Gisela Baudys Gedichtband "Tonspuren"

Ein Tagebuch des Traumas

Die Heimfelder Autorin findet in den inneren Seelenklängen neue Tonspuren. (Cover: Baudy)

Im Herbst 2016 ist von der Heimfelder Autorin Gisela Baudy ein ungewöhnliches Buch erschienen. Denn es ist ein Gedichtband, handelt aber von Isolation und Traumatisierung …

„Es gibt Menschen, die sich im Unverlässlichen wohnlich einrichten. Und es gibt auch Menschen, denen es schlichtweg an der Begabung zur Heimat fehlt“, sagt eine junge Frau namens Clarissa zu Beginn ihrer Tagebuchaufzeichnungen. „Begabungsfrei“ und „wohnungslos“ greift die Protagonistin zu Gedicht-splittern (Wortstoppeln) und Tagebuchnotizen als letztem Notanker. Mit ihnen arbeitet sie ihre Traumata aus ihrer Kindheit und einer gescheiterten Liebesbeziehung ab.

Baudy zeichnet in kurzen Gedichten und lose zusammengetragenen Tagebuchfetzen den steinigen und kurvenreichen Weg einer traumatisierten Seele aus der „Ichferne“ und Isolation in eine Seelenland-schaft nach, in der Lichtungen und Begegnungen möglich sind. Dabei nimmt Baudy die ineinander verwobenen Seelenklänge aus Licht und Verlorenheit auseinander und setzt sie auf eigene „Tonspuren“.

In diesem Prozess verwandeln sich die insgesamt zehn Kapitel selber zu Tonspuren, die sich wiederum aus bis zu 16 Gedichten sprich Tonsplittern zusammenfügen. Ein Foto von Christian oder Gisela Baudy zu Kapitelanfang holt den jeweils gefundenen Ton ins Bild.

Ungewöhnlich ist auch der Aufbau des Gedichtbandes: Anstelle einer losen Sammlung von Gedichten legt Baudy eine poetische Reise mit einem chronologischen Entwicklungsverlauf vor. Die Gedichte, Tagebucheintragungen und Fotos erzählen zusammen eine Geschichte – über die Rückkehr eines Menschen aus der Isolation in das Leben.

Bei allem bedient sich die Autorin einer Sprache, die durch ihre eigene Bildhaftigkeit berührt. „Lass uns die Sonne stunden / im Gedächtnis / der Erde“ heißt es zum Beispiel im Kapitel „Himmel und Erde“. Oder es sind Verse wie „Vogel sein im Fluge / der Boden gewinnt / und Himmel gewährt“. Besondere I-Tüpfelchen sind die hier und da aufleuchtenden mythologischen und philosophischen Elemente.

Autorin Gisela Baudy (Foto: Chris Baudy)

„Der vorliegende Gedichtzyklus will allen Traumatisierten Mut machen“, sagt Baudy in ihrem Vorwort. „Es geht um das Kindsein als Utopie – um die Sehnsucht, die Heimat, die uns schon immer lebt.“ In der Tat. Das Buch könnte Menschen, die ihre eigene Stimme suchen, eine Hilfe auf ihrem Weg sein.

Die Berliner Autorin Karin Manke findet dazu die persönlichen Worte: „Wie sehr sich doch Dichter in ihren Innenwelten ähneln.“ Und es heißt dort weiter: „So begleite ich (einen Tag lang) die Autorin durch ihr „Tonspuren“-Buch und zugleich mich selbst, die ebenso in Worten, Versen und Sinnsprüchen denkt. Das Gelesene wird den Tag überdauern.“

Eine Leseprobe finden Sie hier: Leseprobe „Tonspuren“

 

Gisela Baudy, Tonspuren – Lyrisches Tagebuch, Verlag Stimme fürs Leben e.U., Wien 2016, 188 Seiten mit zahlreichen Fotos von Chris und Gisela Baudy. ISBN 978-3-903032-08-8. Verkaufspreis 19,90 Euro.

Zu bestellen u.a. im Online-Shop des Verlages oder bei www.buchhandel.de. Zu den E-Book-Ausgaben und weiteren Infos siehe unter E-Book.

Am 21. März 2017 liest die Autorin aus ihrem Gedichtband im Kulturverein “Alles wird schön” in der Friedrich-Naumann-Straße 17, 21075 Hamburg-Heimfeld im Rahmen einer Gemeinschaftslesung bei der SuedLese der Künstlervereinigung SuedKultur. Die Lesung ist der Auftakt der Literaturtage, die vom 20. März bis zum 14. April 2017 in ganz Hamburg-Harburg stattfinden.

(23. Dez. 2016, TG)

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