Jürgen Braasch übernimmt in unruhigen Zeiten

Neuer Wind an der Staatsoper?

"Heimkehrer" Jürgen Braasch (Foto: Katja Müller / Staatstheater Hannover)

Die Hamburgische Staatsoper, in jüngster Vergangenheit eher für Turbulenzen als für Triumphe in den Schlagzeilen, steht erneut vor einem Umbruch.

Während die Tinte unter dem Vertrag des neuen Intendanten Tobias Kratzer und des Generalmusikdirektors Omer Meir Wellber noch nicht ganz trocken ist, wird nun auch ein neuer Geschäftsführer ins Boot geholt: Jürgen Braasch übernimmt ab der Spielzeit 2025/26 das Ruder.

Der Aufsichtsrat der Hamburgischen Staatsoper GmbH setzt auf einen erfahrenen Steuermann. Braasch, mit seiner langjährigen Expertise als Kaufmännischer Geschäftsführer verschiedener Staatstheater, soll das Haus durch die stürmischen Gewässer der kommenden Spielzeit führen. Zuletzt war er Interimsgeschäftsführer des Staatstheaters Kassel, eine Rolle, die ihm in Hamburg erneut zufällt. Denn Braaschs Engagement ist zunächst auf eine Spielzeit begrenzt.

Ein Abschied und ein Neubeginn

Der derzeitige Geschäftsführer, Dr. Ralf Klöter, verlässt die Staatsoper auf eigenen Wunsch. „Ihn zieht es aus persönlichen Gründen zurück an seinen privaten Lebensmittelpunkt an der Kieler Förde“, heißt es in der Pressemitteilung der Kulturbehörde Hamburg. Ein Abschied, der Raum schafft für Neues, aber auch Fragen aufwirft. War es wirklich nur die Sehnsucht nach der Förde, die Klöter zum Gehen bewog? Oder spielten auch die internen Querelen der letzten Monate eine Rolle?

Kultursenator Dr. Carsten Brosda gibt sich optimistisch: „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Jürgen Braasch einen so versierten und erfahrenen Theatermanager für die Geschäftsführung der Hamburgischen Staatsoper gewinnen konnten. Er erfüllt alle Voraussetzungen, um den Neustart der Hamburgischen Staatsoper mit dem neuen Team um den Intendanten Tobias Kratzer und den Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber zu begleiten und das Haus für die Zukunft gut aufzustellen.“

„Ein großes Glück“: Braaschs sentimentale Rückkehr

Braasch selbst scheint die neue Aufgabe als eine Art Heimkehr zu empfinden. „In der Hamburgischen Staatsoper habe ich vor 60 Jahren das Musiktheater kennen und lieben gelernt. Meine Oma hatte ein Abonnement und ich durfte sie als Steppke begleiten. Dass ich zum Abschluss meines Berufslebens dieses Haus mitleiten und -gestalten darf ist ein großes Glück“, lässt er verlauten. Eine rührende Anekdote, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Herausforderungen enorm sind. Die Staatsoper braucht mehr als nur sentimentale Gefühle. Sie braucht einen klaren Kurs, eine solide finanzielle Basis und vor allem: Ruhe im Orchestergraben und hinter der Bühne. Die Liste der Baustellen ist lang: marode Finanzen, ein angeschlagenes Image und ein Personal, das sich nach Jahren der Unruhe nach Stabilität sehnt.

Und während die Staatsoper ohnehin mit diesen internen Baustellen zu kämpfen hat, hallt im Hintergrund noch immer das Echo der Debatte um den umstrittenen Neubau im Hafen nach, dessen Kostenexplosion und architektonische Visionen nicht wenige Hamburger*innen spalten. Die Frage drängt sich auf: Kann die Stadt sich solche Prestigeprojekte noch leisten, während andere Kultureinrichtungen am Tropf hängen? Die Staatsoper, selbst ein architektonisches Wahrzeichen der Stadt, muss sich in einer Zeit behaupten, in der andere kulturelle Leuchttürme wie die Elbphilharmonie mit ihrem immensen Kostenaufwand kritisch beäugt werden. Der Druck, sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ist immens. Die Hansestadt, die sich gerne als Kulturmetropole inszeniert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob ihre Prioritäten richtig gesetzt sind. Während Millionen in Prestigebauten fließen, kämpfen freie Theatergruppen und kleinere Kultureinrichtungen ums Überleben. Die Staatsoper, als eine der großen Institutionen, steht hier sinnbildlich für diesen Spannungsbogen.

 

Die Suche nach der langfristigen Lösung

Während Braasch also nun die Interimsgeschäftsführung übernimmt, macht sich eine Findungskommission auf die Suche nach einer langfristigen Nachfolge. Wer wird das Zeug haben, die Staatsoper aus dem Tal zu führen? Wer bringt die nötige Mischung aus betriebswirtschaftlichem Know-how, künstlerischem Verständnis und diplomatischem Geschick mit?

Die Personaldebatte ist nur eine von vielen Herausforderungen. Die Staatsoper muss sich neu erfinden, ohne ihre Tradition zu verraten. Sie muss ein jüngeres Publikum ansprechen, ohne ihr Stammpublikum zu verprellen. Sie muss innovative Formate entwickeln, ohne den Qualitätsanspruch zu vernachlässigen.

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein für die Zukunft der Hamburgischen Staatsoper. Mit einem neuen Leitungsteam und einem erfahrenen Interimsgeschäftsführer besteht die Chance auf einen Neuanfang. Ob dieser gelingt, hängt jedoch von vielen Faktoren ab – nicht zuletzt von der Fähigkeit aller Beteiligten, an einem Strang zu ziehen.

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