Rieke Patwardhan ist Kinderbuchautorin, die sich selbst nicht so bezeichnen würde. Auch plumpe Pädagogik ist nicht die ihre. Lieber Bücher, die man auf Bäumen liest. Bei der 3. SuedLese geht es also hoch hinaus …
Rieke Patwardhan schrieb mal über sich selbst, sie habe ihre Kindheit damit verbracht, auf Bäume zu klettern und dort alle Bücher zu lesen, die sie ihren großen Schwestern entwenden konnte. „Nach einer Buchhändlerlehre, dem Studium stetig wechselnder Geisteswissenschaften und einem Abschluss als Diplompsychologin lebe ich heute mit meiner Familie in Hamburg und schreibe Geschichten, die nun andere Kinder auf Bäumen lesen können.“ Das wollten wir mal genauer wissen und haben nachgefragt …
Tiefgang (TG): Ich habe zwar nie auf Bäumen gelesen, aber das Bild gefällt mir trotzdem sehr gut. Es veranschaulicht, dass man sich als Leser so in eine Geschichte vertiefen kann, dass man alles um sich herum vergessen kann. Was hat dich dazu bewogen, Kinderbuchautorin zu werden? Spielt eine Rolle, dass Kinder einen besonderen Zugang zu Fantasie haben und begeisterungsfähig sind?
Rieke Patwardhan: Meine Bücher laufen zwar ganz klar unter Kinderbuch, trotzdem sehe ich mich gar nicht so sehr als Kinderbuchautorin. Ich möchte gern Geschichten erzählen, die sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern verstanden und nachgefühlt werden können.
Die ersten Kindergeschichten geschrieben habe ich eigentlich, um mich besser in die Gefühlswelt meiner Kinder hineinversetzen zu können – und dann hat es sich irgendwann verselbständigt.
TG: Die Namensgebung deiner Figuren Fräulein Schmalzbrot und Billie Ballonfahrer finde ich lustig. Wie kamst du darauf?
Rieke Patwardhan: Nicht ganz die gleichen Namen, aber doch recht verwandte, sind einfach aus mir „heraus geblubbert“, als meine eigenen Töchter klein waren.
TG: Worum geht es in der Geschichte „Fräulein Schmalzbrot und Billie Ballonfahrer bekommen Besuch“?
Rieke Patwardhan: Fräulein Schmalzbrot und Billie Ballonfahrer sind zwei von Alter und Temperament her recht unterschiedliche Schwestern, die sich miteinander und mit den (aus ihrer Sicht) manchmal recht anstrengenden Ideen der Erwachsenen herumplagen. In diesem Band kommt ihr Opa aus Indien zu Besuch. Er ist in vielerlei Hinsicht anders als erwartet und bringt ihr Leben etwas durcheinander.
TG: Du hast Geisteswissenschaften studiert und eine Abschluss als Diplom-Psychologin. Deine Bücher sind Vorlesegeschichten. Ich unterstelle mal, dass du es für wichtig erachtest, dass Erwachsene sich Zeit zum Vorlesen zu nehmen. Welchen Einfluss vermutest du auf die kindliche Entwicklung?
Rieke Patwardhan: Vorlesezeit ist geteilte Zeit von Eltern und Kindern, Zeit in der das Kind idealerweise das Gefühl vermittelt bekommt „es ist gerade richtig schön, mit dir zusammen zu sein“ und so das Gefühl hat, ein wertvoller Mensch zu sein. Aus diesem Grund ist es ja so wichtig, dass Vorlesegeschichten auch den Eltern Spaß machen. Wie soll sich dieses Gefühl von „es ist gerade schön für mich mit dir“ vermitteln, wenn Eltern zum x-ten Mal ein Buch vorlesen, das sie zu Tode langweilt?!
TG: Welches waren die „Helden“ oder Hauptfiguren deiner Kindheit? In welcher Hinsicht fandest du sie vorbildlich?
Rieke Patwardhan: Oh weh… ich habe so unfassbar viel gelesen als Kind, dass das wirklich schwierig zu beantworten ist. Aber besonders in Erinnerung geblieben sind mir die „Wumme und Papa“-Bücher von Ernestine Koch, die leider nicht mehr lieferbar sind. An denen hat mir vor allem die pragmatische Art gefallen, mit der Wumme und Papa ihre Alltagsprobleme gelöst haben.
Und als etwas bekannteres Beispiel: Ich mochte Karlsson vom Dach, habe mich aber vor allem mit Lillebror identifiziert, der – genau wie ich – manchmal unter seinen sehr viel älteren Geschwistern zu leiden hatte und sich in seiner Familie wohl etwas einsam fühlte.
TG: Worin gehst du mehr auf – wenn du eine Idee für ein Buch hast, entwickelst und ausgestaltest oder wenn du es Kindern vorliest und die unmittelbare Reaktion erlebst?
Rieke Patwardhan: Ich brauche wohl beides. Die kreative Arbeit ist sicherlich etwas mehr mein Zuhause, damit verbringe ich ja auch viel mehr Zeit. Aber Schreiben ist ein immens einsames Geschäft, so dass ich den Kontakt zum Publikum bei Lesungen schon sehr genieße. Ich mag die oft spontanen Reaktionen der Kinder, und ihre Fragen überraschen mich immer wieder.
TG: Als gelernte Buchhändlerin hast du gewiss einen guten Überblick über den Markt. Was wünschst du dir an Lektüre für Kinder und Heranwachsende? Sollten interkulturelle Themen aus deiner Sicht eine größere Rolle spielen?
Rieke Patwardhan: Ich wünsche mir Bücher, die vor allem gute Geschichten erzählen und nicht allzu plump pädagogisch daher kommen. Insofern mag ich Interkulturalität weniger als „Thema“ denn als selbstverständliches, sichtbares Element in Büchern.
TG: Wie kam deine Kooperation mit der Illustratorin Nina Dullek zustande?
Rieke Patwardhan: Die Wahl der Illustratorin ist letztlich Verlagssache, aber sie hat in Absprache mit mir stattgefunden. Der Verlag hat mir mehrere Illustratoren vorgeschlagen und ich habe mich anhand ihres Portfolios für Nina Dulleck ausgesprochen.
TG: Sind weitere Bände geplant?
Rieke Patwardhan: Zur Zeit plane ich keine weiteren „Fräulein Schmalzbrot und Billie Ballonfahrer“-Bände, aber im Herbst wird ein Bilderbuch von mir erscheinen und im nächsten Frühjahr ein Kinderroman.
TG: Vielen lieben Dank für das Interview! Wir finden es großartig, dass die SuedLese auch für die kleinen Leser und Zuhörer etwas im Angebot hat.
Das Interview für ´Tiefgang` führte Sonja Alphonso.
Termin: So, 22. Apr. 2018, 16:00 – 17:00 Uhr Kinderlesung m. Paul Kernstock + Rieke Patwardhan
elbdeich e.V., Moorburger Elbdeich 249, 21079 HH
Der Eintritt ist frei – eine Hutspende aber erwünscht!
Rieke Patwardhan, Illustrationen von Nina Dulleck: Fräulein Schmalzbrot und Billie Ballonfahrer kriegen Besuch
ab 5 Jahren, 144 Seiten mit 15 farbigen Abbildungen, Knesebeck Verlag
ISBN 978-3-86873-977-0, 12,95 €
Fräulein Schmalzbrot und Billie Ballonfahrer sind aufgeregt – sie bekommen Besuch ! Endlich lernen sie ihren indischen Opa kennen. Doch so ganz einfach wird es nicht. Denn plötzlich will Papa nur noch »echt indisch« kochen, es wird richtig eng in der Wohnung, und so manches Abenteuer will…