Bundesverband der Musikclubs schlägt jetzt lautere Töne an:

„Abgaben runter – Förderung hoch!“

Rund 30 Mio. Menschen gehen jährlich in Musikclubs. Mehr als in Fußballstadien. Grund genug, auch zur Bundestagswahl mal laut zu werden …

Musikclubs galten lange Zeit als netter Beifang der Unterhaltungsbranche: offenbar nicht weiter ernst zu nehmen. Dass sie aber auch das Kinderzimmer mancher Stars von Morgen sind, dürfte seit den legendären Konzerten im ´Onkel Pö` – und nicht nur die der vielbesungenen Rentnerband – bekannt gewesen sein. Und noch mehr: es gehen mehr Menschen in die Live-Clubs als in die Bundesliga-Stadien. Das zumindest sagt die LiveKomm und erhebt nun auch politisch Anspruch auf Ernsthaftigkeit.

In einem Forderungskatalog mischt sich der Bundesverband deutscher Musikspielstätten nun in den Wahlkampf ein. Und da es im Kulturleben viele schwach beleuchtete Aspekte gibt, dokumentieren wir einige Details hier mal augenscheinlicher.

Impulsgeber der Politik

Die Live Musik Kommission e.V. (kurz LiveKomm) ist der Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland und repräsentiert aktuell über 400 Musikclubs und Festivals in 100 Städten und Gemeinden. Ihre Mitglieder gehören zu den größten Anbietern lokaler Kulturveranstaltungen, des städtischen Tourismus, der deutschen und internationalen Nachwuchsförderung und wirken als Impulsgeber auf die Strategie der Bundesregierung für die Weiterentwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft ein.

Lohnverzicht und Selbstausbeutung

Die in der Musikwirtschaftsstudie 2015 befragten Musikclubs zeigten auf, dass annähernd alle befragten Spielstätten ohne staatliche Fördergelder nicht überlebensfähig sind und in ihrer Kosten / Erlösstruktur im Grenzkostenbereich agieren. Das bedeutet, so die LiveKomm, dass jede zusätzliche Kostensteigerung die Betriebe unmittelbar in die Verlustzone führt. Die Mehrkosten könnten in der Regel nur durch Lohnverzicht und Selbstausbeutung kompensiert werden. Trotz alledem ermöglichen die Akteure in ihren jeweiligen Clubs in der Regel 119 Konzerte pro Jahr. Dies entspräche bei einer durchschnittlichen Kapazität von 500 Personen und einer geschätzten Auslastungsquote von 42 % eine Besucheranzahl von ca. 25.390 pro Club. „Grob geschätzt gehen wir bundesweit von ca. 30,5 Millionen Spielstättenbesuchern aus. Zum Vergleich: die Zuschauerzahlen in den Theatern für die Spielzeit 2014/2015 lag bundesweit bei 39 Millionen. Die 306 Spiele der Fußball-Bundesliga verfolgen jede Saison rund 13 Millionen Zuschauer live in den Stadien“, heißt es in dem Forderungspapier.

„Clubkultur ist Lebensqualität“

Zur Bundestagswahl hat die LiveKomm nun einen Forderungskatalog von 4 (nicht zehn, wie – warum auch immer – bei anderen üblich) Hauptforderungen aufgestellt. Nämlich dem Kulturraumschutz, Abgaben, Förderung und Gesundheit.

  1. Kulturraumschutz

Clubkultur ist Lebensqualität, Motor von Stadtentwicklung und bereichert unsere Innenstädte und Regionen. Die Freiräume, die Clubkultur beherbergen, sind jedoch unter anderem durch steigende Immobilienpreise und anrückender Nahverdichtung zunehmend bedroht.

I Einrichtung einer eigenen Gebietskategorie „Kulturgebiet“ in der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Die Nachtruhe sollte dort deutlich später als 22 Uhr beginnen und nachts ein Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gelten.

Grafiken (3): LiveKomm

II. Gesetzesinitiative „Stadt und Musik“, die die Investoren zum Rücksichtsnahmegebot gemäß BauNVO bei benachbarten Musikclubs in die Pflicht nimmt. Es gilt sicherzustellen, dass die Live-Musik als kulturelle Einrichtungen geschützt bleiben.

III. Änderung bei der Einordnung von Musikclubs als kulturelle Einrichtungen u. a. im Gewerberecht, Baurecht und in Bebauungsplänen. Bislang werden wir als Vergnügungsstätten mit Spielhallen, Wettbüros und Bordellen gleichbehandelt.

IV. Umdenken beim Bundesimmissionsschutzgesetz:

Musik ist ein Stück Lebensqualität und kein Lärm. Musikemissionen müssen als privilegiertes Sonderrecht, den Emissionen von Sport- und Kinderlärm gleichsetzt werden.

V. Änderung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) hinsichtlich der Verlagerung der Messpunkte in das Wohnungsinnere und bei geschlossenem Fenster für nächtliche Emissionsgrenzwerte von nachts 25db(A).

VI. Bundeslärmschutzfonds Kulturclub mit jährlich 20 Mio. Euro, der bei nachweisbaren, akuten Konfliktlagen, die Kosten für Gutachter- und Baumaßnahmen deckt.

  1. Abgaben

Das Veranstalten von Künstlern ist selbst eine Kunst und muss entsprechend gefördert werden. Diese kuratorische Arbeit ist aktive musikalische Künstlerentwicklung und essentielle Basisfunktion für das Funktionieren der Musikwirtschaft.

I. Für sämtliche Eintrittseinnahmen von Musikspielstätten muss der ermäßigte Umsatzsteuersatz gelten.

II. Musikclubs (egal ob Live-Club oder Elektro-Club; bis zu einer Kapazitätsgrenze von 2.000 Personen) müssen seitens der GEMA als vollwertige Kulturbetriebe eingestuft werden und ein tarifübergreifender Kulturrabatt eingeräumt werden.

III. Einrichtung und Finanzierung einer GEMA-Ombudsstelle, die z.B. im DPMA zur Lösung von Problemfällen, Aufbereitung eines Jahresberichts und als Schlichtungsstelle für Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 10.000 €, eingerichtet wird.

IV. Chancengleichheit bei der GEMA-Tariffindung: Gerechte Tarife dürfen in einer Demokratie nicht von der Vereinskasse eines Verbandes abhängig sein.

V. Reform der Künstlersozialversicherung: Einführung einer Freibetragsregelung analog zu § 50a EKStG. Erst ab einer Freigrenze von 10.000 Euro sollen Beiträge der Musikclubs anfallen und auch eine Einzelrechnungs-Bagatellgrenze eingeführt werden.

VI. Es bedarf Regelungen zur Problematik der Scheinselbstständigkeit. Projektarbeit im Veranstaltungswesen muss von dem Verdacht auf Scheinselbständigkeit freigesprochen werden.

  1. Spielstätten-und Netzwerkförderung

Ziel einer nachhaltigen Stärkung der kulturellen Vielfalt in Deutschland muss u. a. die Installation eines nachhaltigen Förderinstrumentariums sein, welches Musikspielstätten wie Kulturclubs und Festivals langfristig stützt und sie als Träger kultureller Vielfalt anerkennt.

I. Breitenförderung für Musikspielstätten, wie sie bei der Filmförderung auf Bundesebene realisiert wird. Für die Musikspielstätten in Deutschland sehen wir jährlich 30 Millionen Euro Bundesmittel für Förderprogramme und Auszeichnungen als gerechtfertigte Investitionssumme.

II. Institutionelle Förderung von Netzwerken in der Musik, vor allem im Bereich der Spielstätten und Festivals.

III. Konstante Erhebungen zu Kennzahlen der Club-und Festivalbranche durch eine geeignete  Bundesförderung von Umfrage- und Erhebungstools.

4. Gesundheit und Prävention

I. Entkriminalisierung von Clubbesuchern und -betreibern.

Polizeiliche Razzien sind nur als Ultima Ratio in Fällen anzuwenden, wo ein Dialogprozess zuvor offensichtlich fehlgeschlagen ist oder schwerwiegende Fälle, etwa von Bandenkriminalität o.ä., vorliegen.

II. Gesundheitsprävention im Nachtleben durch Fortführung des Schulungsprogramms „BEST“ des Bundesministeriums für Gesundheit und eine Integration in das Spektrum beruflicher Weiterbildung der Krankenkassen.

III. Unterstützung bei der Aufklärung über Wirkungsweisen und Konsumrisiken von psychoaktivenSubtanzen.

IV. Legalisierung des „mobilen Drugchecking“ in Zusammenhang mit permanenten oder temporären Spielstätten und Eventflächen.

Die Antworten im Detail zeigen vor allem eines: die Musikclubs haben noch einen langen Weg vor sich, um ernst genommen zu werden.

Weiterführender Link: livemusikkommission.de

Antworten der Parteien (Kurzfassung): Antworten der Parteien

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