Meine Lieben, schnallt euch an! Ich gebe zu, diese Woche schlägt mein Herz ein bisschen schneller. Nicht vor Aufregung, sondern vor einem ganz bestimmten Grusel, der sich wie Nebel über unser geliebtes Harburg legt.
Die Meldung, die ich aus den Zeitungen habe, klingt wie aus einem alten Märchenbuch: Der Wolf ist zurück!
Ich habe die Berichte über den mutmaßlichen Angriff in Marmstorf gelesen. Zwei Schafe, auf einer Weide in Lürade, gerissen in der Dunkelheit der Nacht. Ein Bild, das sofort die inneren Alarmglocken läuten lässt. Ich sehe es schon vor mir: Der alte Schäfer, der am Morgen seine Weide betritt und nur noch Spuren der Verwüstung findet. Die Stille, die nach dem Sturm kommt, ist die lauteste.
Wir lachen ja gerne über unsere „Berge“ und die ländlichen Ecken von Harburg. Aber jetzt, wo der Wolf, Isegrim, wie ihn die Märchen nennen, zurück ist, wird die Sache plötzlich bitterernst. Die Tiere, die auf der Weide stehen, sind keine Märchenfiguren, sondern Lebewesen, die das Vertrauen in die Nacht verloren haben.
Und das, was mich wirklich nicht loslässt, ist die unheimliche Botschaft der Tierärztin: Der Angriff fand direkt neben einer Scheune statt. Keine Spur von Scheu vor Menschen. Ich frage mich, was das zu bedeuten hat? War es nur ein Jäger auf der Suche nach Nahrung, oder steckt da mehr dahinter? Ein Wolf, der das Dunkle sucht, um uns, die Städter, daran zu erinnern, dass die Natur immer noch ihre eigenen Regeln hat? Das ist wie in einem gruseligen Märchen, in dem der Böse Wolf nicht mehr im Wald wohnt, sondern gleich nebenan.
Die Behörden wollen jetzt einen DNA-Test machen, um ganz sicher zu gehen. Ich hoffe, das Ergebnis kommt schnell. Aber egal, was da am Ende rauskommt – das Gefühl ist da. Das Gefühl von etwas Unheimlichem, das uns näher ist, als wir dachten. Es ist ein Märchen für Erwachsene, das uns wachrüttelt und daran erinnert, dass die Welt nicht immer so ist, wie wir sie uns in unseren schönen Städten ausmalen.
Ich werde jedenfalls in den nächsten Nächten das Fenster geschlossen halten und die Augen offen. Wer weiß, welche Geister der Vergangenheit in Harburg noch so umherstreifen. Und an die Schäfer in Marmstorf: Ich denke an euch! Haltet eure Schafe fest und lasst uns alle hoffen, dass der Wolf bald wieder in seinen Märchenwald zurückkehrt.
