Die Kolumne von Sophie Selbst-Zweifel

Ungerechtigkeiten

Foto: DerSpecht.de

Ich heiße Sophie und ich bin Denkerin. Ich denke, nein ich weiß, dass die Welt ungerecht ist.

Vielleicht ist das sogar besser so. Denn worüber sollten wir uns sonst aufregen? Die Menschheit kann vermutlich mit reiner Ausgewogenheit und Harmonie nicht so viel anfangen wie mit Sensationen.

Einige wollen es am liebsten selber krachen lassen, die meisten schauen lieber dabei zu. Besonderer Betroffenheit erfreuen sich schlimme Unfälle mit Totalschaden, Terroranschläge und Weltuntergänge.

Folter und Verfolgung sowie Hungersnöte und Armut generell sind dagegen eher unbeliebt und bringen keine Quote. Slums und Bettler sind einfach nicht so gern gesehen wie die Apokalypse now. Sei es im Unterhaltungsprogramm oder in den Nachrichten, wenn unsere großartige Zivilisation angegriffen wird. Auch Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen oder Kinderarbeit in aller Herren Länder bringen nicht so rechtschaffene und nachhaltige Empörung wie ein einzelner Überfall.

Es gibt also zweierlei Maß, mit dem wir messen können. Die medienwirksame Bestürzung in Bezug auf tragische Einzelschicksale, denen wir unsere ganze Empathie widmen können, und die ganz großen Ungerechtigkeiten, die wir wohl sowieso nicht ändern können und besser nicht so nah an uns heranlassen. Man kann ja nicht mit jedem Mitgefühl haben und auch nicht die ganze Welt retten, sondern muss Prioritäten setzen. Das eigene Leben sollte möglichst wenig beeinträchtigt werden. Ganze Flüchtlingsströme sind einfach zu viel. Da hört die Nächstenliebe dann doch bei vielen auf. Man darf das eigene Wohl und Weh schließlich nicht aus dem Auge verlieren.

Also lieber schnell das Thema wechseln und über Krankheiten klagen, die man selber hat oder jemanden kennt, der was Schlimmes hat. Das ist zwar weder neu noch schön, genießt allerdings Feldstudien zufolge eine hohe Aufmerksamkeits-Quote. In diesem Sinne: Ich bin hochallergisch gegen Negatives.

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