Studie beleuchtet Entwicklung der Harburger Kunstsammlung

Das System Falckenberg

Seit 2011 zählt die Kunstsammlung Falckenberg in Harburg zu den Deichtorhallen und es fließen zudem jährlich 570.000 € seitens der Stadt Hamburg. Eine Studie zeigt nun, durch welches Beziehungsgeflecht dies möglich wurde und auf was die Stadt sich da wirklich eingelassen hat.

Sie gilt als Stolz der Harburger Kulturpolitik und ihr Renommée reiche bis New York. Aber geht es hier wirklich um Kunst oder um geschickte Schachzüge eines vermeintlichen „Kunstverrückten“? Seit 2011 ist die einstige Privatsammlung des Unternehmers Harald Falckenberg als Dauerleihgabe an die Deichtorhallen Hamburg GmbH angegliedert, womit eine Förderung in Höhe von jährlich 570.000 € seitens der Stadt verbunden ist. In der Studienarbeit der Kunstwissenschaftlerin Norah Limberg „Die Sammlung Falckenberg im kulturpolitischen Raum“ wird die Sammlungsangliederung nun aus soziologischer und kulturpolitischer Perspektive beleuchtet. Und dabei wird aufgezeigt, welche Faktoren diese Angliederung befördert haben und vor allem, inwiefern in diesem Prozess die Prinzipien staatlicher Kunstförderung überhaupt eingehalten wurden. Es geht also um die Frage, ob die Macht von vermeintlichen Kunstmäzeen kulturpolitische Prozesse nicht nur beeinflusst, sondern vor allem ob dadurch ein Verlust des demokratischen Werts von Kulturförderung statt findet. Kurzum: Ist Harburgs Kunst-Leuchtturm ein Grund zum Stolz oder war es eher ein systematischer Schritt zu höherem Status? Ist es letztlich nicht gar ein Bärendienst, der der gesamten Kunstszene damit erwiesen wird?

Doch eins nach dem andern. Denn um zu verstehen, was hier passiert ist, lohnt sich zunächst ein Blick auf den Kunstmäzen Falckenberg selbst.

Er studierte Jura in Freiburg, Hamburg und Berlin, promovierte und war als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg und der Freien Universität Berlin tätig. Seine juristische Laufbahn setzte er dann als Mitglied des Hamburger Verfassungsgerichts fort. Im Jahr 1979 trat Harald Falckenberg in die Gummi Ehlers GmbH Hamburg, heute ELAFLEX HIBY Tanktechnik GmbH & Co. KG, wo er bis zu seinem Ruhestand 2008 Geschäftsführer war. ELAFLEX ist eines der marktführenden Unternehmen in der Betankungsbranche und handelt mit Tankstellenzubehör, Zapfpistolen und Schläuchen. Kunstwerke zu kaufen beginnt er erst 1994, mit 50 Jahren. Fortan gefällt ihm offenbar der Habitus des Kunstkenners.

Posten und Positionen

Limberg: „Bereits ein Jahr nach dem der Unternehmer seine ersten Werke gekauft hatte, standen ihm mit dem alten Fachwerkgebäude „Pump Haus“ am Flughafen Hamburg größere Ausstellungsräume zur Verfügung, in denen regelmäßig öffentliche Veranstaltungen stattfanden. Nachdem die „Kulturstiftung Phoenix Art“ von Unternehmer Harald Falckenberg und der Phoenix-AG gegründet wurde, zog die Sammlung 2001 in die Phoenix-Hallen in Hamburg-Harburg. 2007 erwarb Harald Falckenberg einen Teil des Gebäudekomplexes und ließ es zu einem Ausstellungshaus umbauen. Seit der Eröffnung im Mai 2008 werden die Phoenix-Hallen für Einzelausstellungen sowie Themenausstellungen und Sammlungspräsentationen, aber auch als Depot für Exponate der Sammlung genutzt. Mit insgesamt 6200qm Ausstellungsfläche war er Besitzer des größten Privatmuseums in Deutschland.“ Und jetzt bricht der Hype los, der Status als Kunstmäzen beginnt seine gesellschaftliche Wirkung zu entfachen.

Im August 2010 wird zwischen Harald Falckenberg, der Deichtorhallen Hamburg GmbH und der Behörde für Kultur und Medien ein Kooperationsvertrag geschlossen, der die Sammlung von Harald Falckenberg als Dauerleihgabe an die Deichtorhallen Hamburg angliedert. Organisatorisch wird die Sammlung in den Phoenix-Hallen in Harburg laut Vertrag bis mindestens 2023 unter dem Namen Deichtorhallen Hamburg – Sammlung Falckenberg geführt. Unter der Leitung des Intendanten Dr. Dirk Luckow soll das Ausstellungskonzept rund um die Sammlung Falckenberg fortgesetzt und um neue Aspekte ergänzt werden, sowie Einzel- und Sammlungsausstellungen durchgeführt werden. Die erste Ausstellung unter der neuen Leitung wurde im Februar 2011 eröffnet.

Harald Falckenberg selbst wiederum ist neben den Tätigkeiten, die in direktem Zusammenhang zu seiner Sammlung stehen, öffentlichkeitswirksam durch die Annahme verschiedener Ämter im kulturellen Raum sichtbar. Er ist Mitgründer und im Vorstand der Kulturstiftung Phoenix art, die eben die Unterhaltung der Sammlung verfolgt. Zudem ist er Mitbegründer der W&F-Stiftung (W&F = Waitz & Falckenberg), die er gemeinsam mit Hans Jochen Waitz gegründet hat und führt. Die Stiftung dient der Förderung zeitgenössischer Kunst in der Hamburger Kunsthalle. Außerdem ist Harald Falckenberg im Aufsichtsrat der Hamburger Kunsthalle, Vorsitzender des Hamburger Kunstvereins und Mitglied im Freundeskreis der Hochschule für bildende Künste (HfBK), an der er zudem seit 2008 eine Ehrenprofessur im Studienschwerpunkt „Theorie und Geschichte“ innehat. Mittlerweile hat er zudem einen Sitz im Aufsichtsrat der Deichtorhallen Hamburg GmbH, deren Vorsitz die oder der Kultursenator inne hat.

Danach kaufte Falckenberg zudem noch die „Fundus“-Reihe der Europäischen Verlagsanstalt, ein auf Kunsttheorie spezialisierter Verlag. Und der Gründer des im Kunstbereich renommierten „Merve“-Verlags hat seine Anteile an Harald Falckenberg übertragen. Also auch die Medien in der Sparte Kunst kann Falckenberg seither „bespielen“.

So weit so gut. Irgendwie ja auch Privatsache, könnte man meinen. Was aber auch auf der politischen Seite passierte, zeigt die Studie ebenso akribisch auf. Denn 2011 – zum Zeitpunkt der Angliederung der Privatsammlung an die in öffentlicher Hand befindlichen Deichtorhallen – bezeichnete der damalige Kultursenator Reinhard Stuth dies als „wichtigen Erfolg für die Kulturmetropole Hamburg“. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde der Kooperationsvertrag mit Harald Falckenberg geschlossen, der besagt, dass die Stadt Hamburg jährlich 570.000,- € – und zwar zunächst bis 2023 – berappt, um die Falckenberg-Sammlung im Rahmen der Deichtorhallen-Ausstellungen – quasi als Filiale – unterhalten. 70.000,- € davon für das Kuratorium. Und hier kommt der Aspekt der Politik zum Tragen. Ist es legitim, dass (Kultur-)Politik den Kunstdiskurs unweigerlich aus der Hand gibt? Also nicht nur dass die Privatsammlung mit öffentlichem Geld gefördert wird, sondern der Einfluss einer Einzelperson auf die Strukturen des städtischen Kunstlebens maßgeblich befördert wird? Das meint Limberg letztlich, wenn sie fragt, inwieweit Prinzipien staatlicher Kunstförderung überhaupt eingehalten wurden.

Attraktive kulturelle Teilhabe

Dabei stützt sich die Autorin Limberg auf die kunstsoziologische Theorie des französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1930 – 2002). Dieser ging davon aus, dass gesellschaftliche Unterschiede recht feiner Natur sind. So sei nicht nur die Herkunft einer Person ausschlaggebend, sondern auch der sogenannte Habitus bestimme ihren Rang. Der traditionellen Aufteilung in Klassen stellte er ein hochdifferenziertes Modell entgegen, das vier Kapitalarten unterscheidet: das ökonomische, das kulturelle, das soziale und das symbolische Vermögen. Eine zentrale Rolle komme dabei dem sogenannten Habitus zu. Bourdieu verstand darunter Gewohnheiten, Güter und auch Lebensstil, die jemanden als Angehörigen einer bestimmten sozialen Gruppe kennzeichnen.

Auf den „Fall Falckenberg“ angewandt ist sein hohes Kapitalvolumen, insbesondere sein ausgeprägtes soziales Kapital. Ein Faktor, der im Wesentlichen zur Angliederung geführt hat. Zudem passte es gut, dass sich die Sammlung Falckenberg in die marketingstrategischen Pläne der Stadt Hamburg einbinden ließ und die Sammlungsangliederung somit auch als Instrument strategischer Kommunalpolitik war und ist. Drittens führt Limberg an, dass es zum Zeitpunkt der Angliederungsvereinbarung man von politischer Seite wohl auch den Hamburger*innen „eine attraktive Möglichkeit der kulturellen Teilhabe“ präsentieren wollte, um dadurch die kulturpolitische Entscheidungsmacht der Kulturbehörde zu legitimieren.

Neutralität gab es nicht

Das Fazit fällt hart aber völlig nachvollziehbar aus:  Die Prinzipien der staatlichen Kulturförderung wurden gebrochen, denn „Neutralität“ sei definitiv nicht gegeben gewesen. Vielmehr sei es Falckenbergs Netzwerk gewesen, von dem die Kulturpolitik sich habe treiben lassen. Letztlich eine Folge davon, dass „die Pluralität der kulturellen Landschaft Hamburgs nicht gefördert, wenn sogar noch geschwächt“ wurde. Falckenberg habe danach noch mehr Ämter und in durchaus entscheidenden Gremien auch hinsichtlich seiner eigenen Sammlung erlangt. Und so sei auch seine eigene Selbstdarstellung gefördert worden was wiederum gegen staatliche Kunstförderprinzipien verstoße. Limberg: „Was Harald Falckenberg vor Jahren selbst als „Skandal“ bezeichnete, vollzieht sich durch die Angliederung selbst: Durch die Aufwendung öffentlicher Mittel wird Falckenberg bereichert.“

Norah Limberg studierte ‚Kunst und Medien‘ und ‚Sozialwissenschaften‘ (B.A.) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seit 2015 ist sie in der Kultureinrichtung Werkschule – Werkstatt für Kunst und Kulturarbeit e.V. in Oldenburg tätig und studiert seit September 2016 ‚Kunst- und Medienwissenschaft‘ (M.A.), ebenfalls an der CvO Universität Oldenburg.

Die Studie „Die Sammlung Falckenberg im kulturpolitischen Raum. Von Wirkungen der Sammlungsangliederung  an eine städtische Institution auf die freie Kunstszene Hamburg“ ist als download verfügbar unter archiv.ask23.de

P.S.: das Hamburger Abendblatt (3. Feb. 2018) portraitierte vor einigen Tagen die Tocher Jenny Falckenberg, die als „Kunstexpertin“ und „Kunstagentin“ künftig eine eigene Sendung im „Hamburg Fernsehen“ moderiere.

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