Autorin Conny Schramm bei den 8. SuedLese-Literaturtagen:

„Meine Abrechnung mit dem Sozialismus“

Lebt, liest, aber bügelt nicht in Harburg: Autorin Conny Schramm. (Foto: Schramm)

Conny Schramm lebt und arbeitet in Harburg. Sie stammt aber aus der Nähe Potsdams und erlebte als Kind die DDR in vielerlei Facetten. Christlich im Elternhaus erzogen, in der stattlichen Schule hingegen „real existierender Sozialismus“. Einige Dinge brahcte sie zu Ppaier und daraus wurde „Mein ungebügeltes Leben“, das erst jüngst in der Schweiz prämiert wurde. Nun liest sie als Lokalmatadorin auch bei der 8. SuedLese. Grund genug, mal genauer nachzufragen …

Tiefgang (TG): Herzlichen Glückwunsch zum Schweizer Autobiographie-Award für Ihr Buch „Mein ungebügeltes Leben“. Wie läuft denn so eine Schweizer Buchpreisverleihung ab?

Conny Schramm: Ja, dass ausgerechnet meine Autobiografie in der Schweiz ausgezeichnet wurde, lässt mich noch immer fröhlich staunen. Diese Auszeichnung zählt neben meiner Hochzeit, dem Erscheinen meiner Autobiografie beim Brunnenverlag (der Tag an welchem ich mein erstes Buch in der Hand hielt) und Baden mit Babyelefanten im Dschungel von Malaysia zu den Big Five in meinem Leben.

Ich war tatsächlich sehr aufgeregt und vor allem in großer Sorge, dass am Flughafen mal wieder gestreikt würde. Mit großer Erleichterung landete ich dann am 6. Februar in Zürich. Zum Glück wurde ich von einer Bekannten, welche in Zürich lebt, dann am Hauptbahnhof abgeholt und direkt zur Universität gebracht. Ich wurde dort auf das herzlichste begrüßt – denn eigentlich hatte man nicht mit dem Erscheinen der Hamburgerin gerechnet. In der Aula der Universität, in welcher sogar Winston Churchill mal eine Rede gehalten hatte, hatten sich ca. 200 Menschen versammelt . Unter anderem waren zwei Altbundespräsident*Innen, der Schweiz, das Schweizer Fernsehen, die Presse und diverse Literaturprofessoren sowie andere Prominente versammelt.

Zunächst hat Herr Erich Bohli – der Erfinder der Internetplattform: „meet-my-life“ – alle Anwesenden begrüßt. Im Anschluss hielt ein Literaturprofessor eine sehr heitere Rede zu dem Thema: „Was ist eigentlich eine gute Autobiographie?“ Dem Zuhören dieser Rede hat mir wirklich Spaß gemacht. Dann wurden die Gewinner des Autobiographie-Award 22 nach vorne gerufen. Wir bekamen unsere Auszeichnungen und dann hielt eine weitere Literaturprofessorin für jede Gewinnerin eine kurze Laudatio und wir durften auch ein kurzes Dankeschön sagen.

Im Anschluss interviewten sich die beiden Altbundespräsiden*Innen. Dies wirkte gewollt heiter und die Beiden unterhielten sich unter anderem über Kuchenrezepte … Dann war der offizielle Teil auch schon zu Ende.

Wir Gewinnerinnen wurden noch von der Presse fotografiert und dann gab es für alle ein „Apero riche“. Das ist so eine Art Stehempfang mit Sekt, Brot und Aufschnitt.

Dieser Teil war für mich sehr berührend, da fremde Menschen zu mir kamen, mir gratulierten und im Anschluss mir ihre Lebensgeschichte erzählten. Dann musste ich auch schon wieder zum Flughafen.

TG: In Ihrem Buch „Mein ungebügeltes Leben“ erzählen Sie von Ihrer Kindheit und Jugend in der DDR. Wie fühlt es sich an, über diese Zeit zu schreiben?

Conny Schramm: Das Leben als Christ in der DDR war manchmal ziemlich hart … So durften viele junge Menschen – nur weil ihre Eltern zu Kirche gingen – trotz guter Noten, kein Abitur machen. Das klingt zwar grotesk, war aber leider so. Immer wieder wurden auch die „Kirchgänger“ von Lehrern und manchmal auch von Mitschülern ausgegrenzt, oder gar gemobbt. Vieles war damals nicht witzig, sondern eher schmerzhaft. Ich habe dem Sachverhalt, dass ich aus diesem blöden Grunde kein Abitur und kein Studium absolvieren durfte, lange nachgetrauert. Im Jahr 2014 konnte ich dann an der Hamburger Akademie im Fernstudium das Schreiben (biografisches und belletristisches Schreiben) studieren. Daraus resultierte dann „Mein ungebügeltes Leben.“

Mir sind dann plötzlich unglaublich viele Dinge und Details aus meiner Vergangenheit wieder eingefallen und ich konnte schreiben, schreiben, schreiben. An manche Dinge habe ich dabei nicht gerne gedacht. Sie waren einfach zu schmerzhaft. Damals in meiner Kindheit und Jugend war vieles nicht witzig, aber mit einem Abstand von 25 Jahren, konnte ich mich über groteske Erlebnisse von damals lustig machen. „Mein ungebügeltes Leben“ ist also auch so eine Art „Abrechnung“ mit dem Sozialismus. Wenn ich über meine Erlebnisse schreibe, kann ich sie besser verarbeiten. Mein Humor hilft mir dabei.

TG: Warum wollten Sie Ihre Erlebnisse aus der Kindheit veröffentlichen?

Conny Schramm: Wie schon erwähnt, ist das meine persönliche Auseinandersetzung mit dem Sozialismus. Es gibt aber auch einen weiteren, sehr wichtigen Grund, warum ich meine Erlebnisse aufgeschrieben habe: Schon in der nächsten Generation kann sich kaum Jemand vorstellen, dass es in Deutschland eine Mauer gab, an welcher Menschen erschossen wurden, weil sie an einem anderen Ort leben wollten! Das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Diese Mauer und das schreckliche System haben sehr viel Leid über Menschen gebracht. Das darf nicht vergessen werden!

Inzwischen werden Schullesungen mit mir in Hamburg sehr gefördert (siehe auch die Website: www.connyschramm.de; Anm. d. Red.). Ich konnte bereits erste Erfahrungen mit Schülerlesungen machen. Ich war überrascht, über das große Interesse an meinem Thema. Zur Zeit läuft gerade meine Bewerbung, dass ich bundesweit mit Fördergeldern an Schulen lesen darf.

TG: In der DDR gab es wohl kaum freie Kulturveranstaltungen wie der SuedLese, wo verschiedenste Autor*innen die Chance hatten lesen zu dürfen. Wie gefällt Ihnen das Konzept?

Conny Schramm: Naja, zu DDR-Zeiten habe ich zwar gerne gelesen, hatte aber nie Interesse daran zu einer Lesung zu gehen. Ich kann mich auch absolut nicht daran erinnern, dass Lesungen durchgeführt wurden.

Es gab natürlich dort – vor allem auch in Ostberlin – eine große Kulturszene. Diese war aber natürlich „zensiert“ und man bekam ohne Beziehungen sowieso kaum mal eine Theaterkarte oder ähnliches.

Später – nach der Grenzöffnung, hatte ich sehr viel Freude besonders an Kleinkunstfestrivalen, Konzerten und ähnlichem. Ich würde sagen – viele Ossis „hungerten“ nach unzensierter Kultur. Ich erinnere mich an ein bewegendes Konzert in der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche und ich kenne keinen schöneren Ort für Konzerte als die Berliner Waldbühne. Wir „mussten“ ja Versäumtes aus unserer Jugend nachholen.

Ich genieße es, dass Hamburg so multi-kulti ist und ich persönlich freue mich natürlich, wenn gerade in Hamburgs Süden die Kulturszene wächst. Ich liebe es, neue Kulturorte kennen zu lernen, selbst zu lesen und mit meinem Publikum im Anschluss darüber zu reden. Zu meinen Lieblingslokation zählt die Wassermühle in Karoxbostel, das „komm Du“ und der „Wasserturm“ und die „Lesungen unter dem Kirschbaum“. In den nächsten Wochen werde ich weitere Orte kennenlernen. Ich freue mich darauf. Ich hoffe, dass Verantwortliche in der Politik verstehen, wie wichtig die Kultur und somit auch die SuedLese für unseren Stadtteil sind und sie so auch wirklich für Veranstalter und Künstler Gelder bereitstellen.

TG: Sie leben ja auch im Süden Hamburgs. Wie erleben Sie Kultur hier?

Conny Schramm: Ich freue mich, wenn ich für Lesungen und Konzerte nicht extra in „die Stadt“ fahren muss. Hier im Süden kenne ich ja auch recht viele Leute. Die kann man dann viel leichter zu einer Veranstaltung einladen. Die SuedLese Literaturtage sind allerdings ja leider nur über einen kurzen Zeitraum und dann so geballt, dass man viel schöne Veranstaltungen verpasst. Ich finde einen längeren Zeitraum schöner, damit man den einzelnen Künstlern auch gerecht werden kann.

TG: Was erwartet uns am 17. Mai?

Conny Schramm: Ich lese natürlich aus meinem „Ungebügeltem Leben“. Es ist eine Lebensgeschichte voller Lachen und Weinen. Ich hoffe auf gute Gespräche. Diesen Abend werde ich ja zusammen mit meinem Autorenkollegen Cord Buch gestalten. Er ist Krimiautor und seine Kriminalromane spielen in Hamburg. Ich glaube es wird ein spannender und bewegender Abend.

TG: Was dürfen wir in Zukunft von Ihnen erwarten? Ist vielleicht sogar schon ein neues Buch geplant?

Conny Schramm: Ich habe seit dem letzten Herbst wieder neue Freude und vor allem neue Ideen für weitere Bücher erhalten. Ich beschäftige mich zur Zeit tatsächlich mit Lebensgeschichten „von der freundlichen, unauffälligen Nachbarin“. Denn gerade Menschen, die nicht berühmt sind, haben manchmal sehr bewegende Dinge erlebt. Ob daraus mal ein Buch wird, wird man sehen. Auch weitere heitere Reiseberichte z.B. über unsere Afrikareisen könnte ich mir vorstellen. Es gibt auch schon ein ziemlich weit fortgeschrittenes Skript für ein Sachbuch.

TG: Vielen Dank und wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!

(Das Interview für ´Tiefgang` führte Bastian Hamel)

Das Buch:

Conny Schramm: Mein ungebügeltes Leben.

112 Seiten, Taschenbuch, 12 x 18,6 cm, Erscheinungsdatum: 26.07.2016

Bestell-Nr.: 114302, ISBN: 978-3-7655-4302-9, EAN: 9783765543029

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