Serie "Gedenken in Harburg": Elisabeth Lange, Hoppenstedtstr. 76

In der Nachbarschaft beliebt – und auf einmal weg

Elisabeth Lange : die liebevolle Mutter aus der Hoppenstedtstraße. (© Gedenkstätte Neuengamme)

Sie war angesehen, galt als attraktiv, hilfsbereit und stets gepflegt. Ihr zweiter Mann arbeitete für „Maggi“, sie hatten eine Neubauwohnung in der Hoppenstedtstraße und alles hätte so weitergehen können. Doch die Nazis störte eine Freundschaft …

Elisabeth Lange war eine gebürtige Detmolderin. Geboren am 7. Juli 1900 als Tochter der Handwerksfamilie Anton und Luise Höppner. 1921 heiratet sie den Obersteuersekretär Friedrich Wilhelm Obenhaus und noch im gleichen Jahr kommt ihr Sohn Karl-Friedrich am 1.11.1921 in Geestemünde (heute Bremerhaven) zur Welt.

Zehn Jahre später heiratete Elisabeth ein zweites Mal. Ihr etwas jüngerer Mann stammt aus Eisenach: Alexander Lange. Er  arbeitet als Handelsvertreter für die Firma „Maggi“. Sie ziehen ins wirtschaftlich aufstrebende „Harburg an der Elbe“ und beziehen eine modern eingerichtete 3½-Zimmer-Wohnung in einer Neubausiedlung: Hoppenstedtstraße 76.

Hilfsbereit, aber an Politik nicht sonderlich interessiert

Elisabeth Lange wird von früheren Freunden und Bekannten als eine attraktive, freundliche Frau mit gepflegtem Aussehen beschrieben, die viele Nachbarschaftskontakte unterhielt und immer Rat wusste. Sie haben sie als liebevolle und hilfsbereite Frau in Erinnerung, die am politischen Tagesgeschäft nicht sonderlich interessiert war, aber in menschlichen Grundsatzfragen durchaus klar Stellung bezog.

Unbeeindruckt von der antisemitischen Politik der Nationalsozialisten hielt sie zu ihrer jüdischen Freundin Katharina Leipelt. Die beiden Frauen hatten sich über ihre Kinder kennengelernt, die zeitweilig gemeinsam eine Klasse der Harburger Oberschule für Jungen am Alten Postweg in Heimfeld (damals: Stresemann-Realgymnasium, heute: Friedrich-Ebert-Gymnasium) besuchten. Diese Freundschaft der beiden Mütter sollte für Elisabeth Lange tragische Folgen haben.

Die Kinder der Mütter Lange und Leipelt gingen gemeinsam zur Harburger Oberschule (Foto: Archiv Fr.-Ebert-Gymnasium)

 

Als Katharinas Mann, Hans Leipelt, im April 1943 nach Harburg kam, um seine Familie zu Ostern zu besuchen, gelangte auch das sechste Flugblatt der Widerstandsorganisation „Weißen Rose“ nach Hamburg. Das Flugblatt löste auch hier bei Freunden und Verwandten lebhafte Diskussionen aus. Viele beteiligten sich an der Geldsammlung für die Familie Professor Kurt Hubers, der mit den Geschwistern Scholl zusammengearbeitet hatte und drei Monate später ebenfalls zum Tod verurteilt wurde. Auch Hans Leipelt wurde verhaftet und bald darauf auch viele seiner Ham­burger und Münchener Freunde festgenommen.

Hochverrat, Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung

Elisabeth Lange wurde am 10. Dezember 1943, drei Tage nach der Festnahme ihrer Freundin Katharina Leipelt, verhaftet. Ob sie das Flugblatt der „Weißen Rose“ überhaupt kannte und sich an der Geldsammlung für Professor Hubers Familie in irgendeiner Form beteiligt hat, ist ungeklärt. Vorgeworfen wurden ihr dennoch die  „Vor­bereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung und das Abhören und Verbreiten“ von Nachrichten ausländischer Rundfunksender. Nach Auffassung des Generalstaatsanwalts reichte der „zersetzende Einfluss“ der Verhafteten weit über ihren engeren Kreis hinaus.

Die polizeilichen Voruntersuchungen lagen in den Händen der Gestapo- und SS-Männer Hans Reinhardt und Kurt Stawizki. Beide waren wegen ihres Zynismus und ihrer Brutalität gefürchtet und galten als erfahrene Spezialisten im Umgang mit politischen Gegnern des NS-Regimes. Auch Willi Tessmann, der Kommandant des Polizeigefängnisses Fuhlsbüttel, schaltete sich aktiv in die Ermittlungen ein und beteiligte sich persönlich an zahlreichen Verhören und vielen Misshandlungen.

Elisabeth Lange  wurde nach ihrer Festnahme in das Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel überführt und dort in eine enge Einzelzelle in der Station B2 eingewiesen. Außer einem Holzhocker gab es dort nur noch das tagsüber hochgeklappte Metallbettgestell.

Wie eine Überlebende später berichtete, wurden die Frauen oft tief in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und dann  geschlagen und gefoltert, um weitere Aussagen zu erpressen. Viele wurden in den ersten Wochen Tag für Tag mit der „Grünen Minna“ (Polizeiauto) zur Gestapo-Zentrale im Stadthaus gebracht und dann dort weiter gefoltert und verhört. Unter diesen Haftbedingungen verlor Elisabeth Lange bald auch ihre letzten Hoffnungen. In der Nacht vom 27. zum 28. Januar 1944 erhängte sie sich am Fensterkreuz ihrer Zelle – einen Monat, nachdem ihre Freundin Katharina Leipelt sich das Leben genommen hatte.

Folter – Tag für Tag

Unter den Privatsachen, die seine Mutter in der Zelle zurückgelassen hatte, entdeckte Fritz Obenhaus später einen Brief, den sie noch zwei Tage vor ihrem Selbstmord geschrieben hatte.

Elisabeth Lange Leiche wurde anschließend verbrannt, und die Asche später ihrem Sohn in einer Urne übergeben. Sie wurde auf der Grabstätte seiner Großeltern Anton und Luise Höppner auf dem Landfriedhof an der Blomberger Straße in Detmold beigesetzt.

An ihr Schicksal erinnern heute die Gedenktafeln für die Harburger und Wilhelmsburger Opfer des Nationalsozialismus im Harburger Rathaus und für die Detmolder Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an der Gedenkstätte „Alte Synagoge“ in Detmold sowie die beiden Gedenktafeln für die Toten des Hamburger Zweiges der „Weißen Rose“ vor der einstigen evangelischen Buchhandlung Anneliese Tuchel am Jungfernstieg 50, einem der damaligen Treffpunkte der oppositionellen Freundesgruppen, und am Weiße-Rose-Mahnmal in Hamburg-Volksdorf. Seit 1987 tragen zwei Straßen in Harburg und in ihrer Geburtsstadt Detmold Elisabeth Langes Namen.

© Klaus Möller,www.gedenken-in-harburg.de

Überarbeitung für ´Tiefgang` v. Heiko Langanke

Dirketlink zur Stolperstein-Initiative: www.stolpersteine-hamburg.de

Quellen: StaH, 331-5 Polizeibehörde, unnatürliche Todesfälle, 3 1944, 148; StaH, 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 070700; VVN-BdA Hamburg (Hrsg.), humanity; Brunckhorst u. a., Elisabeth Lange, Prüter-Müller, Elisabeth Lange, S. 849ff.

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