Dass man Kunst liebe aber leider die Kassen gerade leer sind, das Argument kennt man. Nicht nur in Harburg. Eine Idee der Oberen aus Pinneberg aber schlägt dem Fass (wieder mal) den Boden aus.
Das Pinneberger Tageblatt hatte im Juli letzten Jahres im Grunde eine Vorwarnung abgedruckt:
„Der Vorschlag eines Bürgers ist wohl nett gemeint gewesen: Künstler sollen ihre Kunstwerke für den öffentlichen Raum in Pinneberg kostenlos zur Verfügung stellen. Klar, dass die Mitglieder des Kulturausschusses während ihrer jüngsten Sitzung die Idee großartig fanden. Pinnebergs Kassen sind klamm.“
Und so nett sich die Einladung anhören mag, so frech und dreist ist sie zugleich. Im Januar geht ernsthaft ein offizielles Schreiben des Stadtkämmerers Kai Perner an die Kunstvereinigung „feine menschen“ heraus. Dort ist zu lesen: „Die Einwohnerversammlung hat sich dafür ausgesprochen, mehr Kunst und Kultur in den öffentlichen Raum zu bringen.“ So ehrenhaft dies zu lesen ist, folgt dann aber: „Dieser Anregung möchte die Stadt gerne folgen, allerdings erlaubt es die finanzielle Lage nicht, Kunstwerke anzukaufen. Daher soll nun erkundet werden, ob auf anderem Weg die Möglichkeit besteht, das angestrebte Ziel zu erreichen, beispielsweise durch eine zeitweilige kostenlose Überlassung von Kunstwerken zur Aufstellung innerhalb und außerhalb des öffentlichen Straßenraums. Damit wird den Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit eröffnet, ihre Kunstwerke der Öffentlichkeit zu präsentieren und gleichzeitig zu einer Bereicherung der kulturellen Vielfalt der Stadt beizutragen.“
So weit kommt es eben, wenn man nur lange genug die ewige Mähr von leeren Kassen und gutem Willen gehört oder gebetet hat. „Ich ringe noch nach dem richtigen Adjektiv. Obszön kommt dabei aber in die engere Wahl, um diesen geplanten Aufruf richtig zu beschreiben“, sagt Karl-Heinz Boyke, Sachverständiger für Kunst im öffentlichen Raum des Bundesverbandes Bildender Künstler – Landesverband Schleswig Holstein. Zwar sei grundsätzlich zu begrüßen, wenn eine Stadt wie Pinneberg der Kultur einen höheren Stellenwert bieten will. Auch die Kunst im öffentlichen Raum hätte in dieser Stadt – und auch andernorts im Land – eine höhere Präsenz verdient, zumal sich mittlerweile neue Kunstströmungen etabliert haben. Aber das geht zu weit. „Bestimmt sollen diese Kreativen auch gleich die Kosten für die Aufstellung selbst tragen, schließlich könnte es ja eine Werbung für sie und ihr Werk sein. Warum nicht gleich noch eine Standgebühr kassieren?“, so Boyke.
„Kunst ist ein Beruf“
Auch die Pinneberger Lichtkünstlerin Gisela Meyer-Hahn sieht das so. „Das ist unmöglich. Das wäre so, als würde der Bäcker seine Brötchen morgens umsonst hergeben.“ Die Künstler lebten von dem, was sie machen. „Es ist ein Beruf“, so Meyer-Hahn.
„Das Land schmückt sich mit einer Kunsthochschule und anderen Lehreinrichtungen – doch für die Absolventen sind ganze Aufgabenfelder eingebrochen. Die meisten Kreativen müssen sich mit Nebenerwerben oder Jobs über Wasser halten“, sagt Boyke. Der Besuch eines Jobcenters sei dabei nicht selten. „Und nun sollen diese Künstler für Pinneberg ihre Kunst umsonst in den Raum stellen. Bestimmt sollen diese Kreativen auch gleich die Kosten für die Aufstellung selbst tragen, schließlich könnte es ja eine Werbung für sie und ihr Werk sein. Warum nicht gleich noch eine Standgebühr kassieren?“, so Boyke gallig.
Auch eine Künstlerin oder ein Künstler haben permanente Kosten, wie Atelier- beziehungsweise Werkstattmiete, und auch Werkzeuge, Material und Logistik wollen bezahlt werden, so der Sachverständige. Im Internet kursiere gerade eine humorige Analogie: Die Künstler könnten doch auch gern im Restaurant kostenfrei Steaks essen oder sich von C&A einkleiden lassen. Urlaubsflüge für umsonst – was für eine Utopie.
„Den Verantwortlichen in der Stadt Pinneberg kann man nur empfehlen, sich diesen ausbeuterischen Gedanken nicht zu eigen zu machen. Viel besser wäre doch zu begreifen, dass sich eine Investition in Kunst und Kultur durchaus rechnet.“ Nicht nur, dass die Gelder für ein Objekt großenteils in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen, auch das lokale Business profitiere von einem kulturellen Klima. In Pinneberg sei mit der Drostei oder der Kunstremise ein qualitätsvoller Anfang gemacht. „Jetzt nur nicht aufgeben. Kunst muss aber fair bezahlt werden.“
Pinnebergs Lichtkünstlerin Gisela Meyer-Hahn sieht das genauso. „Das ist unmöglich. Das wäre so, als würde der Bäcker seine Brötchen morgens umsonst hergeben.“ Die Künstler lebten von dem, was sie machen. „Es ist ein Beruf“, so Meyer-Hahn.
„Das geht gar nicht. Jeder Künstler ist ein kleines Unternehmen. Und jedes Unternehmen muss Umsatz machen“, sagt Künstlerin Marion Inge Otto-Quoos alias Mioq. Kunst könne man nicht für lau in die Landschaft stellen.
Boyke hat nun einen Brief an die Stadt Pinneberg geschrieben, der uns vorliegt. Man darf hoffe, die Stadt Pinneberg liest ihn und beherzigt einige der inhaltichen Empfehlungen.
Weiterführend auch ein Artikel des Hamburger Abendblattes: abendblatt.de