Das Kulturerbe im 21. Jahrhundert

Kunststätte Bossard wird digital – und überrascht mit Tiefe

Historikerin Dr. Eva Lütkemeyer an der Medienstation (Foto: Museum Kunststätte Bossard)

Manchmal ist es ein leises Summen im Hintergrund, ein Hauch von Zukunft in historischen Gemäuern, der die Magie eines Ortes neu belebt. Im Museum Kunststätte Bossard ist dieses Summen nun unüberhörbar – und erlebbar.

Wer den prächtigen Eddasaal betritt, dem fällt sie sofort ins Auge: eine Medienstation, transparent, hochformatig, schwebend wie ein modernes Artefakt, das sich nahtlos in die imposante Ausstattung des Raumes fügt, ohne je von ihr abzulenken. Ein Hauch von Hightech im Herzen eines Gesamtkunstwerks – und der sichtbare Beweis, dass das Kulturerbe im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Dieser innovative Zugang zur Kunst des Künstlerehepaares Bossard ist das Herzstück des erfolgreich abgeschlossenen Projekts „Neustart Kunststätte Bossard“. Mit einer großzügigen Förderung von 100.000 Euro durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen von „Pro*Niedersachsen – Kulturelles Erbe“ wurde eine „echte Vermittlungsoffensive“ gestartet, wie Heike Duisberg-Schleier, die begeisterte Leiterin der Kunststätte Bossard, betont: „Wir sind digital geworden.“

Die Vision ist klar: Jeder Besucherin und jedem Besucher soll es ermöglicht werden, „außerhalb einer Führung in seinem Tempo und mit seinem Wissensanspruch das Museum Kunststätte Bossard zu verstehen.“ Das bedeutet nicht nur die Auseinandersetzung mit den Werken selbst, sondern auch mit dem authentischen Ort, der das Leben der Künstler in fünf Zeitepochen lebendig werden lässt.

Zwischen Vergangenheit und Diskurs: Forschung trifft Vermittlung

Hinter dieser digitalen Transformation steckt die akribische Arbeit der Historikerin Dr. Eva Lütkemeyer, die das Projekt über ein Jahr hinweg umsetzte. „Durch die kritische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte und den zeithistorischen Kontexten auf Grundlage neuer Forschungsergebnisse erfährt das Museum Kunststätte Bossard neben seiner kunsthistorischen Bedeutung eine Neubewertung als Ort mit einem komplexen Kulturerbe“, erklärt Dr. Lütkemeyer. Dieser Ansatz ermöglicht es, nicht nur die Kunst zu präsentieren, sondern auch den gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen und Raum für konstruktiven Austausch zu bieten. Denn, so führt sie weiter aus, „Schwerpunkt des Konzeptes ist die inhaltliche Implementierung der Forschung hier vor Ort, niedrigschwellig und dennoch wissenschaftlich fundiert.“

Die sichtbaren Ergebnisse dieses ambitionierten Projekts sind vielfältig: Neben der bereits erwähnten Medienstation im Eddasaal, die komplexe Bildprogramme und Hintergrundinformationen leicht zugänglich macht, gibt es einen Glaskorpus, der sich sensibel dem umstrittenen Hakenkreuz-Mosaik im Eddasaal widmet und den Umgang damit thematisiert.

Das Museum in der Hosentasche: Die Bossard-App

Ein weiteres Highlight, das sich aktuell in der technischen Abschlussphase befindet und über den renommierten Anbieter Bloomberg Connects realisiert wird, ist die neue Museums-App. Sie verspricht ein „umfangreiches Hintergrundwissen zu allen Museumsinhalten“ – von den Biografien der Bewohner*innen der Kunststätte über das umfassende Bildprogramm bis hin zu überraschenden Details wie Kochrezepten der Bossards. Die App ist als ideale Ergänzung zum Rundgang gedacht, bereichert die bestehende Beschilderung und bietet eine tiefere Immersion, ohne die beliebten Themenführungen zu ersetzen. Eine Fachtagung zu Jahresbeginn und ein in Arbeit befindlicher Tagungsband unterstreichen zudem den wissenschaftlichen Anspruch und die Weiterentwicklung des Hauses als Lernort.

Die Umsetzung dieser neuen Vermittlungswege durch Dr. Eva Lütkemeyer ist ein „Riesenschritt in der analog-digitalen Vermittlungsarbeit des Museums“, ein fortlaufender Prozess, der in den kommenden Jahren stetig weiterentwickelt und ausgebaut werden soll. Begleitet wurde das Projekt vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD), dessen denkmalfachliche Expertise die besondere Bedeutung der Kunststätte für die Denkmalpflege hervorhebt.

Die Kunststätte Bossard beweist eindrucksvoll, wie ein historisches Gesamtkunstwerk den Sprung in die Moderne wagen kann, ohne seine Seele zu verlieren. Im Gegenteil: Durch die neuen digitalen Angebote wird die Vergangenheit lebendiger und zugänglicher denn je. Ein Besuch verspricht nun noch mehr Einblicke in ein einzigartiges Kulturerbe, das Haltung zeigt und zum Nachdenken anregt.

Museum Kunststätte Bossard | Bossardweg 95 | 21266 Jesteburg

 

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