Internationale Wochen gegen Rassismus starten in Neugraben:

Zusammenleben in Vielfalt

Kinder-Kunst gegen Rassismus und Diskriminierung (Foto: U. Hinrichs)

+++++ DIE AUSSTELLUNG IST ZU SEHEN ++++

Eine Gruppe Kinder hat sich künstlerisch mit dem Thema „Rassismus“ beschäftigt. Und nicht bei den Kleinen wurden Fragen aufgeworfen.

Von Ulrike Hinrichs

Vom 14.3. bis 28.3.2020 finden in Süderelbe die internationalen Wochen gegen Rassismus statt. (siehe auch ´Tiefgang` von heute: Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit) Zwei Wochen lang gibt es Lesungen, Workshops, Austausch und Konzerte. Die von mir geleitete Gruppe „Kreativer Begegnungsraum für Kinder“, die sich regelmäßig im Kulturhaus Süderelbe trifft, hat sich mit dem Thema Rassismus künstlerisch beschäftigt. Der kreative Begegnungsraum bietet Kindern einen Rahmen zum künstlerischen Schaffen. Es geht um Kunst als Ausdrucksform.

Im Fokus steht die Freude am Malen, Zeichnen und Gestalten. Zielgruppe sind Kinder in schwierigen Lebenssituationen. Die Antwort auf meine Einstiegsfrage zum Kunstprojekt, ob die Kinder mit dem Wort „Rassismus“ etwas anfangen könnten, überraschte mich zunächst. Denn die überwiegend Zehnjährigen verneinten dies. Die Älteren kannten den Begriff, hatten aber bisher keine rassistischen Erfahrungen gemacht. Ich versuchte es mit dem Titel des Harburger Leitbildes „Zusammenleben in Vielfalt“. Auch Vielfalt war für die meisten Kinder mit sehr unterschiedlichen familiären Wurzeln ein erklärungsbedürftiges Wort. Was für ein schönes Signal, dachte ich mir. Wir wollen uns künstlerisch gegen Rassismus wenden und Vielfalt begrüßen und meine Gruppe weiß gar nicht, was das bedeutet. Wann also beginnt die Trennung in den Köpfen der Menschen? Und wie können wir dem rechtzeitig begegnen? Um uns dem künstlerischen Projekt anzunähern, haben wir daher zunächst Selbstportraits gemalt.

Wer bin ich, wer bist du? Portraitieren hat immer etwas mit dem Erforschen des eigenen Ichs und des Gegenübers zu tun (siehe auch „Kunst gibt mir Freiheit“). Dabei ging es nicht um ein perfektes Abbild der Realität, sondern um einen individuellen Ausdruck, der Eindruck macht. Perfektionismus, Vergleiche und Bewertungen aus der künstlerischen Arbeit rauszuhalten, ist auch schon bei den Kleinen eine äußerst schwierige Angelegenheit. Früh lernen Kinder sich in ein Bewertungssystem von „sehr gut bis schlecht“ einzuordnen. Und vielleicht beginnt schon hier im Kern die Kategorisierung nicht nur nach Leistung, sondern auch von Menschen. Mein Vorschlag mit den Fingern zu malen, um gerade das Perfekte zu minimieren (dazu auch „Perfektionismus ist der Todfeind der Intuition“), wurde zunächst misstrauisch abgelehnt, später begeistert übernommen. Nach der ersten Sorge sich schmutzig zu machen, wurden die Finger im Kittel abgewischt. Auch die Idee uns nicht an die Realität zu halten und die Haare ebenso grün oder pink werden zu lassen, weil uns gerade danach ist, wurde mit Freude angenommen. Nach Fertigstellung der Portraits haben wir unseren künstlerischen Doppelgänger mit viel Wertschätzung angeschaut und mit einer Anschlussaufgabe die Selbst- und Fremdbetrachtung nochmals auf eine metaphorische Ebene transformiert. „Wenn du ein Tier wärest, welches wärest du dann?“ Durch diesen kreativen Auftrag wurden die Kinder noch freier in der Gestaltung. Imen beispielsweise sah sich als einen Stier mit rosa Gesicht, Malcelina verwandelte sich in einen Fuchs, nicht nur Emely wurde zu einer Katze und ich mutierte zu einem dicken rosa Elefanten. Kinder können solche metaphorischen, die Fantasie fordernden Fragen ganz selbstverständlich beantworten. Wenn ich dieselbe Frage in meiner Kreativgruppe für Senioren (siehe „Zusammen sind wir Wald“) stelle, lautet die Antwort auf so eine Frage zunächst einmal „das weiß ich nicht.“ Wann und wo also verlieren wir auf dem Weg durch die Kindheit zum Erwachsenwerden die Unvoreingenommenheit, Neugier und Offenheit? Wann und warum fangen wir an von Bio-Deutschen und Migrationshintergrund zu sprechen? Die Kunst kann hier eine Brücke bauen. Absichtsloses Spielen, Zusammensein ohne Leistungsanspruch und bewertungsfreies künstlerisches Schaffen sind ein Weg Unvoreingenommenheit und Vielfalt zu unterstützen. Weniger Leistung, mehr Sein, Fehler machen und anders sein dürfen. Das wäre doch mal ein kleiner Anfang.

Ausstellung „Zusammenleben in Vielfalt“ 14.3. bis 28.2.2020: JoLa | Am Johannisland 2 | 21147 Hamburg. Mitgemacht haben Ceylin, Emely, Fiona, Imen, Jack, Lena, Malcelina, Sophia und Zeinab. Die Kinder sind zwischen 10 und 16 Jahren alt. Infos zur Gruppe: www.kulturhaus-suederelbe.de und www.lösungskunst.com. Das Projekt „Kreativer Begegnungsraum für Kinder“ wird durchgeführt von Ulrike Hinrichs in Kooperation mit dem Kulturhaus Süderelbe e.v. , gefördert durch: ›FREIRÄUME!‹ Initiative für kulturelle Integrationsprojekte

 

 

Related Post

Druckansicht