Die absurde Abschiebung der Roma-Rappers Selami Prizreni

Integration: Trapped by Law

Es gibt viel Verständnis und Worte für Integration und Migration. Die Realität spricht aber ihre eigene Sprache. Die Abschiebung des in Deutschland geborenen Selami Prizreni zeigt einmal mehr, wie weit wir von unseren Ansprüchen entfernt sind.

Unser Innenminister redet von der deutschen Leitkultur, andere von Integration und Migration und die Realität ist eben doch weit entfernt. Nun wurde der in Deutschland geborene Selami Prizreni abgeschoben. Doch er ist nicht irgendwer und der Aufschrei ist groß.

2015 kam der Film „Trapped by Law“ („Gefangen im Gesetz“) heraus, in dem der Regisseur Sami Mustafa das Thema der albanischen und Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo vertieft. Jugendliche, die mehr Deutsche sind als Albaner. Sich zwar ihrer Wurzeln bewusst sind, aber ihre Identität in Deutschland finden. Einer von Ihnen ist Selami Prizreni, der auch gar keinen Hehl aus seiner zwiespältigen Situation machte und macht. Er begann Musik zu machen und war letztlich einer der Darsteller im preisgekrönten Film „Trapped by Law“, der 2015, inmitten der großen Flüchtlingsströme, für Aufsehen sorgte.

„Essen ist meine Heimat“

Im Film erklärt er seine Situation um 2010 zum Nachhören und –lesen: „Mit 17 oder 18 habe ich angefangen, Texte zu schreiben und meine eigene, kleine Welt zu erschaffen. Ich habe Sachen aufgeschrieben, meine Gedanken. Und mit 19 hatte ich bereits eine Crew, hab im Studio aufgenommen und so. Und dann wurde ich aus allem rausgerissen. Boom! Am 15. März 2010.“ Der Tag seiner ersten Abschiebung. Sami Mustafa fragt ihn auch direkt im Film:  „Wo ist Dein Zuhause?“ und Selami antwortet: „In Deutschland. Essen ist meine Heimatstadt. Dort habe ich mir mein Leben aufgebaut. Dort waren meine Freunde, meine Schule, die Mädchen, in die ich mich verliebt habe und der ganze Kram. All das ist in Essen passiert.“

Nun, sieben Jahre später, hat sich nichts geändert. Selami ist am 16. Mai 2017 abgeholt und abgeschoben worden.

Selami ist vielen unter dem Künstlernamen „Gipsy in Exile“ bekannt, macht mit seinem Bruder als Hip Hop-Gruppe K.A.G.E. Musik und setzt sich für die Rechte der Roma ein. Durch seine Hauptrolle im Dokumentarfilm „Trapped by Law“, in dem sein Schicksal und das seiner Brüder Hikemt und Kefaet dargestellt wird, wurde er weitaus bekannter. Die Familie Prizreni war in den 1990er Jahren während des Jugoslawienkriegs nach Deutschland geflohen, die Brüder sind in Essen aufgewachsen und zur Schule gegangen, wurden aber eben 2010 zum ersten Mal abgeschoben aus dem alleinigen Grund, dass sie Roma sind. Drei Jahre später prozessierte er noch im Kosovo erfolgreich gegen seine Abschiebung. Einen sicheren Aufenthaltstitel für Deutschland bekam er dennoch nicht. Er floh zurück in seine Heimat Deutschland.

Auf dem NSU-Tribunal in Köln sollte Selami Prizreni am Freitag im Hauptprogramm sowie auf einem Workshop mit dem Titel „Institutioneller und gesellschaftlicher Rassismus gegen Sinti & Roma und der Widerstand dagegen“ sprechen. Zudem war ein Auftritt seines Musik-Acts an der Abschluss-Parade am Sonntag in der Keupstraße geplant.

Just einen Tag bevor im Schauspiel Köln das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ beginnen sollte, zu dem er als Künstler der HipHop Gruppe K.A.G.E als Gast geladen war.

„Wir brauchen ihn hier, als Künstler“

Entsprechend groß ist der Aufschrei dieses Mal. Im Aufruf der am Tribunal beteiligten Theaterhäuser Schauspiel Köln, Akademie der Künste der Welt, Köln; Haus der Kulturen der Welt, Berlin und HAU (Hebbel am Ufer) in Berlin heißt es:

„Wir verurteilen die am 16.5. erfolgte Abschiebung von Selami Prizreni in den Kosovo aufs Schärfste! Selami Prizreni war als Teil der HipHop Gruppe K.A.G.E als Gast beim Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ eingeladen, das vom 17.-21.5. im Schauspiel Köln stattfindet. Das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ ist eine internationale, von vielen Seiten geförderte Veranstaltung, die sich mit den Versäumnissen von Politik und Sicherheitsbehörden im Kontext des NSU-Komplexes beschäftigt. Selami Prizreni sollte hier als Musiker und als Aktivist auftreten. Selami Prizreni ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, er wurde 2010 schon einmal aus Deutschland abgeschoben, wogegen er erfolgreich geklagt hat. Umso unverständlicher ist seine erneute Abschiebung. Wir nehmen die Abschiebung nicht hin, sondern fordern die sofortige Rückkehr Selami Prizrenis! Wir brauchen ihn hier, als Künstler, als Kollegen, als Kämpfer für die Rechte der Roma, als Freund!

Das Tribunal NSU-Komplex auflösen ist ein Projekt der Betroffenen des NSU-Terrors. Sie haben für diese öffentliche Auseinandersetzung Gäste eingeladen. Selami Prizreni ist einer von ihnen. Seine Abschiebung verhindert diese Auseinandersetzung. Wir fordern daher die Behörden des Bundes und des Landes NRW auf, die Rückkehr von Selami Prizreni noch heute zu ermöglichen.“

 

Und die Liste der Erstunterzeichner*innen ist lang und umfasst Namen wie Thomas Laue, Chefdramaturg des Schauspiel Köln, Ekaterina Degot, Künstlerische Leiterin Akademie der Künste der Welt, Köln; Bernd M. Scherer, Intendant Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Annemie Vanackere, Intendantin HAU Hebbel am Ufer, Berlin; Dr.in Johanna Schaffer, Professorin Kunsthochschule Kassel; Dr. Ulrike Klöppel, Institut für Europäische Ethnologie; Humboldt-Universität zu Berlin; Johannes Paul Raether, Professor Kunstakademie Düsseldorf und etliche mehr.

Auch das Roma-Center Göttingen fordert die umgehende Rückkehr von Selami Prizreni:
„Selami ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, seine Familie lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Sein gesamtes berufliches und privates Netzwerk ist in Deutschland. Seine Abschiebung betrachten wir als unrechtmäßig und unmenschlich.“

Die Online-Petition ist hier online zu finden.

Infos zum Film „Tapped by Law“ finden sich auf der website trappedbylaw
Zur Gruppe „K.A.G.E.: kisskissbankbank.com

Und Infos sowie ein Aufruf zum Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ finden sich online unter nsu-tribunal.de

(23. Mai 2017, hl)

 

 

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