Rüdiger „Electric“ Krause kommt mit einer Weltpremiere in die „3falt“:

Jazz, Film und Isabelle Adjani

Elektrisierend an der Gitarre, im Geist und bald in der ´3falt`: Rüdiger Krause (Foto: Mehmet Dedeoglu)

Ein französischer Krimi mit Isabelle Adjani. Dazu Musik der großen Carla Bley und das Ganze live? In der „3falt“ kommt es zu einer delikaten Weltpremiere in mehrfacher Hinsicht.

Die leerstehende Dreifaltigkeitskirche in der Neuen Straße im Zentrum Harburgs wird derzeit vom Verein Stadtkultur Hafen e.V. und der Initiative Suedkultur auf eine kulturelle Umnutzung hin erprobt. Als einstige Hamburger „Klangkirche“ und zentral gelegener Sakralbau lädt sie geradezu ein, Fantasien sprießen zu lassen. Ob Harburger Comic-Kultur-Tag, Theaterproben, SuedKultur Music-Night oder Kunstausstellungen: schon jetzt zeichnet sich ab, dass hier vieles möglich ist und auch Publikum hat.

Und nun zieht die „3falt“ auch über Harburgs und gar Hamburgs Kreise hinaus seine Bahnen. Denn es kündigt sich ein äußerst ungewöhnliches Musik- und Film-Projekt an, das in ähnlicher Form schon und insbesondere in der Jazz-Szene große Beachtung fand, hier jetzt aber doch auch Weltpremiere ist.

Denn am Do., 29. November um 20h, kommt der renommierte Jazz-Gitarrist Rüdiger „Electric“ Krause in die einstige „Klangkirche“ und führt „Jazz´n`Movie – Das Auge“ als Live-Filmabend auf. Dabei bezieht sich das „Electric“ übrigens nicht nur darauf, dass er elektronisch verstärkte Gitarre spielt. „Elektrisch heißt auch energetisch und elektrisierend“, so Rüdiger Krause zu ´Tiefgang`.

Und er wird nicht nur seine preisgekrönte Gitarrenvirtuosität zum Besten geben. Nein, er stellt ein Projekt vor, dass Hommage, Film, Jazz und Erlebnis in einem ist. Denn es wird der Film „Das Auge“ mit Michel Serrault und Isabelle Adjani zu sehen sein. Und zwar mit Rückprojektionstechnik auf eine Leinwand vor dem einstigen Altar. Eine weitere Besonderheit ist im abendlichen Kontext aber die Filmmusik. Diese nämlich stammt von der „Grande Dame“ der modernen Jazzkomposition: Carla Bley. Sie war in den 70er Jahren eine der ersten Frauen im Jazz, die durch hochwertige und augefeilte Kompositionen auffiel. In dem Film „Das Auge“ von 1983 durfte sie die Musik beisteuern und gibt dem hochrangig besetzten Film das gewisse Extra. Und der wesentlich jüngere Rüdiger Krause wiederum ist nicht nur großer Fan dieser Kompositionen, sondern spielte mit Carla Bley und dem weltbekannten Bassisten Steve Swallow vor einigen Jahren selbst eine Platte ein, die sich per Gitarre mit der Musik der Pianistin auseinandersetzt und somit in besonderer Weise würdigt.

Schüler von Mike Stern und Ben Sher

Rüdiger Krause ist eben eigentlich Gitarrist, Komponist, Arrangeur und Kopf des Berliner Trios Electric Krause. Darüber hinaus spielt Krause in den Bands von Céline Rudolph, Günther Fischer, Barbara Talheim und Esther Kaiser. Außerdem ist er Teil des Gitarrenquartetts Four Styles. Als Komponist von Bühnenmusiken, Gitarrist und Musikalischer Leiter arbeitete er für das Staatsschauspiel Dresden, das Theater Junge Generation, das Theater Chemnitz, die Landesbühnen Sachsen und das Theater Neustrelitz.
Er studierte in Dresden Jazzgitarre in der Meisterklasse und nahm in New York City Privatstunden bei Ben Sher und Mike Stern. Rüdiger ist mit diversen Stilen des Jazz vertraut. Mit Günter Hörig, dem Urvater des DDR-Jazz spielte er Swing und Mainstream. Fusion und Brasilianische Musik gehören zu seinem stilistischen Repertoire wie Anklänge an die Musik von Pink Floyd.
Seine erste Jazzband, die Rüdiger mit 15 in Magdeburg gründet, spielt hauptsächlich seine lyrisch bis rockigen Eigenkompositionen. „Die Musik, die ich gerne gecovert hätte, konnte ich noch gar nicht spielen. Für die ganze Band habe ich alles so geschrieben, dass keiner an seinem Instrument überfordert war. Auch ich nicht“, gibt Krause schmunzelnd zu. Als „jüngster Bandleader der DDR“ macht er sich bald einen Namen in der ostdeutschen Jazzclubszene und in den letzten Jahren der Mauer. Er studiert in Dresden Jazzgitarre und lotete in zahllosen Bands seine Ideen zwischen Funk und Swing aus.

A Guitar Named Carla

Die Liebe zur Musik von Carla Bley begann früh: mit 15 Jahren hörte er zum ersten Mal die Musik der preisgekrönten Komponistin und sie prägte ihn als heranwachsenden Komponist und Arrangeur maßgeblich. Auf seinem bereits erwähnten Album „A Guitar Named Carla“ spielt Krause 2013 neben vielfältigen Solostücken auf akustischen und elektrischen Gitarren ein Trio mit Carla Bley und Steve Swallow. Und er erinnert sich gut daran: „Der Aufnahmetag in Brooklyn war sonnig und die Atmosphäre geradezu familiär. Carla hatte Gurken und kleine Tomaten aus ihrem Garten für mich mitgebracht und eine neue Klaviereinleitung für „Lawns“ komponiert.

„Der 15jährige in mir“

Während Steves unverwechselbarer Basssound schon im Raum lag, freute sich Carla am warmen Klang des alten Steinway. Das gemeinsame Spielen war enorm entspannt und ich fühlte mich vom ersten Moment an zu Hause in der Musik. Meine 15jährige Tochter Elsa, in genau dem Alter, in dem die Carla-Mania bei mir eingesetzt hatte, filmte und fotografierte und konnte zwei Musiker, die ihren Platz in der Geschichte der Musik längst gesichert haben, als unkomplizierte, freundliche Personen kennenlernen. Aber vor allem hat sie an diesem Nachmittag in Brooklyn noch etwas Besonderes entdecken können: den 15jährigen in mir.“

Rüdiger Krause mit Carla Bley und Steve Swallow in Brooklyn (Foto: Krause)

Und Kruse weiter: „Carla Bleys Musik begleitet mich durch mein ganzes Leben. Die Verbindung zu Musik  und Schauspiel aber auch. Ich selbst habe für einige Theaterstücke und Kurzfilme komponiert.  Seit 15 Jahren arbeite ich mit dem legendären Filmkomponisten und Jazzsaxophonisten Günther Fischer, dessen Thema aus dem DDR-Film „Solo Sunny“ immer wieder ein großes  Publikum begeistert. Mein besonderes Interesse gilt der Verbindung von Jazz und Film. Etwa von Miles Davis´ “Fahrstuhl zum Schafott“, Gil Evans´ „Absolute Beginners“ …“
An diesem Abend nun fällt alles unter dem Slogan „Jazz’n’Movie“ zusammen und ist gar eine Weltpremiere: „Es ist eines meiner derzeitigen Lieblingsprojekte. Dieser Jazzabend markiert den Anfang einer Reihe von klassischen Filmen, die grandiose Filmmusik gemeinsam haben. Den Rahmen bilden Jazz-Themen aus der Feder von Filmkomponisten, die ich für Euch auf meinen Gitarren zum Klingen bringe“, lädt Krause ein.

„Mein erster Proberaum war eine Kirche“

Im Fall von „Das Auge“ von 1983 hat Carla Bley die Filmmusik geschrieben (übrigens der einzige Film, für den sie, inzwischen 80jährig, das – bisher – gemacht hat). Sie begleitet einen Privatdetektiv (gespielt von Michel Serrault) bei der Beschattung einer jungen Frau (Isabelle Adjani), in der er – wider besseres Wissen – seine Tochter wiederzuerkennen glaubt. Um ihr nahe zu sein, macht er sich zu ihrem Komplizen, was sich wenig später als ziemlich schlechte Idee herausstellen soll.

Was erwartet uns nun also? „Soloversionen meiner Lieblingsstücke aus der Feder von Carla Bley, eine Interaktion zwischen meiner live-Gitarre mit Carla Bley und Steve Swallow –  unsere gemeinsame Studioaufnahme von 2013 minus Gitarre-  auf der Leinwand. Und ein fesselnder französischer Thriller mit der bildschön-bösen Isabelle Adjani und Carla Bleys Soundtrack“, erklärt Rüdiger Krause in Vorfreude.
Und was sagt er zum Spielort – der Harburger Dreifaltigkeitskirche? „Mein erster Proberaum war in einer Kirche. Ich mag Räume, die eine Geschichte haben und einen eigenen akustischen Charakter, dem man sich stellen muss. Dieser scheint so einer zu sein!“
Die Zeitschrift „Prisma“ schreibt übrigens zu dem Film: „Claude Miller […] drehte nach einem Buch von Marc Behm einen brillanten Krimi zwischen Spannung und Komik. Dank der guten Besetzung, der hervorragenden Musik von Jazz-Größe Carla Bley und einem überraschenden Ende bietet der Film Unterhaltung vom Feinsten.“

Gitarrist, Komponist und Arrangeur Rüdiger Krause wurde 1970 in Suhl geboren und ist der Kopf des Berliner Trios ELECTRIC KRAUSE, mit der er auch mal im Jazzclub im Stellwerk im Harburger Bahnhof spielte. Zudem spielt er in den Bands von Günther Fischer, Céline Rudolph, Esther Kaiser und Barbara Thalheim. Seine Musik ist inspiriert von Pink Floyd, Erik Satie und Carla Bley. Auf seinem Soloalbum (2015) spielt Rüdiger Krause eine verrückt romantische Hommage an die große Carla Bley auf akustischen und elektrischen Gitarren, dessen Premiere er 2015 im Berliner A-Trane feierte. Mit den verschiedenen Klangfarben und der kompositorischen Vielfalt von Carlas Musik ist das Soloprogramm abendfüllend und auch als einzelnes Set interessant. Zumal der Musiker auch ein humorvoller Erzähler ist. Spannend wird es auch, wenn er in Musique Mecanique mit den Störgeräuschen des Gitarrensignals in verschiedenen Tonhöhen Loops baut.

DAS AUGE (Originaltitel: Mortelle randonnée) ist ein französischer Spielfilm aus dem Jahr 1983 mit Michel Serrault, Isabelle Adjani und Guy Marchand. Regie führte Claude Miller. Das Auge ist die bislang einzige Arbeit der Jazzmusikerin Carla Bley als Filmkomponistin. Die Heldin liebt es, nach den Morden La Paloma zu summen oder zu pfeifen. Den Film durchzieht diese Melodie als Leitmotiv. Der Filmhistoriker Hans Gerhold schrieb, Das Auge sei Claude Millers Meisterwerk, der beste französische Kriminalfilm der 80er Jahre und eines der filmischen Meisterwerke des Jahrzehnts. Die Kombination aus Filmabend und Jazzkonzert findet ihren Brennpunkt in der Interaktion von Rüdiger Krauses liveGitarre und dem Video von der gemeinsamen Aufnahme Krauses mit Carla Bley und Steve Swallow.

Pressestimmen:

Dresdner Neueste Nachrichten: „Mit ergreifendem Einfühlungsvermögen zaubert Rüdiger Krause eine Stimmungskraft, von der man sich am besten live überzeugen sollte.“

STEREO: „´A Guitar Named Carla` ist ein kleines Meisterwerk, das gefühlvoll in den eigenwilligen Kosmos Carla Bleys einführt. Mit diversen Gitarren, Soundeffekten und Loops erzeugt Krause eine faszinierende Klangwelt, die Suchtgefahr birgt.“ (Bewertung Musik: 5 von 5 Sternen)

Jazzpodium: „Rüdigers professionell abgeklärtes Spiel sanfter, konsequenter Entschleunigung … reflektiert seinen Sinn für klangliche und musikalische Schönheit.“

Und Carla Bley selbst? „Wonderful! I’m honored that such an imaginative guitarist has chosen to arrange and record a series of my compositions, and flattered that he named his guitar Carla. In return, I’m going to call my piano Rüdiger.“

Termin: Do., 20. Nov., 20h: Rüdiger „Electric“ Krause – Jazz´n`Movie: „Das Auge“ mit Musik von Carla Bley“. Wo? „3falt“, Neue Str. 44, 21073 Hamburg, Eintritt: 10,- €

(Die Gesamtlänge des Programms liegt bei etwa 150 spannenden Minuten.)

Weiterführend: rudigerkrause.com

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