste wie sie sind immer willkommen. Was wir nicht mögen ist, wenn Sportler mit ihren Mountainbikes oder ihren Geländemaschinen durch den Wald rasen und viel Schaden anrichten. Auch Reiter, die sich nicht an die für sie markierten Wege halten, sind uns ein Ärgernis.“ Forschend sah er Erika an: „Wenn es sie interessiert würde ich ihnen mit Vergnügen unseren wunderschönen Wald zeigen.“ „Ja, gerne, aber“, stotterte Erika verlegen, „ich weiß gar nicht ob ich ihre Einladung annehmen kann. Sie müssen doch arbeiten.“ „Machen Sie sich darum keine Sorgen, es gehört auch zu meinen Aufgaben interessierten Menschen den Wald und unsere Arbeit näher zu bringen.“ Er sah sich um und zeigte mit der rechten Hand auf die umstehenden Bäume: „Nur was die Menschen kennen und lieben sind sie auch bereit zu schützen.“ Erika spürte wie ihre Wangen sich röteten und nach einer kurzen Pause flüsterte sie: „das ist wirklich sehr nett von ihnen.“ Nach einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr sagte sie entschuldigend: „Aber jetzt muss ich dringend los, ich habe mich hier schon zu lange aufgehalten.“ Der Förster nickte verständnisvoll: „Ist das ihr roter Kleinwagen mit Hamburger Kennzeichen auf dem Parkplatz?“ Als Erika bejahte wandte er sich seinem Hund zu: „Na, Edgar, was meinst du, wollen wir die junge Dame zu ihrem Auto begleiten?“ Der Dackel erhob sich und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz.

Langsam und fröhlich plaudernd gingen Erika und der Förster Richtung Parkplatz, der Hund lief entspannt nebenher. Am Auto angekommen verabschiedeten sie sich voneinander, wobei sie die Telefonnummern austauschten und sich verabredeten bald gemeinsam einen langen Spaziergang zu machen. Entspannt und glücklich trat Erika ihren Rückweg an, das Waldbaden hatte sich wirklich gelohnt.

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