Generationenwechsel in Hamburgs Kulturlandschaft:

Kontinuität und neue Impulse

Kultursenator Brosda bei der Verleihung des Bundesverdienstordens an Kent Nagano (Foto: Senatskanzlei Hamburg)

Die Kulturszene Hamburgs erlebt in diesen Tagen einen bemerkenswerten Staffelwechsel an einigen entscheidenden Schaltstellen. Und nein, Kultursenator Brosda, der auf dem Bundesparteitag der SPD auch höhere Ämter anstrebte, ist damit nicht gemeint.

In der vergangenen Woche kulminierten mehrere Personalentscheidungen und Würdigungen, die nicht nur individuelle Biografien ehren, sondern auch tiefgreifende Implikationen für die zukünftige Ausrichtung und gesellschaftliche Wirkung der Kunst- und Musikinstitutionen der Hansestadt bergen. Die Stadt verabschiedet sich von prägenden Persönlichkeiten, während gleichzeitig neue Führungskräfte in Position gebracht werden, die das Erbe fortführen und zugleich innovative Akzente setzen sollen.

Im Zentrum des Interesses: die Verabschiedung von Kent Nagano und Georges Delnon von der Spitze der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters. Über ein Jahrzehnt hinweg, seit August 2015, prägten Generalmusikdirektor Nagano und Intendant Delnon maßgeblich das künstlerische Profil dieser Institutionen und damit auch die Musikstadt Hamburg als Ganzes. Ihr Wirken war gekennzeichnet von einer dezidierten spartenübergreifenden Denkweise und dem Bestreben, die Musik in die Stadtgesellschaft zu öffnen. Dies manifestierte sich in zahlreichen Premieren und Uraufführungen, die internationale Beachtung fanden und Oper stets als „politischen Spiegel unserer Zeit“ verstanden. Senator Dr. Carsten Brosda würdigte die „außergewöhnliche Kreativität“ dieses Leitungsteams, das selbst die erheblichen Hindernisse der pandemischen Phase mit künstlerischer Exzellenz meistern konnte und das Haus für Neues und Innovatives öffnete: „Trotz der erheblichen Hindernisse während der von Corona geprägten Phase hat sich die künstlerische Kreativität unter diesem Team vielseitig entwickelt.“ Die Wertschätzung der Stadt wurde durch Senatsfrühstücke für beide Persönlichkeiten unterstrichen. Kent Nagano selbst reflektierte seine Amtszeit humorvoll mit den Worten: „Die Amtszeit eines Generalmusikdirektors ist im Vergleich zur fast 350-jährigen Geschichte unserer Institution nur ein kurzer Augenblick, und es ist ein außergewöhnliches Privileg, in den Dienst dieser großen Tradition zu treten.“ Georges Delnon zeigte sich dankbar: „Zu allererst bin ich dankbar dafür, dass ich hier in Hamburg so vieles von dem realisieren konnte, was ich mir vorgenommen hatte.“ Sein Abschied erfolgte mit der letzten Opernvorstellung „Le Nozze di Figaro“ am 3. Juli 2025, während Nagano sich mit einer letzten Uraufführung am 30. Juni 2025 in der Elbphilharmonie verabschiedete. Ihr Abschied markiert nicht nur das Ende einer Ära, sondern eröffnet auch den Raum für die kommende Spielzeit unter Tobias Kratzer und Omer Meir Wellber.

Parallel dazu vollzieht sich ein bedeutsamer Wechsel in der Intendanz des Thalia Theaters. Nach 16 Jahren einer prägenden Leitung durch Joachim Lux tritt mit Sonja Anders eine neue Intendantin ihr Amt an. Die Kontinuität in der Geschäftsführung wird jedoch durch die Vertragsverlängerung von Tom Till um weitere fünf Jahre gesichert. Till, seit August 2016 Geschäftsführer, hat das Thalia Theater erfolgreich durch die pandemiebedingten Herausforderungen geführt und die Modernisierung sowie Öffnung des Hauses maßgeblich vorangetrieben. Senator Brosda betont, dass diese Kontinuität eine „feste Basis“ für den Neustart unter der neuen Intendanz bildet: „Die Kontinuität in der Leitung des Hauses verleiht dem Neustart eine feste Basis und wir freuen uns, dass Tom Till die positive Entwicklung des Thalia Theaters weiter so verlässlich voranbringen wird.“ Sonja Anders selbst äußert sich erfreut über die weitere Zusammenarbeit mit Till: „Tom Till hat ein feines Gespür für Prozesse und die dahinterstehenden Menschen.“ Diese Kooperation verspricht eine spannende Transformation in Repertoire und Ensemble sowie die Adressierung von Zukunftsthemen wie Digitalität, Diversität und Nachhaltigkeit. Tom Till blickt gespannt voraus: „Nach neun aufregenden und ereignisreichen Jahren, in denen ich Joachim Lux und sein herausragendes Ensemble begleiten durfte, wird mit Sonja Anders nun alles anders am Thalia.“

Eine weitere Schlüsselposition im Bildungsbereich der Hamburger Kultur wurde ebenfalls neu besetzt: Am Hamburger Konservatorium verabschiedete sich Markus Menke nach 24 erfolgreichen Jahren in den Ruhestand. Unter seiner Führung entwickelte sich ein vielfältiges Bildungsangebot, das soziokulturelle, inklusive und spitzenmusikalische Förderung umfasste. Ein herausragender Erfolg seiner Amtszeit war der Bau der Musik.Werk.Stadt, die seit November 2024 Musikschule, Akademie und eine Kita mit musikalischem Schwerpunkt unter einem barrierefreien Dach vereint. Senator Brosda würdigte Menkes „Weitsicht und leidenschaftliches Engagement“, das die innovative Kraft einer traditionsreichen Institution entfesselte. Markus Menke selbst sprach von einem „großen Privileg“, die Geschicke des Konservatoriums über einen so langen Zeitraum leiten zu können. Menkes Nachfolge tritt Anke Nickel an, die gemeinsam mit Michael Petermann die Leitung übernehmen wird. Nickel bringt Erfahrungen in Musikpädagogik und Kulturmanagement mit und plant, Bewährtes fortzuführen sowie neue Impulse zu setzen. Sie betont die bundesweit einzigartige Struktur des Konservatoriums: „Das Hamburger Konservatorium mit seinem Dreiklang Musik-Kita, Musikschule und Akademie ist bundesweit einzigartig.“ Sie sieht die zukünftige Aufgabe darin, die Attraktivität des Hauses für Musikbegeisterte und Lehrkräfte zu sichern und städtisches sowie bürgerschaftliches Engagement weiter zusammenzuführen. Michael Petermann, der langjährige Weggefährte, hob die Bedeutung der Teamarbeit hervor: „Direktion als Teamwork zu verstehen war und ist unser Leitgedanke.“

Diese Bündelung von Personalwechseln innerhalb weniger Tage in den Top-Ebenen der Hamburger Kulturinstitutionen ist mehr als eine reine Verwaltungsmaßnahme. Sie spiegelt eine bewusste Strategie der Kulturpolitik wider, die sowohl auf Kontinuität und Wertschätzung des Erreichten setzt als auch auf die Notwendigkeit, neue Narrative zu etablieren und die Institutionen zukunftsfähig zu gestalten. Das „Stakeholder-Engagement“ – sei es das Publikum, die Politik oder die Künstler*innen selbst – zieht sich durch fast alle Abschiedsworte und Antrittsbekundungen betont. Die Herausforderung für die neuen Führungspersönlichkeiten wird darin bestehen, die etablierten Stärken zu bewahren und gleichzeitig die kulturelle Infrastruktur Hamburgs mit frischen Impulsen zu versehen, um den sich wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Man darf gespannt bleiben.

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