Dokumentarisches Theater „NSU-Monologe“ am 6. November

Harburg wird zum Gerichtssaal der Erinnerung

In Zeiten, in denen rechtsextreme Netzwerke erneut mit erschreckender Energie um sich greifen, ist die Kultur gefordert, sich zu positionieren. Sie muss mehr sein als nur schöne Fassade. Sie muss laut sein, fordernd, und die Leerstellen der Geschichte mit Wahrhaftigkeit füllen.

Am 6. November wird das im Herzen Hamburgs – genauer gesagt in Harburg – geschehen. Im Rahmen der Harburger Gedenkwochen im November 2025 holt der Harburger Integrationsrat zusammen mit weiteren Partnern wie der Interreligiöse Dialog in Harburg, Harburger Muslime, Omas gegen Rechts Hamburg-Süd das erfolgreiche Theaterstück „NSU-Monologe“ nach Harburg. Die Aufführung der „NSU-Monologe“ der Bühne für Menschenrechte ist nicht einfach nur Theater. Es ist eine hochpolitische Notwendigkeit. Das Stück zieht die Zuschauer*innen direkt hinein in einen der dunkelsten Komplexe der deutschen Nachkriegsgeschichte: den Terror des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und das erschütternde, langjährige Versagen staatlicher Institutionen.

Das Trauma, das nicht enden darf

Zur Erinnerung: Zwischen 2000 und 2007 ermordete die rechtsextreme Terrorzelle, bestehend aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, zehn Menschen – neun Gewerbetreibende mit türkischem, kurdischem oder griechischem Migrationshintergrund sowie die Polizistin Michèle Kiesewetter.

Das eigentliche, zutiefst verstörende Trauma liegt jedoch im „zweiten Schock“: Über Jahre hinweg ermittelten die Behörden in die völlig falsche Richtung. Statt rechtsextreme Täter*innen ins Visier zu nehmen, wurde das Umfeld der Opfer kriminalisiert. Familien sahen sich plötzlich im Zentrum verdächtiger Nachfragen, ihre Trauer wurde mit Misstrauen beantwortet. Sie mussten das rassistisch motivierte Morden ihrer Angehörigen und die behördliche Demütigung gleichzeitig ertragen.

Der 2018 abgeschlossene, jahrelange NSU-Prozess in München führte zwar zur Verurteilung von Beate Zschäpe und Helfer*innen, ließ aber viele drängende Fragen unbeantwortet: Wer wusste Bescheid? Wie tief reichen die Verstrickungen in die Sicherheitsbehörden? Und warum konnte dieser Terror so lange unentdeckt – und scheinbar unwidersprochen – stattfinden?

Die Bühne als Archiv der Wut und Würde

Genau hier setzt das Konzept der „NSU-Monologe“ an, das so energisch wie notwendig ist. Das Stück basiert auf wortgetreuen Dokumenten und Zeugenaussagen, die in enger Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Opfer entstanden sind. Die Bühne für Menschenrechte verzichtet auf fiktive Elemente; sie ist ein neutraler Raum, ein Archiv der Wahrhaftigkeit.

Im Mittelpunkt stehen die Geschichten von Elif Kubaşık, Adile Şimşek und İsmail Yozgat. Es sind die Stimmen der Überlebenden, die nach Jahren des Schweigens und der Anschuldigungen endlich Gehör finden. Sie erzählen von ihrem Kampf um die Rehabilitierung ihrer ermordeten Söhne und Väter, von ihrer unerschütterlichen Willensstärke, die Umbenennung von Straßen zu fordern, und von ihrem Mut, sich öffentlich gegen die von Behörden verbreitete „Döner-Mord“-Lüge zu stellen.

Das Format des Monologs ist dabei so schlicht wie genial: Es gibt den Opfern ihre Individualität und ihre Würde zurück, die ihnen durch rassistische Vorurteile und institutionelles Versagen genommen wurde. Es reißt die Perspektive vom rechten Terror-Trio weg und lenkt den neugierigen und kritischen Blick der Zuschauer*innen auf diejenigen, die zurückblieben und gegen das Vergessen kämpfen mussten. Die monologische Dichte erzeugt einen Sog von Empathie und Wut zugleich, der unter die Haut kriecht.

Dieses Theaterstück ist eine Einladung an uns alle, die Lektion des NSU-Terrors endlich anzunehmen: Es gibt keine Entschuldigung für das Wegsehen, und der Kampf um eine antirassistische und demokratische Gesellschaft ist noch lange nicht gewonnen. Die „NSU-Monologe“ sind somit kein Stück über die Vergangenheit, sondern eine hochaktuelle, drängende Intervention für die Gegenwart.

Die Aufführung der „NSU-Monologe“ in Harburg wird von einer Podiumsdiskussion oder einem Publikumsgespräch begleitet, um die sozialen und politischen Konsequenzen des NSU-Komplexes tiefgehend zu erörtern.

Do., 6. Nov., 18.30 Uhr: NSU-Monologe

Feuervogel – Bürgerzentrum Phönix | Maretstraße 50 | 21073 Hamburg | Eintritt frei!

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