Die Kolumne von Sophie Selbst-Zweifel

New Style

Foto: clarencealford / Pixabay

Ich heiße Philo Sophie und ich bin Denkerin. Meine Gedanken kreisen allerdings nicht nur um Weltbewegendes,

sondern sind – besonders morgens im halbschlaftrunkenen Zustand – von durchaus profaner Natur.

Im Bus saß mir eine junge Frau gegenüber, die als solche erst auf den zweiten Blick erkennbar war, denn sie senkte ihr Gesicht über ihr Smartphone und zudem lag es im Schatten einer großen Kapuze mit Fake-Fell-Umrahmung. Sie trug Schwarz von Kopf bis Fuß, nur die Knie schauten auffällig hell und nackt hervor. Das schien mir im krassen Widerspruch zu den stark gesunkenen Außentemperaturen zu stehen, aber die Mode kennt kein Erbarmen: Wer up-to-date sein will, muss leiden. Vielleicht behielt sie die Kapuze im Bus auf, um gesundheitlich das Gleichgewicht wieder herzustellen.

Bei ihrem Anblick musste ich an Knieschutz und kleine Kinder denken. Warum man bei deren Hosen nicht entsprechend näht, hat gewiss nichts mit Schonung der Gelenke zu tun. Wahrscheinlicher ist, dass sie davon absehen, weil nicht eindeutig ersichtlich wäre, ob das Loch vom Schnitt herrührt oder vom Kind selbst durchgerutscht wurde. Außerdem bringt der natürliche Verschleiß bei Kinderhosen extra Umsatz – da wäre die Textilindustrie ja schön blöd, wenn sie sich dieses Geschäft verderben würde.

Ich fragte mich, welcher Trend als nächstes auf der logischen Hand liegen würde. Nach der Kniefreiheit könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn man den Genitalbereich textilfrei ließe. Das sparte erstens Stoff und gewährte zweitens den Blick auf trendy Unterwäsche von namhaften Herstellern.

Ich weiß, all das Lästern nützt nichts: wir müssen da durch! Im Namen der Konsumgesellschaft, und für den Erhalt von weltweiten Arbeitsplätzen. So will es das Diktat der Mode.

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