Künstler*innen beim Harburger Kulturtag am 4. Nov. 2017 – Alexandra Seils

Die Erkenntnis der Freiheit

Arbeitet, lebt und gestaltet Harburg mit: die Künstlerin Alexandra Seils. (Foto: Christoph Rommel)

Sie lebt und arbeitet in Harburg, stellt dort auch gerade aus und nimmt am Harburger Kulturtag 2017 teil: Alexandra Seils. Grund genug, sich mal mit ihr zu treffen …

An einem verregneten Samstagvormittag im August bin ich mit der Malerin Alexandra Seils in der Technischen Universität Harburg verabredet. Im Treppenhaus ist eine Ausstellung ihrer großformatigen Bilder, die ganz im Gegensatz zum grauen Himmel draußen durch ihre intensive Farbgestaltung  ansprechen.

„Die Klarheit der Farben steht für meine persönliche Klarheit“, sagt Alexandra Seils, deren Themen Blumen und Landschaften sind. Aber es wäre sicher nicht richtig, sie als Landschafts- und Blumenmalerin zu bezeichnen, denn sie versteht es, Farbkompositionen voller Energie und Emotion zu schaffen, die über ein schlichtes Abbilden weit hinausgehen.

„Die Natur ist für mich das, was immer da ist und bleibt“, sagt die Künstlerin, „und ihr gegenüber empfinde ich eine besonders ausgeprägte Achtung.“

Fabenpracht von Alexandra Seils

Am Anfang ihrer Arbeiten steht oft nur die Idee eines Farbtones, keineswegs hat Alexandra Seils schon ein fertiges Bild im Kopf. Es kann durchaus sein, dass sie parallel an 5 bis 10 Bildern malt.

So bekommt sie immer wieder einen „guten Abstand“ zu den werdenden Werken. So kann sie leichter an den Bildern weiter arbeiten, oder das Begonnene verändern. Das kann in kleinen Details geschehen, kann aber auch die Komposition grundsätzlich verändern. Für Alexandra Seils ist es wichtig, zuzulassen, wenn sie etwas ganz anders machen möchte und damit etwas loszulassen, was sie nicht weiter machen möchte. Das traut man sich jedoch eher, wenn man die Werke mit Abstand betrachtet und nicht mehr „frisch verliebt“ in kleine Details ist.

Einmal hatte sie eine große Zahl von Bildern und Zeichnungen, die ihr nicht mehr zusagten,  zerrissen. Die Schnipsel aufeinandergelegt, ergaben neue, überraschend anregende Werke. Ein  Bekannter nannte diese Werke Shiva-Art. Shiva ist die Hindugottheit der Zerstörung, in der aber auch Schöpfung und Neubeginn begründet sind.

Das Kindliche Malvergnügen

Alexandra Seils gibt verschiedene Malkurse, wobei ich das „Action Painting“ für Erwachsene erwähnen möchte. Dabei handelt es sich um eine spontane und dynamische Malweise, bei der die Malenden nicht planen, sondern zunächst mit irgendetwas beginnen. Aus ein paar zufälligen Pinselstrichen, einer willkürlich gewählten Farbe, Tropfen und Klecksen kann dann bewusst Struktur und Komposition entwickelt werden. Gefühl und Verstand können so zueinander finden, der Sinn für etwas ästhetisch Stimmiges kann sich entwickeln.

Alexandra Seils betont, dass Erwachsene auf diesem Weg ihr kindliches Malvergnügen wieder finden können. Können. Denn sie hat immer wieder erlebt, wie schwer sich Erwachsene, gerade in Berufen mit hoher Verantwortung und Leitungsfunktion tun, etwas gänzlich frei und spontan zu Papier zu bringen. Die Frage: Habe ich das richtig gemacht? Oder: Wie finden das die anderen? steht sofort im Raum.

Doch gerade von dieser selbstkritischen und selbstzweiflerischen Haltung möchte Alexandra Seils die Kursteilnehmer sich freimalen lassen.

Malen aus innerem Antrieb

Natürlich ist Alexandra Seils der künstlerische Erfolg nicht gleichgültig, aber Konzessionen an eine Geschmacksrichtung will sie nicht machen. Oft ist sie gefragt worden, ob sie von ihrer Kunst leben könne. Sie fragt dann zurück, was das Leben lebenswert mache.

Materielle Sicherheit steht für die meisten Menschen im Vordergrund, auf der Basis eines gewissen Standards allerdings. Das ist freilich oft mit Konzessionen an die persönliche Freiheit, an die Freude an der Arbeit und die Ausgeglichenheit verbunden. Ein künstlerisches Leben hängt eben auch mit der Erkenntnis zusammen, wovon ich mich frei machen kann, um frei zu sein. Seils: „Ich male aus einem inneren Antrieb heraus“, sagt sie. „Ich habe nie etwas unterdrückt, was ich künstlerisch umsetzen wollte. Man soll sich nicht dem verweigern, was man glaubt, tun zu müssen.“

Wirkung und Wahrnehmung

Obwohl sich Alexandra Seils eher als unpolitisch betrachtet, lohnt es sich meines Erachtens ihre Bilder, die in der Zeit des großen Flüchtlingsstroms 2015 entstanden sind, auch unter dem Gesichtspunkt dieses Ereignisses zu betrachten.

Alexandra Seils: Hoffnung (Foto: Christoph Rommel)

Gerade hier wird deutlich, was einem Landschaftsbild an Bedeutungen innewohnen kann, was die Form ebenso wie die Farbenwahl betrifft.

Bei unserem Rundgang spreche ich auch immer wieder darüber, welche Wirkung die Bilder auf mich haben und welche Deutung ich ihnen gebe. Die Malerin sagt, dass ihr Bild ein Geschenk an den Betrachter sei, in dem Sinne, dass er frei sei, ihm eine persönliche Deutung zu geben. Entsprechend der Freiheit des Künstlers gibt es die Freiheit des Betrachters. Für den Künstler ist es eine Bereicherung, wenn der Betrachter etwas Anderes, Neues in dem Bild sieht. Gerade die Akzeptanz in einem nichtkünstlerischen Umfeld stellt eine große Motivation für das Malen dar. Aus diesem Grunde sollten die Bilder ursprünglich einmal keine Titel haben, um die Wahrnehmung nicht zu sehr zu steuern. Betrachter verlangten aber oft nach einem Titel.

Inzwischen versteht Alexandra Seils die – immer offenen – Titel als eine Anregung zur Auseinandersetzung mit den Werken. Für einige der in der TU ausgestellten Bilder wählte sie Verszeilen aus Gedichten der Romantik, deren Bedeutung sich der Betrachter sich erst wird erschließen müssen, bevor er sie mit dem Bild in Verbindung setzen kann.

Eine bemerkenswerte Idee und bemerkenswerte Bilder, die man sich unbedingt ansehen sollte.

 

Termine:

  • Noch bis zum 29. Sept. 2017 ist eine umfangreiche Werkschau von Alexandra Seils (zusammen mit Raimund Pallusseck) an der Technischen Universität Hamburg, Am Schwarzenberg-Campus 1, Hauptgebäude (A), 21073 Hamburg, zu sehen.
  • Finissage am 29. September 2017 um 19 Uhr.
  • Harburger Kulturtag am Sa., 4. November 2017 von 12-20 Uhr, Atelier Seils, Reeseberg 3, 21073 Hamburg, zusammen mit Ute Lübbe (siehe auch Tiefgang vom 6. Aug. 2017)

Weiterführende Links: www.uteluebbe.de, www.AlexandraSeils.de

(für TIEFGANG unterwegs war: Christoph Rommel)

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