Beim diesjährigen „offenen Atelier“ in Harburg werden Kinderträume sichtbar

Die Faszination der ständigen Auseinandersetzung

Auch er wird beim "offenen Atelier" zugegen sein: Kater Heinrich. (Foto: AdV/Stenzel)

Am Wochenende gibt es im „Offenen Atelier“ der Künstlergruppe de Vries und Stenzel in Harburg wieder vieles zu entdecken. Wir haben schon mal vorab die Spur aufgenommen …

Am kommenden Wochenende (17./18. Juni) findet auch dieses Jahr das „offene Atelier“ des  Künstlerpaares Anke de Vries und Theo Stenzel in der Harburger Dempwolffstraße statt. Diesjähriges Thema: “Von Kinderträumen verborgen in Bäumen“. Zu sehen sind Arbeiten der Künstler Anke de Vries, Hendrik Doose, Werner Conradi und Theo Stenzel. Sie sind selbst auch vor Ort und erklären ihre Arbeiten und Arbeitsweisen. Ein immer wieder guter Anlass, sich mit der Kunst und ihren Akteuren intensiver zu befassen. Und wir haben mal vorab nachgefragt …

Tiefgang (TG): Anke und Theo, seit Jahren öffnet Ihr einmal jährlich Eure Atelier-Räume, um Eure Arbeiten aber auch Euer Arbeitsumfeld öffentlich zugänglich zu machen. Wie lange gibt es Euer Atelier in der Dempwolffstraße und wie lange macht Ihr das?

Anke de Vries: Das Atelier wurde 1996 mit Unterstützung vieler Freunde und mit einem plötzlich aufwallenden Wohlwollen der Kulturbehörde in Form einer finanziellen Förderung fertig gestellt und gleich darauf für das Publikum geöffnet. Schon während der Bauzeit wurden die Besucher zur Besichtigung an die Baugrube geführt, wo ihnen in den herrlichsten Farben ausgemalt wurde, wie das Atelier eines fernen Tages aussehen würde.

TG: Welche Schwerpunkte hast Du, Anke, Du Theo und Hendrik Doose?

de Vries: Als diesjähriger Gast hat sich Hendrik Doose ganz der Fotografie verschrieben. Für ihn sind die Wahrnehmung und die Wiedergabe des Alltäglichen bis hin zum Außergewöhnlichen sein persönliches Anliegen.

Theo Stenzel hat sich zusammen mit Werner Conradi auf die Präsentation von Kupfertiefdruck konzentriert. Vorlagen sind teils Fotografien und teils Zeichnungen, die in einem Heliogravür-Verfahren vervielfältigt werden.

Theo Stenzel: Anke de Vries stellt sich wie immer in ihrer ganzen Vielfältigkeit vor. Über Außenmontagen und -installationen führt sie ihre Besucher im Atelier hin zur Malerei.

TG: Gibt es einen thematischen Zusammenhang?

de Vries: Die Gemeinsamkeit von uns vier Künstlern lässt sich weniger in der Thematik finden als vielmehr in der Faszination, die sich aus der ständigen Auseinandersetzung mit künstlerischen Medien ergibt.

TG: Können Besucher die Werke auch erwerben?

Stenzel: Ja klar, sie können, dürfen und sollen. In diesem Jahr wird erstmals ein Wettbewerb veranstaltet. Der Gewinn besteht aus einer kostenlosen Arbeit der eigenen Wahl von Anke de Vries.

TG: Seid Ihr auch beim jährlichen Kulturtag in Harburg zu sehen?

de Vries: Ja, wir werden daran als „KOBALT Kunst international“ teilnehmen, Voraussichtlich werden sich Sabine Schnell, Theo Stenzel, Anke de Vries und als Gast Werner Conradi beteiligen.

TG: Gemeinhin wird von Künstler*innen beklagt, dass die Arbeitsbedingungen schlecht sind? Wie stellt sich Euch die Situation?

de Vries: Seit Jahren wird darüber diskutiert, dass es notwendig ist, Künstlern ein Ausstellungshonorar zu zahlen. Dabei ist zu bedenken, dass es einen künstlerischen Vorlauf gibt, während dem die Ausstellungsobjekte erarbeitet werden. Schon dieser Vorlauf erfolgt unbezahlt oder wenn Gelder fließen, dann nur als Projektförderung. Daher sollten Ausstellungsorte, die von der künstlerischen Arbeit profitieren, ein angemessenes Honorar vorsehen.

TG: Ihr seid in der glücklichen Situation, dass Ihr über eigene Räume zum kreativen Arbeiten verfügt? Wie ist die Situation generell?

de Vries: Die generelle Situation kann nicht schlechter sein. Es fehlt an bezahlbaren Räumen. In Eigeninitiative gelingt es Künstlergruppen manchmal, sich Arbeitsräume zu verschaffen. Meistens befinden sich diese Ateliers in aufgegebenen Fabriken, sind schlecht geheizt und vermodert. Natürlich werden auch andere, attraktivere Ateliers genutzt. Voraussetzung ist aber die Möglichkeit horrende Mieten zu zahlen.

TG: Ihr seid beide auch die führenden Köpfe des Vereins „Kobalt Kunst international“. Was macht die Vereinigung aus Eurer persönlichen Sicht aus und wie viele Kreative sind in ihr vereint?

de Vries: „Kobalt Kunst international“ ist ein Folgeverein von „Kobalt Frauen Kunst und Medien“, in dem ausschließlich Künstlerinnen Mitglied werden konnten. Mit der Umbenennung hat sich der Verein auch für künstlerisch tätige Männer geöffnet. Das bedauern wir nicht, sondern halten die Entscheidung nach dem Motto „eine Chance für Alle“ für ganz richtig. Zur Zeit setzt sich der Verein aus elf kreativ tätigen Menschen zusammen, die aus den Kunstsparten bildende Kunst, Musik und Wort kommen. Dadurch wird die spartenübergreifende Arbeit möglich, es werden gegenseitige Einblicke vermittelt und so das Verständnis innerhalb und außerhalb der eigentlichen Gruppe verstärkt.

TG: Wenn Ihr drei Wünsche an die Kunst-Fee frei hättet? Was würdet Ihr je einfordern?

de Vries: Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Okay, das erste Anliegen besteht in der Integration von Kunst und Kultur in den Alltag der Allgemeinheit, weil die tägliche Begegnung mit Kunst dazu beiträgt, sich seiner selbst zu vergewissern und sich einen andersartigen Einblick in Lebenssituationen zu verschaffen. Dann wäre es schön, wenn kulturelle und künstlerische Leistungen eine öffentliche Anerkennung erfahren würden. Und letztendlich sollte es möglich sein, von der künstlerischen Arbeit leben zu können, ohne dass daneben noch Brotjobs das Überleben absichern.

TG: Vielen Dank für die Einblicke und viel Erfolg!

Das „offene Atelier“ in der Dempwolffstraße 24, 21 073 Hamburg, ist am Samstag und Sonntag (17./18. Juni) von 13 bis 18h geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Weiterführende Links:

deVries-Stenzel.de

kobalt-kunst-international.de

(12. Jun. 2017, Das Interview für ´Tiefgang` führte Heiko Langanke)

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