EU-Studie „Cultural and Creative Cities Monitor“ sollte Hamburg zu denken geben:

Willkommen in Europas Disneyland!

Ideale kulturelle Städte gibt es überall - auch in Europa. Hamburg zählt nicht dazu. (Grafik: EU)

Hamburg will Weltstadt sein und mit New York, Paris  oder Melbourne in einem Atemzug genannt werden. Dabei könnte man erst einmal in Europa und mit Kultur anfangen …

Denn wie sich jetzt im Rahmen einer Studie der Europäischen Union zeigte, ist schon hier viel Luft nach oben. Und ausgerechnet mit Kultur und Kreativität wäre es gar günstig zu machen.

Die Studie nennt sich „Cultural and Creative Cities Monitor“ und ist eine Art Vergleichsfeld mit verschiedenen Kriterien, die dann zu einem Gesamtergebnis führen.  In diesem „Monitoring“ wurden 168 europäische Städte in 30 verschiedenen Ländern hinsichtlich ihrer Kultur- und Kreativbranche untersucht. Analysiert wurde dabei etwa der Einfluss von Kunst und Kultur auf die Attraktivität und auch auf das wirtschaftliche Wachstum von Städten. Unter einer Vielzahl europäischer Städte waren auch elf deutsche Städte in der Bewertung. Das erschreckende Ergebnis für die Hansestadt: Hamburg liegt von den elf deutschen Städten nur auf Platz 8. Noch hinter Hannover, Mannheim und Dresden. An der europäischen Spitze liegt unangefochten Paris.

Die Studie vom wissenschaftlichen Dienst der EU-Kommission, Joint Research Centre (JRC), unterstützt damit die Bemühungen der EU, Kultur weiter in den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda zu rücken und somit die soziale und wirtschaftliche Entwicklung von Städten und Regionen zu fördern.

Dort heißt es: „The ideal Cultural and Creative City in Europe would be the amalgam of the best performing cities on each indicator. Namely, it would have the Cultural Venues & Facilities of Cork (IE), the Cultural Participation & Attractiveness and the Creative & Knowledgebased Jobs of Paris (FR), the Intellectual Property & Innovation of Eindhoven (NL), the New Jobs in Creative Sectors of Umeå (SE), the Human Capital & Education of Leuven (BE), the Openness, Tolerance & Trust of Glasgow (UK), the Local & International Connections of Utrecht (NL) and the Quality of Governance of Copenhagen (DK). Of these eight cities, five have fewer than 500,000 inhabitants, namely Cork, Eindhoven, Umeå, Leuven and Utrecht.“ Hamburg? Fehlanzeige.

Kultur & Kreativität als Wachstumsfaktoren. (Grafik: EU)

Hamburg wird aber durchaus genannt und sogar beworben. So findet sich dazu:

„Did you know that…?

  • Hamburg is the second largest city in Germany and a popular tourist destination for both domestic and international visitors.
  • The ensemble Speicherstadt and Kontorhausviertel was declared a UNESCO World Heritage Site in 2015. This complex, situated in the centre of the port city of Hamburg, exemplifies the effects of the rapid growth in international trade in the late 19th and early 20th centuries.
  • After New York and London, Hamburg is considered the world’s third largest musical metropolis. Disney’s THE LION KING is a classic at the majestically located Theater im Hafen. The city also houses numerous theatres, museums and galleries, along with the Staatsoper and a vibrant club scene.
  • The digital economy has now penetrated all fields and industries. Whether telecommunications, IT, media or advertising (TIMES) Hamburg is one of the continent’s most important technology and creative locations. In addition to Hamburg’s established media companies, a dynamic social media scene has also developed in the city.
  • A large proportion of Germany’s key media groups are located in Hamburg, among them the Axel Springer publishing house, the Bauer Media Group, Gruner + Jahr, the SPIEGEL group, and the Zeitverlag. Outstanding publications such as DER SPIEGEL characterise Hamburg as a location for high-quality journalism. The city has also successfully entered into the digital age: SPIEGEL ONLINE is located in Hamburg.
  • The Hamburg Kreativ Gesellschaft is a municipal institution founded to promote Hamburg’s creative industries. It is open to all creative stakeholders and enterprises in the city.“

„World’s third largest musical metropolis“ und namentlich Bezug zu Walt Disney. Tja, ein wenig Disneyland-Charakter zeichnet sich ja ab.

Aber davon ab. Die Faktoren, anhand dessen berechnet wurde, waren die Bevölkerungsdichte (über 1 Mio. Menschen), die Einkommensstruktur (über 30.000,- € Jahreseinkommen) und Beschäftigungsrate/-quote (über 77%). Da wurden also nicht Äpfel und Birnen miteinander verglichen.

Im Detail zeigen sich dann aber wahrlich die Schwächen Hamburgs. So z.B. im Untersuchungsfeld:

Cultural Vibrancy – kulturelle Lebendigkeit

Bei der Gewichtung spielen Konzerte und Shows mit einer Gesamtpunktzahl von 19,6 Punkten die größte Rolle, Kinos immerhin 14,1. Theater schneiden aber vergleichsweise schlecht (10,4 Punkte) ab, wie auch Museen (7,8 Punkte).

Kulturelle Teilhabe und Attraktivität

Hier fallen die touristischen Übernachtungen mit 25,8 Punkten schwer ins Gewicht. Potenzial ist also da. Museumsbesucher scheinen darunter aber wenige (Punktzahl 8,5). Kinobesuche werden da schon deutlicher mit der Punktzahl von 15,6 gemessen. Und trotz alledem: die kulturelle „Zufriedenheit“ liegt bei 60 Punkten.

Kreativwirtschaft

Da steht Hamburg ganz gut da – erreicht auch viel durch die großen Verlage in Hamburg, noch mehr aber durch die Beschäftigten in den Genres Kunst und Kultur wie auch der Kreativwirtschaft außerhalb des Kulturlebens. Im Untersuchungsbereich Bildung steht Hamburg aber wieder schlecht da.

Und noch etwas erstaunliches: in Sachen Regierung und Verordnungen – da macht Hamburg in Europa offenbar so schnell niemand was vor.

Auf der website kann man die einzelnen Faktoren übrigens auch selbst einstellen – also nach einzelnen Faktoren das Ranking unter den europäischen Städten einzeln betrachten. Lustig zum Spielen und erstaunlich zu sehen, wo jeweils Hamburg im Gesamtranking europäischer Metropolen auftaucht. Nimmt man es nicht nur als Digital-Spielzeug sondern eben als Studie, so kann man sich anhand der unterschiedlichen Kriterien aber auch gut Hausaufgaben erteilen. Was macht Mannheim kulturell attraktiver als Hamburg? Was tut Hamburg für die Clubszene, wenn diese so offensichtlich heraus sticht? Wie können wir in Sachen Bildung und Kultur vorankommen?

Es ist anzunehmen, dass der Weg über die Europäische Union schneller und günstiger zum Ziel einer Weltmetropole führt als über Melbourne und New York.

Quelle: composite-indicators

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