Facebook gibt neuerdings „Tipps zum Erkennen von Falschmeldungen“

Denken zu wissen, was glaubwürdig ist

Eine gute Berichterstattung ist in einer zivilisierten Gesellschaft unerlässlich. Allein was ist gut? Ausgerechnet Facebook gibt nun Nachhilfeunterricht und zeigt, wie groß das Dilemma ist.

Unsere Republik ist „nervös“, wie ein Fernsehbeitrag von Stephan Lamby zuletzt in der ARD titulierte. Und es ging ganz wesentlich um das Spannungsfeld von Politik, Wahlen, Populismus, Aufmerksamkeit und Berichterstattung. Wie es zu lösen ist, konnte auch dieser Beitrag nicht aufzeigen. Wohl aber, dass das Verständnis von Berichterstattung nicht wirklich vertieft oder überhaupt vorhanden ist. Die Medien als sogenannte ´vierte Gewalt` der Demokratie? Oder doch nur Lügenpresse? Aber was ist denn ´Lügenpresse` eigentlich? Alles mächtig durcheinander gekommen …

Und dann: ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als nun ausgerechnet beim Start ins Soziale Medium „Facebook“ mir unübersehbar das Thema „Tipps zum Erkennen von Falschmeldungen“ auf den Bildschirm schob.

Facebook weiß das? Warum hat Facebook überhaupt Interesse daran, mir dieses Wissen weiterzugeben? Denn wer sonst profitiert derart stark von Meldungen aller Art? Und nicht nur den schönen und wahren. Hauptsache jeder Nutzer macht Alarm in seinem Fratzenbuch.

Gerade die Symbiose von Text-Mitteilung und Bild, die eben auch dazu führt, dass selbstgebaute Grafiken samt Meldung oder Kommentar zum Lacher, Hingucker und so ein Stück weit zur „Wahrheit“ im Sinne von Wahrnehmung werden, sind ja ganz erheblich von Zuckerbergs Online-Dienst zum gesellschaftlichen Ereignis geworden. Und hat nicht eben Facebook damit erst dazu beigetragen, dass wir kaum mehr wissen, was real oder nur gefaked ist?

Und so lese ich „Wir möchten die Verbreitung von Falschmeldungen auf Facebook unterbinden. Erfahre mehr über das, was wir hier machen.“ Cool. Daumen hoch!

Selbstgebaute Illustration auf Facebook (Grafik debeste)

Und es kommt noch besser: es folgt ein 10-Punkte-Katalog, woran ich als Facebook-Nutzer Falschmeldungen erkenne. Was ist richtig, was ist falsch? Eine Frage, die hunderte von Jahren ganze philosophische Fakultäten ergebnislos beschäftigte – Facebook kriegt´s hin! Da kommt Spannung auf!

Also lesen wir mal …:

 „1. Lies Überschriften kritisch. Falschmeldungen haben häufig reißerische Überschriften in Großbuchstaben und mit Ausrufezeichen. Wenn schockierende Behauptungen in der Überschrift unglaubwürdig klingen, sind sie es vermutlich auch.“

Großbuchstaben und Ausrufezeichen – klare Sache. Die BILD! Ist also Lügenpresse! Im Grunde die ganze „Boulevard-Presse“. Gut zu wissen. Noch besser aber, dass unglaubwürdige und schockierende Behauptungen es „vermutlich“ auch sind. Spricht jetzt irgendwie für sich selbst, oder?

„2. Sieh dir die URL genau an. Eine unechte oder nachahmende URL kann ein Hinweis auf Falschmeldungen sein. Viele Seiten mit Falschmeldungen ahmen echte Nachrichtenquellen nach, indem sie minimale Änderungen an der URL vornehmen. Du kannst die Seite aufrufen, um die URL mit etablierten Quellen zu vergleichen.“

Mhh. URL steht genau genommen für „uniform resource identifier“ und die dienen dazu, websites anzusteuern. Eine echte url ist also www.bild.de ebenso wie www.sued-kultur.de als auch www.facebook.de. Denn sie steuert eben diese Seite auch an. Mit dem, was in den Webseiten zu finden ist, hat es rein technisch und funktional nichts zu tun. Wenn ich also auf Facebook bemerke, dass Facebook gar nicht Facebook sondern „Bild“ ist, dann ist dies eine richtige Falschmeldung – aber eben auf der richtigen url von Facebook und auch deren richtiger website. Nun also sogar richtig, richtig falsch?!?

„3. Überprüfe die Quelle. Stelle sicher, dass die Meldung von einer Quelle stammt, der du vertraust, und die für ihre Glaubwürdigkeit bekannt ist. Wenn die Meldung von einer unbekannten Organisation stammt, überprüfe den Abschnitt „Info“, um mehr zu erfahren.“

Wieder so ein Dilemma. ´Sicher stellen, ob ich vertrauen kann`. Gepaart mit konkreten Definitionen von ´bekannt` oder ´unbekannt`. Sehr hilfreich. Da hat Facebook es gerade geschafft, dass wir uns von den analogen Beziehungen trennen und mit hunderten von sich selbst sympathisch darstellenden Digital-Friends befreunden, da soll ich doch lieber das altbekannte bevorzugen? Das noch größere Problem aber: ich kenne ja nicht mal die Verfassenden dieses Textes. Kann ich denn denen dann überhaupt trauen?

Und so geht es in einem fort …

„4. Achte auf ungewöhnliche Formatierungen. Viele Seiten mit Falschmeldungen enthalten Tippfehler oder seltsame Layouts. Lies mit Vorsicht, wenn du so etwas bemerkst.“

Achtung. Aufpassen. Meine neue Tastatur hat Lügenpresse-Potenzial! Und bitte: mit Vorsicht lesen! Ist das so wie „einen Text zu überfliegen“?!?  Wo man das lernt, sagen sie nicht.

„5. Sieh dir Fotos genau an. Falschmeldungen enthalten häufig manipulierte Bilder oder Videos. Manchmal ist das Foto echt, wurde jedoch aus dem Kontext gerissen. Du kannst nach dem Foto oder Bild suchen, um zu überprüfen, woher es stammt.

6. Überprüfe die Datumsangaben. Falschmeldungen können chronologisch unlogisch sein sowie geänderte Datumsangaben von Ereignissen enthalten.

7. Überprüfe die Beweise. Sieh dir die Quellen des Autors genau an. Mangelnde Beweise oder der Verweis auf ungenannte Experten können ein Hinweis auf eine Falschmeldung sein.

8. Sieh dir die URL genau an. Wenn keine andere Nachrichtenquelle dieselbe Meldung veröffentlicht, kann das ein Hinweis darauf sein, dass die Meldung falsch ist. Wenn die Meldung von mehreren vertrauenswürdigen Quellen veröffentlicht wird, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie wahr ist.

9. Ist die Meldung ein Scherz? Manchmal ist es schwierig, Falschmeldungen von Humor und Satire zu unterscheiden. Überprüfe, ob die Quelle für Parodien bekannt ist und ob die in der Meldung enthaltenen Details und ihr Ton darauf hindeuten, dass es sich lediglich um einen Scherz handelt.

10. Einige Meldungen sind bewusst falsch. Denke kritisch über die Meldungen nach, die du liest, und teile nur Neuigkeiten, von denen du weißt, dass sie glaubwürdig sind.“

Falls jetzt noch wach – Achtung: der letzte Satz war echt gut: „Denke kritisch über die Meldungen nach, die du liest, und teile nur Neuigkeiten, von denen du weißt, dass sie glaubwürdig sind.“

„Denken – kritisch – wissen, was glaubwürdig ist.“

Das Wort „Begriff“ stammt ja irgendwie doch von ´Begreifen`. Vielleicht sollte Marc Zuckerberg mit seinen Leute doch mal ´in Klausur` gehen. Oder einfach abschalten.

P.S.: Sollte der ein oder andere Lesende in Schulunterricht involviert sein und Lust bekommen haben, den 10-Punkte-Plan dort mal im Klassenverbund weiter auf die richtige oder unglaubwürdige Benutzung von Begrifflichkeiten hin untersuchen zu wollen – teilt uns gerne die Fundstücke und die gewonnene Erkenntnis mit.

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