Tomas Blum stellt bei der 5. SuedLese seinen Debüt-Roman vor:

„Es hat sich ausgetindert“

Tomas Blum zeigt im Interview mit Tiefgang Tiefgang. (Foto: Krystian Kolbe)

Dem Romanautor Tomas Blum wird Atmosphäre und Tiefgang bescheinigt. Er wollte zur 5. SuedLese nach Harburg kommen. Nun liest er aus dem Homeoffice. Wir haben hatten vorab mit ihm gesprochen…

Das schreckliche Ereignis in ihrer Jugendzeit liegt so weit zurück, als würde es nicht mehr zu ihnen gehören – so als hätte es nicht ihr Leben bis auf den heutigen Tag geprägt. Zufällig treffen sie einander Jahrzehnte später im Geschäftsleben wieder, inzwischen als Kollegin und Kollege, und das Kennenlernen gerät zum Spießrutenlauf der Erinnerung.

Tomas Blum erzählt in seinem Romandebüt die Geschichte einer Befreiung aus den Ketten von Karriere und Konsum, und er stellt die Frage, was von uns bleibt, wenn wir nur funktionieren. Wenn wir keinen Dialog mehr wollen, sondern schon immer alles besser wissen. Das klingt nach einer reifen Leistung.

In einer Buchbesprechung heißt es, es sei ein sehr atmosphärischer Roman mit Tiefgang, der unheimlich eindrucksvoll geschrieben ist und noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Wenn das kein Aufhänger für ein Interview mit Tiefgang ist!

Tiefgang (TG): Du lebst und arbeitest in Berlin. Was verschlägt dich zur SuedLese nach Harburg?

Tomas Blum: Christoph, der Marketing-Leiter vom Liesmich Verlag, hat den Draht gelegt. Der ist direkt an der Waterkant auf die Welt gekommen. Bei Tiefgang hat er bestimmt an mich gedacht. Ich liebe Tiefgang. Im Alltag ist vieles zu oberflächlich…

TG: Du hast Literatur studiert und auch als Autor und Ghostwriter Geld verdient, allerdings in Wirtschaft und Politik. Erst nach einem Unfall hast du dich wieder auf das literarische Schreiben besonnen. Bedeutet das, dieses Ereignis hat dich quasi zur Besinnung gebracht?

Tomas Blum:  Ja. Es gab noch ein weiteres Ereignis: der Tod eines Schulfreundes. Mir wurde dabei klar, dass man Entscheidungen für die Zukunft nicht erst in der Zukunft treffen sollte. Ich habe ja mit dem Schreiben nie aufgehört, es jedoch immer nur für die Schublade getan.

TG: Schreiben genießt einen sehr hohen Stellenwert in deinem Leben und gehört für dich zu deinen Lieblingsbeschäftigungen. Kannst du den Zustand beschreiben, in dem du dann bist?

Tomas Blum:  Das ist ein Zustand ganz großer Klarheit. Es ist so, als könnte ich nur noch die Wahrheit denken. Alles, was dann beim Denken passiert, ist richtig. Manche würden vielleicht das Bild verwenden, Schreiben sei wie eine Droge, aber Schreiben ist das Gegenteil. Es ist innere Klarheit und Offenheit.

TG: Es gibt eine Autorenhündin namens Yella. Welche Rolle spielt sie in deinem Schriftsteller-Dasein?

Tomas Blum:  Klingst erstmal wie so ein Internet-Katzen Ding, nur mit einer Hündin. Aber ehrlich: Yella rettet jeden Tag meinen Arsch, weil sie mich rausbringt aufs Land und in den Wald. Hunde sind so sensibel. Die wissen, wie es einem geht, bevor man es selbst weiß. Und meine Zeit mit ihr zu teilen, ist super inspirierend.

TG: Deinen eigenen Worten zufolge bewähren sich die Hauptfiguren in deinen Romanen und Stücken durch ihr Vertrauen, obwohl ihre Umgebung nicht vertrauenswürdig ist. Was ist damit gemeint?

 Tomas Blum: Das ist DAS Ding im Leben, glaube ich. Neulich diskutierte ich mit einem Freund den Satz Adornos, es gebe kein richtiges Leben im falschen. Aber das stimmt nicht. Man sollte, wo immer es geht, das richtige Leben anstreben. Es herstellen. Das bedeutet Vertrauen. Davon ausgehen, dass ich in der richtigen Zeit am rechten Ort bin und innerhalb meiner Möglichkeiten handeln kann.

TG: Du versuchst auch, die Grenzen unserer Einfühlung auszuloten. Herrscht deiner Meinung nach ein Mangel an Empathie? Und wenn ja, was steht der im Weg?

Tomas Blum: Es herrscht in vielen Bereichen ein Mangel an Empathie, weil unsere an Leistung gemessenen Erfolge uns hochnäsig machen. An der Schule lernen wir, dass man theoretisch alles lernen kann. Das ist ein großer Irrtum. Wenn man glaubt, alles potentiell kennen und beurteilen zu können, dann wird man zum Zyniker. Das ist mit das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Und das steht der Empathie im Weg. Wir können uns selbst und einander nicht durch (Besser)wissen erleben, sondern durch Aufmerksamkeit, durch Offenheit, durch Konzentration.

TG: Wenn es in deinem Roman um den Mut zur Wahrhaftigkeit geht, darf man auf ein Happy End hoffen, oder?

Tomas Blum: Ab-so-lut! Schwarzseherei macht denkfaul, wenn man sich vorstellt, wie etwas kollabiert oder den Bach runtergeht. Ich will für mich und meine Leser das Gegenteil. Das wünsche ich mir jedenfalls. Ich möchte zeigen, wie man sich selbst aufrichten kann. Deshalb findet ihr in den Buchklappen meines Romans zwei handschriftliche Notizen. Am Anfang: „Bleib dort wo du bist.“ Das ist der Ausgangszustand meines „Helden“. Er ist resignativ. In der Buchklappe am Ende steht: „Ich wachse.“ Und darum geht es!

Tiefgang bedankt sich für Tiefgang bei Tomas Blum!

Tomas Blum: Auch ich bedanke mich. Ich freue mich schon auf die Lesung bei euch!

(das Interview für ´Tiefgang` führte Sonja Alphonso)

Online-Termin: Am Sa., 04. Apr., Tomas Blum – „Wofür wie uns schämen“, um 20 Uhr auf youtube:

statt im Elbdeich e. V., Moorburger Elbdeich 249, 21079 Hamburg

Zum Buchtrailer: 

Tomas Blum – „Wofür wie uns schämen“, erschienen im Liesmich Verlag, Oktober 2019, 14,95 €, ISBN 978-3-945491-08-9

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