Künstlerin Yvette Kießling lädt zum dialogischen Rundgang

Deutsche und tansanische Perspektiven auf eine koloniale Sammlung

Yvette Kießling malt in Amani Foto: © Museen Stade 2023)

Im Herzen von Stade entfaltet sich derzeit eine Ausstellung, die tief in die Verflechtungen von Kolonialgeschichte, kultureller Aneignung und Forschung eintaucht: „AMANI kukita | kung’oa“.

Diese Schau, die noch bis zum 9. Juni 2025 im Schwedenspeicher und Kunsthaus zu sehen ist, präsentiert die Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsprojekts, das in Zusammenarbeit mit dem tansanischen National Institute for Medical Research (NIMR) durchgeführt wurde.

Im Fokus der Ausstellung stehen etwa sechshundert Kulturgüter aus Tansania, die seit über 100 Jahren in Stade lagern. Die zentrale Frage, die sich den Besucher*innen stellt: Warum blieben sie so lange unbeachtet, und wie kamen sie überhaupt nach Stade?

Die Recherche führt zurück zum Botaniker Karl Braun (1870–1935), der die tansanischen Kulturgüter während seiner Tätigkeit für das Kaiserlich Biologisch-Landwirtschaftliche Institut Amani in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ aneignete. Ab 1921 leitete Braun die Zweigstelle Stade der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Kurz vor seinem Tod übergab er seine Sammlung der Stadt Stade.

Installation „Mbuzi“ – Yvette Kießling (Kunsthaus Stade © Museen Stade 2025, Photo: Carsten Dammann)

Die Ausstellung „AMANI kukita | kung’oa“ präsentiert nicht nur die Forschungsergebnisse, sondern reflektiert auch kritisch die Forschungspraxis selbst. Werkzeuge, Instrumente, Textilien sowie Fotografien, Karten und Dokumente erzählen von kolonialer Besetzung, Ausbeutung und kultureller Aneignung.

Künstlerische Arbeiten von Valerie Asiimwe Amani, Rehema Chachage und Yvette Kießling eröffnen dabei neue Perspektiven auf die komplexen Verflechtungen der deutschen Kolonialgeschichte.

Besonders hervorzuheben ist die Künstlerin Yvette Kießling, deren Schaffen dem „Tiefgang“-Lesepublikum nicht unbekannt sein dürfte. Kießling, die einst als „Künstlerin zu Gast in Harburg“ wirkte, hat sich intensiv mit dem Thema Landschaft auseinandergesetzt. „Seit vielen Jahren beschäftige ich mich ausschließlich mit dem Thema Landschaft,“ verriet sie in einem früheren Interview (Tiefgang, 7. Okt. 2017: „Flüsse sind identitätsbestimmend“) mit diesem Magazin. „Im speziellen mit dem Thema Fluss.“ Für „AMANI kukita | kung’oa“ hat sich Kießling dem Ort Amani im tansanischen Usambara Gebirge gewidmet. Sie malt stundenlang en plein air, um die Landschaft unmittelbar zu erfahren und zu verstehen. Dabei interessiert sie sich nicht nur für die äußere Erscheinung, sondern auch für die „kolonialen Migrationsgeschichten der Pflanzen“, die in Amani ein Eigenleben entwickelten.

Die Finissage der Ausstellung am Montag, den 9. Juni 2025, bietet eine besondere Gelegenheit, tiefer in diese Thematik einzutauchen. Yvette Kießling wird gemeinsam mit der Kuratorin Lea Steinkampf durch das Kunsthaus führen und von der dreijährigen Zusammenarbeit mit den Museen Stade und dem National Institute for Medical Research berichten.

„Ein dialogischer Rundgang zwischen Wissenschaft und Kunst“ erwartet die Besucher*innen, so die Ankündigung. Ein Ansatz, der Kießlings Arbeitsweise widerspiegelt, die Malerei und Reflexion stets miteinander verbindet. „Die verschiedenen Wege und Möglichkeiten, die aus dem Arbeiten im Wechselspiel Malerei – Grafik erwachsen, sind für mich sehr wichtig und fruchtbar,“ erklärte sie einst im „Tiefgang“-Interview.

„AMANI kukita | kung’oa“ ist eine Ausstellung, die zum Nachdenken anregt, die Perspektiven erweitert und die komplexen Beziehungen zwischen Deutschland und Tansania aufzeigt. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Debatte über Kolonialgeschichte und kulturelles Erbe.

AMANI kukita | kung’oa | FINISSAGE MIT YVETTE KIESSLING
Montag, 9. Juni 2025 | 16:00–18:00 Uhr | Kunsthaus Stade, Wasser West 7 | 21682 Stade

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