Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl sind gerade in Zeiten, in denen es einem nicht gut geht, herausfordernd und zugleich von zentraler Bedeutung. Die Kunst als Ausdrucksform unterstützt dabei, kreativ Kraft zu tanken.
von Ulrike Hinrichs
Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl helfen, belastende Lebenssituationen zu meistern. Beide Begriffe sind eng miteinander verbunden. Selbstfürsorge beschreibt die Fähigkeit, gut für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Selbstmitgefühl meint, sich selbst in schwierigen Momenten freundlich und verständnisvoll zu begegnen. Das klingt allerdings einfacher, als es oft ist.
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Das künstlerische Schaffen kann dabei helfen, achtsam wahrzunehmen, was im Inneren geschieht, und diesem Empfinden mit Ausdruck zu begegnen. Farben, Formen und Symbole werden zu einer Sprache des Mitgefühls, die oft tiefer wirkt als Worte.
In meiner Gruppe „Kreativ Kraft tanken“ geht es genau um dieses Thema. Das Projekt öffnet einen kreativen Begegnungsraum für Frauen in psychisch belastenden Lebenssituationen. Ziel ist es, die Resilienz zu stärken und so die psychische Gesundheit nachhaltig zu fördern. Die Gruppe wird gefördert von der Techniker Krankenkasse und findet im Stadtteilhaus Neuwiedenthal in Hamburg statt.
Ich möchte dir ein Beispiel für kreative Selbstfürsorge zeigen, welches du auch für dich selbst umsetzen kannst. Die Aufgabe in einer unserer Gruppensitzungen lautete:
Erinnere dich an einen kleinen schönen Moment der letzten Zeit. Solche Momente wahrzunehmen, fällt gerade dann schwer, wenn es einem nicht gut geht, man vielleicht sogar in einer Depression steckt oder unter chronischem Stress leidet. Dennoch lassen sich auch in solchen Lebenssituationen kleine „Glücksmomente“ wachkitzeln.
Eine Teilnehmerin, die dicht am Wald wohnt, erzählte, wie sie frühmorgens aus dem Küchenfenster blickte und plötzlich einem Reh in die Augen sah. Ein stiller, fast magischer Augenblick mitten im Alltag. Diesen Moment setzte sie anschließend künstlerisch um. Entstanden ist ein intensives Bild (Header): ein Reh mit klarem, wachem Blick, sein Körper strahlt in Blau und ist umgeben von leuchtenden Farben in Rosa und Orange. In dieser Begegnung mit dem Tier spiegelt sich lebendige Verbundenheit, Ruhe und Vertrauen.
Wie sieht dein Moment aus? Du kannst genauso gut auf länger vergangene Momente im Leben zurückgreifen, wenn dir keine aktuelle Situation einfällt. Deinem Gehirn ist es egal, ob der Moment, den du wiederbelebst, lange vergangen ist oder erst gestern war.
Indem wir diese Momente künstlerisch einfangen, werden sie zu leuchtenden Ankern im Alltag. Ein Anker hält den eigenen kleinen Glücksmoment fest, die Freude, die Ruhe, die Verbundenheit, die wir erlebt haben. Das gemeinsame Teilen dieser Augenblicke in der Gruppe wirkt wie ein kreatives Kraftwerk, das die individuellen Erfahrungen miteinander verwebt. Die Bilder leuchten wie kleine Erinnerungslichter, die nicht nur das persönliche warme Gefühl zurückrufen, sondern auch die Kraft des geteilten Moments immer wieder spürbar machen.
Speicher dir dein Bild daher als Hintergrund auf dem Smartphone oder häng es dir zu Hause auf. So kommst du ganz automatisch wieder mit dem Gefühl in Kontakt, wenn du das Werk betrachtest.
Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl wachsen, wenn wir uns erlauben, diese Momente festzuhalten als Erinnerung daran, dass das Schöne auch im Kleinen und Alltäglichen wohnt, auch wenn es im Inneren oft sehr dunkel ist.
Für alle, die diesen Weg vertiefen möchten, bietet das Buch Gymnastik für die Seele: Mit Pinsel und Farbe zu mehr Selbstmitgefühl kreative Anregungen und künstlerische Übungen, die dazu einladen, einen liebevolleren Zugang zu sich selbst zu finden.

Ulrike Hinrichs – Gymnastik für die Seele
Mit Pinsel und Farbe zu mehr Selbstmitgefühl
ISBN 978-3-99165-010-2, Buschmiede – Happy Balance
20,00 EUR,
Mit 50 Praxisübungen und 73 farbigen Abbildungen
Das Cover-Bild stammt von der Harburger Künstlerin Yvonne Lautenschläger
Ulrike Hinrichs ist Gesprächstherapeutin, Kunsttherapeutin (M.A), Anwenderin Positive Psychologie und Autorin www.ulrikehinrichs.com
