Trauma braucht Großzügigkeit – Die Kunst hilft heilen

Zeinab Alipour - Kriegskinder

Trauma braucht Großzügigkeit, dem anderen zuhören, da sein, den Schmerz bezeugen. Bei kollektiven wie individuellen Traumata passiert aber oft das Gegenteil, es wird eng.

von Ulrike Hinrichs

Ein Thema, das vor allem in Deutschland noch unter der Oberfläche brodelt, sind kollektiv unverarbeitete Kriegserlebnisse, die auch durch transgenerartionale Weitergabe auf die Nachfolgegenerationen wirken. Wir allen sind betroffen! Hinzu kommen Geflüchtete, die aktuell von Gewalt und Krieg traumatisiert sind.

Das hat mich veranlasst, im letzten Jahr ein Kunstprojekt „Kriegskinder – Die Schatten der Vergangenheit“ zu initiieren. (vgl. Kriegskinder). Die Idee war, dass wir aktuell von Krieg und Flucht betroffene Menschen mit Kriegskindern und Kriegsenkeln zusammenbringen und uns künstlerisch zum Thema ausdrücken.

Corona-bedingt  mussten wir die Ausstellung im letzten Jahr absagen. Nun präsentiert die Gruppe ihre Werke auf dem Harburger Kulturtag.

Kollektive Traumata funktionieren wie ein individuelles Trauma. Ein auslösendes Ereignis stellt eine Verbindung zum traumatischen Ereignis her. Das geschieht unbewusst. Dabei erwachen Emotionen, die in der traumatischen Situation gefühlt wurden. Für so einen Auslöser reicht es, dass einzelne Fragmente des Traumas wie etwa Gerüche, Klänge, Bilder oder Gefühle in der aktuellen Situation anklingen.

„Du fühlst dich wie ein Astronaut im eigenen Körper“

Traumata bedingen einen schwerwiegenden Kontrollverlust bis hin zur Ohnmacht. Das führt zur Dissoziation, der Abtrennung vom kollektiven und individuellen Fühlen. Durch Kontrolle des Lebens und der Umstände, versuchen Betroffenen und auch Gesellschaften die Wiederholung traumatischer Ereignisse zu vermeiden. Die Hamsterkäufe von Toilettenpapier im ersten Lockdown der Corona Pandemie 2020 in Deutschland sind symptomatisch für einen solchen irrationalen Kontrollversuch.

Auch die Flüchtlingszuwanderung in 2015 hat bei vielen alte, ins Unbewusste verdrängte Ängste erweckt. Wenn ein kollektives Trauma aktiviert wird, dann wird es eng, indifferent und überreaktiv. Es gibt eine Mangel-Reaktion. Im Gemeinschaftskunstprojekte „Kriegskinder – Die Schatten der Vergangenheit“ haben wir unterschiedlichste Menschen, von jung bis alt, von alteingesessen bis zugewandert, zusammengebracht. Über den Ausdruck der Kunst können wir Erfahrungen der Betroffenen und ganzer Kollektive wahrnehmen und nachfühlen. Der Schmerz, die Widersprüche, das Unaussprechliche dürfen sichtbar werden. Über die Kunst kommen wir in einen fühlenden Dialog, was bei diesem Thema besonders wichtig ist. Trauma braucht Großzügigkeit, dem anderen zuhören, da sein.

Die Werke werden am 7.11.2021, 12 bis 18 Uhr, in der St. Johanneskirche (Bremer Straße 9, 321073 Hamburg) präsentiert. Um 17 Uhr gibt es einen Gottesdienst unter Einbeziehung der Ausstellung.

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