Verein auflösen – nun gut. Aber was passiert mit dem Vereinsvermögen?
Das Vereins- und Stiftungszentrum e.V. weist aufgrund aktueller Urteile auf einen wichtigen Punkt in jeder Vereinssatzung hin.
„Die gesetzlichen Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts bestimmen unter anderem, dass gemeinnützige Organisationen in ihren Satzungen regeln müssen, was mit deren überschüssigem Vermögen geschieht, sollte es einmal zur Auflösung der Organisation oder zum Wegfall des steuerbegünstigten Zwecks kommen. In diesem Zusammenhang wird von der „satzungsmäßigen Vermögensbindung“ gesprochen.
Durch die Vermögensbindung soll verhindert werden, dass Vermögen, welches durch steuerbegünstigte Tätigkeiten erworben worden ist, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.
Satzungsklauseln, welche die Vermögensbindung thematisieren, werden oft auch als „Anfallklauseln“ bezeichnet. Hier muss geregelt werden, auf welche andere steuerbegünstigte Organisation das Vermögen übergehen soll bzw. zu welchem steuerbegünstigten Zweck es künftig verwendet werden soll.
Wird diese Vorgabe nicht erfüllt, steht die Gemeinnützigkeit auf dem Spiel. So geschehen in einem Fall, den das Finanzgericht (FG) Niedersachsen zu entscheiden hatte (Urteil vom 25.04.2024, Az.: 10 K 70/21). Im zugrundeliegenden Fall wurde ein Antrag auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit unter anderem deswegen abgelehnt, weil der Vermögensanfall nicht klar genug in der Satzung geregelt worden war.
Das Gericht widmete sich im Rahmen der Entscheidung auch der Frage, wie konkret Anfallklauseln ausgestaltet sein müssen.
Gesetzliche Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts
Die Vermögensbindung wird an mehreren Stellen der Abgabenordnung (AO) thematisiert. Zunächst regelt die AO den Grundsatz der Vermögensbindung wie folgt:
„Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden (Grundsatz der Vermögensbindung). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn das Vermögen einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden soll.“
Darüber hinaus heißt es mit Blick auf die entsprechenden Anforderungen an Satzungen gemeinnütziger Organisationen in Bezug auf die Vermögensbindung unter anderem:
„Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung […] liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist.“
Auch die Vorgaben der – ebenfalls in der Abgabenordnung enthaltenen – Mustersatzung, welche für gemeinnützige Organisationen verbindlich sind, geben den Wortlaut von Bestimmungen vor, wie er aus steuerrechtlichen Gründen notwendig ist. Dementsprechend regelt die AO mit Blick auf die Anforderungen an die Satzungsgestaltung, dass die in der Mustersatzung bezeichneten Festlegungen zwingend enthalten sein müssen. Dies betrifft auch Bestimmungen zur Regelung der Vermögensbindung durch sog. Anfallklauseln, welche in § 5 Nr. 1 und 2 der Mustersatzung thematisiert werden.
Als „Auffanglösung“ im Zusammenhang mit den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen an die Satzung gilt bzw. resultiert aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass die formelle Satzungsmäßigkeit grundsätzlich zu bejahen ist, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung aufgrund der Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben.
Der Fall
Die zu Beginn erwähnte Organisation, welche erfolglos die Anerkennung der Gemeinnützigkeit beantragte, wählte für die Anfallklausel einen Wortlaut, der sich eng am oben bereits behandelten Grundsatz der Vermögensbindung orientierte:
„Bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft […] an eine juristische Person des öffentlichen Rechts [oder] an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft, die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und mildtätige Zwecke zu verwenden hat.“
Trotz der Ausrichtung am gesetzlichen Grundsatz der Vermögensbindung erachtete das FG Niedersachsen die Klausel im Ergebnis gleichwohl als unzureichend. Denn nach Auffassung des Gerichts fehlt es „an hinreichend konkretisierten Bestimmungen zur abschließenden bzw. künftigen Mittelverwendung“.
Gebot des Buchnachweises: Satzung muss das Wesentliche regeln
Das Gericht unterstrich seine Auffassung unter anderem durch Verweis auf das Gebot des Buchnachweises:
„Danach sind der Satzungszweck und die Art der Verwirklichung soweit wie möglich in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag zu konkretisieren, um der Finanzbehörde leicht und einwandfrei eine Überprüfung der Voraussetzungen der Steuervergünstigung zu ermöglichen […]; dies gilt gleichermaßen für die satzungsmäßige Vermögensbindung.“
Die Regelungen über die Vermögensbindung bei Auflösung der Organisation bzw. beim Wegfall der Steuerbegünstigung müssen in der Satzung selbst getroffen werden. Es muss genau bestimmt werden, wer das Vermögen zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke erhalten oder für welchen konkreten Zweck das Vermögen in diesen Fällen verwendet werden soll.
Es ist nicht ausreichend, auf Vereinbarungen außerhalb der Satzung zu verweisen. Auch eine Bezugnahme auf andere Satzungen noch ein Verweis auf die tatsächliche Geschäftsführung genügt nicht.
Satzung muss klare Regelungen treffen
Im zu entscheidenden Fall traf die Satzung keine konkreten Aussagen zur Vermögensbindung. Zwar war die Aussage enthalten, dass das Vermögen auf eine steuerbegünstigte Organisation übergehen sollte, welche es ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden hätte. Es wurde allerdings gänzlich offengelassen, auf welche Organisation genau das Vermögen denn übergehen sollte. Auch wurde kein (alternativer bzw. zusätzlicher) konkreter steuerbegünstigter Zweck aufgeführt, welcher mit den Mitteln hätte verwirklicht werden sollen.
Das Gericht hierzu: „Eine künftige steuerbegünstigte Vermögensverwendung lässt sich allein mit diesen Angaben nicht sicher oder gar abschließend feststellen, weder bei Betrachtung der einzelnen Regelungsteile noch im Rahmen einer Gesamtschau.“
Die Verwendung der Begriffe „gemeinnützig“ und „mildtätig“ geben allenfalls eine grobe Orientierung vor. Eine überprüfbare Zweckbindung des übergehenden Vermögens sei hierdurch aber nicht möglich. Das Gericht hierzu:
„Sinn und Zweck der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist aber gerade, dass (ausschließlich) aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der (künftige) Verwendungszweck steuerbegünstigt ist und die Bindung des steuerbegünstigt gebildeten Vermögens im Dritten Sektor satzungsmäßig dauerhaft gewährleistet bleibt.“
Im Ergebnis ist die gewählte Formulierung aus Sicht des Gerichts „konturlos“ und auch „beliebig“ und wird wegen ihrer Unbestimmtheit dem Erfordernis der Satzung als Buchnachweis mit dem Ziel einer einfachen und vorhersehbaren Steuerrechtsanwendung nicht gerecht.
Mustersatzung enthält verbindliche Vorgaben
Das Gericht verweist noch auf die Regelungen der Mustersatzung. Mit Blick auf den Übergang von überschüssigem Vermögen muss mindestens ein seinerseits steuerbegünstigter Empfänger namentlich genannt oder ein konkreter gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zweck (bspw.: „Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erziehung, Volks- und Berufsbildung“) angegeben werden.
Das Gericht weist ebenso darauf hin, dass andere Formen der Satzungsgestaltungen nicht vorgesehen sind. Auch Abweichungen stehen den oben bereits beschrieben gesetzlichen Vorgaben entgegen, sind somit „steuerschädlich“ und entsprechen im Ergebnis nicht den gesetzlichen Bestimmungen des Gemeinnützigkeitsrechts.
Bundesfinanzhof entscheidet abschließend
Der Fall ist derzeit zur Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig (Az. V R 10/24). Dieser wird sich höchstrichterlich mit der Klärung der Frage befassen, durch welche Formulierung(en) „die Satzung einer gemeinnützigen und mildtätigen Körperschaft hinsichtlich des Kriteriums der Vermögensbindung als steuerbegünstigt anzusehen“ wäre.