Die Kolumne von Sophie Selbst-Zweifel

Harburger Gast

Als Hamburger Gast dürfte ihm das fremdschämen fremd sein: Tilman Strasser (Foto: EM)

Ich heiße Sophie, bin Denkerin und Lokalpatriotin, allerdings mit einer Neigung zum Fremdschämen.

Es gibt durchaus Ecken und Kanten in Harburg, die es in sich haben, aber eben auch sehr schöne Seiten. Besonders die landschaftliche Umgebung. Kulturell war hier dagegen für meinen Geschmack lange relativ wenig los – Alteingessene mögen sich noch erinnern an die glanzvollen Zeiten vom „Gloria“ oder das kleine Programmkino „Die Kurbel“, an das „Top Ten“ an der Außenmühle oder das „Consortium“ gegenüber der Lämmertwiete. Locations für sehr unterschiedliches Publikum. Das war´s dann auch schon, oder habe ich etwas vergessen?

Abgesehen vom Cinemaxx hat sich die Kultur aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten langsam vom Brachland zur Landschaft gemausert. Ob „Stellwerk“, „Komm du“ oder „Fischhalle“, Harburg hat inzwischen einiges mehr zu bieten. Man möge mir verzeihen, wenn ich nicht alles aufzähle.

Im Vorwege einer meinerseits gewünschten Verabredung mit dem gern gesehenen/ gelesenen Gast – dem Schriftsteller und diesjährigen Stadtschreiber Tilman Strasser – fragte ich mich: Was ist meine Motivation, wenn ich ihn treffen, vielleicht sogar gerne einen Streifzug durch die Gemeinde machen möchte? Fühle ich mich mit verantwortlich, dass er sich wohlfühlt während seines Aufenthaltes in Harburg? Als Fremdenführerin würde ich mich zwar anbieten, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es etwas Insiderwissen braucht, um irgendwo die Szene zu finden, in der man gut ankommt. Aber Werbung für Harburg muss ich nicht machen.

Harburg soll für sich selber sprechen – und das in vielen Sprachen. Nicht jede versteht man. Was will mir beispielsweise der ganze Müll sagen, der hier und dort herumliegt? Er weckt Schuldgefühle in mir – unserem Planeten gegenüber, und ich weiß, dass es leider keine Lösung für das Problem ist, wenn ich ihn aufsammle und fachgerecht entsorge – es sieht aber trotzdem besser aus, also mache ich es hin und wieder – und bekomme manchmal spontan Unterstützung. Das halte ich für ein gutes Zeichen und Eigeninitiative für das Stichwort der Stunde. Ohne Initiative gäbe es nämlich wohl auch keine SuedKultur. Ebenfalls ein schönes Stichwort, um vielleicht doch Werbung für Harburg zu machen.

Aber ich denke: Als Stadtschreiber soll Tilman Strasser möglichst unbeeinflusst wahrnehmen, aufnehmen, hineinspüren und beschreiben, was ihm dieser Ort sagt.

Vielleicht findet er Worte, die zu meiner eigenen Ambivalenz passt.

(siehe auch hamburger-gast.de/#home)

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