Erste Kulturministerkonferenz legt Grundlagen zum Umgang mit kolonialer Vergangenheit:

Mehr als nur Worte

Folgen auf die Worte auch Taten? (Foto: 3dman_eu / Pixabay)

Vertreter*innen vom Bund, den Ländern und der Kommunen trafen diese Woche zusammen und zwar zum Thema Kultur. Vereinbart wurde viel Grundsätzliches. Aber hat es auch Substanz?

Die neu gegründete Kulturministerkonferenz (Kultur-MK) kam am vergangenen Mittwoch in Berlin zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Und es war viel vorbereitet worden, denn es dauerte nicht lang, da wurde schon ein Grundlagenpapier zu künftigen Zusammenarbeit veröffentlicht. Das ist meist ein Zeichen von Aktionismus und Symbolpolitik, wenn gleich es in der Pressemitteilung hieß, es sei „ein deutliches Bekenntnis zur kulturellen und künstlerischen Freiheit“. Der Zusammenschluss der für Kultur zuständigen Landesministerinnen und -minister und Senatorinnen und Senatoren ist im vergangenen Jahr gegründet worden, um kulturpolitischen Belangen der Länder auch auf Bundesebene mehr Sichtbarkeit zu geben, die Kulturpolitik und Förderprogramme von Bund und Ländern enger abzustimmen und die gesellschaftliche Bedeutung der Kultur zu stärken. Eines ihrer Probleme aber könnte sein, dass viele Köche auch den Kulturbrei verderben könnten. Denn wer hat für was eigentlich welche Kompetenz?

Ein Blick auf die führenden Vertreter*innen verdeutlicht dies: da ist als Vertreter der Kommunen Markus Lewe, CDU-Mann und aktueller Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster. Dann Michelle Müntefering, SPD-Frau, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, als eine der Bundesvertreterinnen, da im Bund man sich auf eine Position eines Bundeskulturministeriums noch nicht durchringen konnte. Dann CDU-Frau und Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters. Klingt nach Kultusministerin, ist es aber nicht ganz. Und letztlich Carsten Brosda, SPD-Mann, Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und eben Vorsitzender der neuen Kulturministerkonferenz (Kultur-MK). Eine Verteilung also ganz wie eine Große Koalition von CDU und SPD. Und Brosda ließ auch gleich symbolträchtig verlauten: „Eine freie und offene Gesellschaft braucht eine freie und starke Kultur. Es ist ein gutes und wichtiges Zeichen, dass die Länder als gemeinsame Grundlage ihrer künftigen engeren Zusammenarbeit ein deutliches Bekenntnis zur Freiheit der Kunst voranstellen. Wir sehen es als unsere gemeinsame Aufgabe an, diese Freiheit zu schützen und zu einem Maßstab unserer Kulturpolitik zu machen. Tendenzen der Einschränkung der Kunstfreiheit müssen wir entschieden entgegentreten und der Kultur weiterhin die Möglichkeit geben, sich frei zu entfalten und auch zu gesellschaftspolitischen Fragen deutlich Stellung zu beziehen.“

Immerhin: im Grundlagenpapier finden sich Bekenntnisse wie: „Kultureinrichtungen ist die Möglichkeit zu sichern, sich zu gesellschaftlichen oder politischen Problemlagen zu äußern und auch kritisch Stellung zu beziehen. Dies ist durch Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt.“ Darauf können sich nun insbesondere öffentlich geförderte Kultureinrichtungen berufen, wenn ihnen bei politisch unliebsamem Programm wohlmöglich mit  Kürzungen gedroht wird. Aber rechtsverbindlicher als eben der Grundgesetzparagraf eh ist, ist die Erklärung auch nicht. Wie ernst zu nehmen solche Grundsätze sind, wird die Praxis zeigen.

Rückführungen von menschlichen Überresten

Da stimmt allerdings die wenig später veröffentlichte Erklärung der Kulturministerkonferenz positiver. Dort nämlich ging es um das Thema „zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“. Und hier finden sich Aussagen, die das künftige Handeln etlicher Museen und Sammlungen künftig durchaus bestimmen dürften. Denn in der Erklärung heißt es: Wir wollen dabei die Voraussetzungen für Rückführungen von menschlichen Überresten schaffen und für Rückführungen von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, deren Aneignung in rechtlich und/oder ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise erfolgte. Wir werden gemeinsam mit den betroffenen Einrichtungen Rückführungsverfahren mit der erforderlichen Dringlichkeit und Sensibilität behandeln.

Das Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten stammt nicht nur aus ehemaligen deutschen Kolonialgebieten, sondern auch aus anderen Teilen der Welt. Durch gewaltsame Aneignung von Kulturgütern im Zuge des europäischen Kolonialismus wurde vielen betroffenen Gesellschaften Kulturgüter geraubt, die für ihre Geschichte und ihre kulturelle Identität prägend sind. Kulturgüter vergegenwärtigen Zusammenhänge, die für das kulturelle Selbstverständnis der Gesellschaft, aus der sie stammen, von fundamentaler Bedeutung sind.“

Es geht also um Rückgabe und das Zugeständnis, dass etliche Teile musealer Bestände Raubgut sind.

proaktiv Sammlungsgut identifizieren

Und auch die aktive Aufforderung des Mitwirkens liest sich anders als manches Lippenbekenntnis: Wir fordern alle öffentlichen Träger von Einrichtungen und Organisationen, in deren Beständen sich Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten befinden, aber auch  nichtstaatliche Museen, Sammlerinnen und Sammler sowie den Kunsthandel dazu auf, im Sinne dieser Eckpunkte an der Aufarbeitung der Herkunftsgeschichte von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten aktiv mitzuwirken und die jeweils erforderlichen Maßnahmen hierfür zu ergreifen.“

Und in dem folgenden 13-Punkte-Forderungskatalog wird auch durchaus aktives Handeln der betroffenen Kultureinrichtungen eingefordert. Etwa: Rückführungsersuchen von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sind zeitnah zu bearbeiten. Gleichzeitig sind die kulturgutbewahrenden Einrichtungen aufgerufen, selbstständig und proaktiv Sammlungsgut zu identifizieren, für das eine Rückführung in Frage kommt, auch ohne dass ein vorheriges Rückführungsersuchen vorliegt.“

Es wird nun eine Welle von Aufarbeitungen der Museumsbestände in Gang kommen, die manche düstere Geschichte unseres Landes an die Oberfläche spülen wird. Und Hamburg als Handelsstadt wie auch selbst Harburg als einstige Kautschuk-Fabrik mit Bezugsländern einstiger Kolonien werden da nicht verschont bleiben. Klar sein muß aber auch: man mag Geschichte eine zeitlang verdrängen. Es obliegt aber ihrem inneren Charakter, dass sie uns eh immer wieder einholt. Besser, wir stellen uns ihrer.

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