Wegschauen oder hin? Die Frage stellte sich beim leerstehenden Karstadt-Kaufhaus in Harburg. Nun wurde das Ergebnis präsentiert.Harburg Marketing setzte passend zum Herbst ein kreatives Zeichen: Während in dem ehemaligen Karstadt-Gebäude die Vorbereitungen für eine neue Nutzung auf Hochtouren laufen, erstrahlen 43 künstlerisch gestaltete Schaufenster im Zentrum der Harburger City. Die farbenfrohen Blickfänge kaschieren nicht nur den temporären Leerstand, sondern laden vor allem zum Flanieren und Entdecken ein. Die Harburger Schaufenstergalerie: Eine Hommage an Harburgs Geschichte und Zukunft Die Harburger Schaufenstergalerie erzählt Geschichten über die Vergangenheit, stellt Projekte der Gegenwart dar und lässt die innovative Zukunft Harburgs erahnen.
Sie fungiert als Wegweiser für Bürger*innen, Besucher*innen und Tourist*innen, die den Bezirk (neu) erleben möchten. Die Motive sind so platziert, dass sie die Orientierung im Stadtgebiet unterstützen, beispielsweise führen Hafenmotive in den Norden, während Rathaus, Museum und Sammlung Falckenberg Richtung Innenstadt weisen. Mit beeindruckenden Bannern, die teils bis zu 6 x 2,50 Meter groß sind, werden insgesamt 25 Themen präsentiert. Diese reichen von bekannten Wahrzeichen wie dem Harburger Bahnhof, der Lüneburger Straße, dem Wochenmarkt am Sand, dem Binnenhafen und den Harburger Rathäusern – die im Laufe der Zeit an drei verschiedenen Standorten standen – bis hin zu Geheimtipps wie dem Kunstpfad und dem Audio Walk „Hamburg can dance“. Auch Transformationen von Gebäuden und Plätzen werden beleuchtet, darunter die ehemalige Gummiwarenfabrikhalle, die heute die Kunstsammlung Falckenberg beherbergt oder der ehemalige Wartesaal des Bahnhofs, der inzwischen als Kunstverein dient. Alle Beteiligten dieses Projektes kommen aus Harburg, was die lokale Verankerung zusätzlich unterstreicht. Während die Grafik und inhaltliche Gestaltung von Sabine Schnell (reflexblue) umgesetzt wurden, hat der Hamburger Stadtmaler Ralf Schwinge zahlreiche Illustrationen beigetragen. Die Montage wurde von Michael Rusch (McCon Werbetechnik) übernommen.
Die feierliche Eröffnung fand am 25. Oktober statt. Rund 70 Gäste aus verschiedenen Branchen nahmen an der Veranstaltung teil und lauschten den Reden der Vertreter*innen Dr. Andreas Dressel (Finanzsenator), Dr. Ralf Grote (Vorstandsvorsitzender des Harburg Marketing e.V.), Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss (Vorstand des Harburg Marketing e.V., Direktor des Archäologischen Museums Hamburg) sowie Dr. Anke Jobmann (Sozialdezernentin) und Antonia Marmon (Geschäftsführerin des Harburg Marketing e.V.). Dr. Dressel hob erneut hervor, dass das ehemalige Karstadt-Gebäude als Filetstück der Harburger Innenstadt gilt und der Kauf deshalb eine weitsichtige Entscheidung war. Die Schaufenstergalerie unterstreiche zudem eindrucksvoll, dass es nun mit großen Schritten vorangeht. Bis eine dauerhafte Lösung für die Nutzung des Gebäudes gefunden ist, bleibt die einzigartige Schaufenstergalerie ein lebendiger Beitrag zur Verschönerung der Harburger Innenstadt. Das Projekt wurde vom Harburg Marketing e.V. realisiert und finanziell maßgeblich vom Bezirksamt Harburg unterstützt.
Citymanagerin Antonia Marmon: „Mit der Schaufenstergalerie beleben wir den Leerstand sichtbar und verwandeln das ehemalige Kaufhaus in einen lebendigen Teil der Stadt. Sie zeigt nicht nur die Geschichte Harburgs, sondern regt auch dazu an, über den ständigen Wandel unserer Stadt nachzudenken. Unser besonderer Dank gilt den kreativen Köpfen, den engagierten Geldgebern und allen, die an der Umsetzung dieses Projekts beteiligt waren.“
Sabine Schnell: „Die grafische Idee war die Transformation von Gebäuden in Harburg aufzuzeigen. Harburg verfügt über zahlreiche Gebäude, die zum Zeitpunkt der Erbauung eine gänzlich andere Funktion innehatten als heute. Diese Transformationen von ursprünglicher Nutzung zur heutigen optisch darzustellen, kann inhaltlich Impulse zu einer nötigen und fortwährenden Diskussion über die Gestaltung von Innenstädten geben. Es macht gegenwärtig, dass Transformationen immer schon stattfanden und häufig die spätere oder aktuelle Nutzung denkbar weit entfernt von naheliegenden Ideen sein kann. Die optische Darstellung sollte sich ins Gesamtbild eines lebendigen Einkaufszentrums einfügen. Zugleich geht es darum eine Geschichte des Wandels bildhaft zu erzählen.“
Der Hamburger Stadtmaler Ralf Schwinge: „Es war eine besondere Freude, Teil dieses Projekts zu sein und Harburgs Geschichte künstlerisch zu beleben. Die Schaufenstergalerie zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich unser Stadtbild im Laufe der Jahre gewandelt hat und welche Potenziale für die Zukunft in diesem Wandel stecken. Kunst kann Menschen verbinden und Orte neu definieren – und genau das sehen wir hier in Harburg!“
Sozialdezernentin, Dr. Anke Jobmann: „Das ehemalige Karstadt-Gebäude spielt eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung der Harburger Innenstadt. Dieser Ort wird zu einem Symbol für den Wandel unseres Bezirks. Die Schaufenstergalerie zeigt nicht nur die Transformation unseres Bezirks, sondern lädt auch ein, aktiv über unsere Geschichte und die Möglichkeiten der Zukunft nachzudenken. Gemeinsam können wir etwas Neues und Inspirierendes schaffen, das unsere Vielfalt und die Geschichte unserer Harburger Stadtgesellschaft widerspiegelt.“
Zm Konzept
Die Grundidee, lokalen Institutionen je ein Schaufenster zur eigenen Gestaltung und eigenen Sichtbarmachung anhand zu geben, hat zwar einen interaktiven harme des gemeinsamen Wirkens, kann aber durch eben ihre Unterschiedlichkeit bei der Anzahl und Größe der Fensterfassaden schnell unruhig, unbeholfen und
schlimmstenfalls störend in einer sonst von eher klassischen Werbeformaten geprägten Einkaufsstraße wirken.
Und so stellt sich generell die Frage: soll eine Folierung allein Leerstand kaschieren, in dem man über die Großflächen hinwegschaut? Oder kann eine Folierung die Funktion des Schau-Fensters auch durch andere als Warenwerbung erfüllen? Also Hin-Schauen statt Weg- oder Über-Schauen. Bei der Größe und Menge an Schau-Fenstern sprach vieles für Hin- statt Weg-Schauen. Zugleich stellt der hiesige Leerstand des Gebäudes natürlich auch stadtplanerische Fragen. Abriss, Umnutzung
zu Wohnungen (ohne die für Ladenzeilen wichtigen ebenerdigen Schau-Fenster) oder welche gänzlich anderen Nutzungen sind abseits eines Kaufhauses denkbar? Ein Gebäude und ein ganzes Einkaufszentrum also im Prozess der Transformation. Das braucht Diskussion, Impulse und Ideen.
Am Anfang stand also die Frage, wie die leeren Schaufenster zu einem lebendigen Teil der Stadt werden können. In zahlreichen Brainstormings entwickelten die Grfaikerin Sabine Schnell mit der Agentur Kulturspinnerei verschiedene Ideen, bis schließlich die Idee einer historischen Zeitreise durch Harburg geboren war. „Der Arbeitstitel „Schau-Fenster der Geschichte“ schien uns hier passend“, so Sabine Schnell.
Die Idee war die Transformation von Gebäuden in Harburg aufzuzeigen. Harburg verfügt über zahlreiche Gebäude, die zum Zeitpunkt der Erbauung eine gänzlich andere Funktion innehatten als heute. Die TU Hamburg nutzt eine alte Pionierkaserne, die Kunstsammlung Harald Falckenberg eine alte Gummifabrik, ein altes Handelskontor oder eine alte Fischhalle sind zu Kulturorten geworden. Diese Transformationen von ursprünglicher Nutzung zur heutigen optisch darzustellen, kann inhaltlich Impulse zu einer nötigen und fortwährenden Diskussion über die Gestaltung von Innenstädten geben. Es macht gegenwärtig, dass Transformationen immer schon stattfanden und häufig die spätere oder aktuelle Nutzung denkbar weit entfernt von naheliegenden Ideen sein kann.
Man kann also die Schau-Fenster nutzen, um
a) die Geschichte von Transformationen Harburgs darzustellen
b) die Anregungen können zugleich Impulse zu Ideen der konkreten Neunutzung des Kaufhaus-Gebäudes geben,
c) regen Diskussion unter Passant*innen und Einwohner*innen an und
d) eben bestenfalls den Weg zu einem sogenannten stadtplanerischen „Third Place“ als Gegenpol zu Arbeits- und Wohn-Gegend: ein frequentierter Ort des Treffens, der Bildung und Kultur und des Gemeinsamen als belebender Ort.
Kurzum: Hin- statt Weg- Gucken. Arbeitstitel: Schau-Fenster der Geschichte Harburgs!
Fragen der Umsetzung
Die optische Darstellung sollte sich ins Gesamtbild eines lebendigen Einkaufszentrums einfügen. Zugleich geht es darum eine Geschichte des Wandels bildhaft zu erzählen. Die Betrachtenden werden unmittelbar mit den Bildern konfrontiert. Vorkenntnisse aber auch textliche Erläuterungen sollten also weitestgehend vermieden werden um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen. Die Frage ist die einer bildlichen Ästhetik, die zur Betrachtung einlädt und nicht einfordert.
Rein grafisch steht den konzeptionellen Ideen nun die Frage nach der Qualität der einzusetzenden Bilder: 4×2,5m setzt eine enorm hohe Auflösung der Bilder voraus, die insbesondere bei historischen Motiven die Auswahl reduziert. Eine weitere Einschränkung in der Motivwahl spielt die Ästhetik: erkennt man das Gebäude? Spricht es an und ist es motivisch zentral oder Beiwerk eines eigentlich anderen Fotomotivs? Um so näher die Gebäude zum Standort des leeren Kaufhauses liegen, umso besser, da auch Menschen ohne Ortskenntnis am ehesten einen Déjavu-Effekt haben können.
Die Auswahl der Motive war eine spannende Herausforderung. „Wir haben uns für Gebäude entschieden, die einen besonderen Stellenwert in der Geschichte Harburgs haben und gleichzeitig einen Bezug zur heutigen Stadt bieten. Bei der Recherche in historischen Publikationen Harburgs, im Stadtmuseum Harburg, der Harburger Geschichtswerkstatt oder bei diversen Institutionen trafen wir eine Vorauswahl von das Stadtbild prägenden Gebäuden. Dann reduzierte sich die Auswahl durch die nötige Qualität oder Digitalisierung der Bilder. Um den Prozess der Transformation zu verdeutlichen brauchte es bestenfalls auch aktuelle Bilder aus der gleichen Perspektive. Die klassische Anwendung von schwarz/weiss für historisch und bunt für aktuell sollte aber keinen Charakter der katalogischen Gegenüberstellung bekommen. Ein alle Folien umfassender Rahmen oder Roter Faden, fließende Übergänge innerhalb der Bildmotive und spielerische Anordnungen nach ästhetischen Gesichtspunkten sorgen dann für eine ansprechende Leichtigkeit.“
Um den möglichen Impuls zu Gedanken der transformativen Veränderung vertiefen zu können, ermöglichen QR-Codes zu historischen Quellen dem Betrachtenden den aufkommenden Fragen selbst nachzugehen. So stößt er schnell auf seriöse Websites etwa des Stadtmuseums Harburg oder der des Harburger Geschichtspfads. Die Anordnung der oft örtlich naheliegenden Motive weist zudem stets nach Himmelsrichtung zum realen Ort. Motive wie die Fischhalle oder der alte Hafenspeicher also auf der nördlichen Gebäudeseite, Museum oder Rathaus eben zur südlichen Seite, wo sie auch vom Kaufhausgebäude her liegen. So steht der Betrachtende also stets dort vor einem Motiv, wo er sich umgewandt zum realen Standort begeben kann. So wird bestenfalls Bildbetrachtung und Verbindung zum Hier und Jetzt subtil verknüpft. Da wo es keine Lösungen durch Fotoauswahl gibt, können punktuell künstlerische Zeichnungen eingesetzt werden und zugleich die Bilderstrecke spielerisch auflockern.
Die Lösung
An 42 Fenstern und Folien entsteht eine in sich durchstrukturierte und abgestimmte Bildstrecke, die im Grunde einen unterhaltsamen historischen Rundgang beim Gebäuderundgang ersetzt. Die hiesige Glasfront wird zum Schau-Fenster von Harburgs Geschichte, die immer schon Veränderungsprozessen ausgesetzt war. Das einstige Kaufhaus wird selbst zum Rundgang durch Harburgs Stadtentwicklung und ist zugleich Teil desselben. Idealistisch ist die Betrachtung des leerstehenden Gebäudes durch die Bilderstrecke eine impulsgebende Wanderung durch Harburgs Stadtentwicklung und zugleich die Frage nach dem Wandel des Gebäudes selbst.
Wenn wir interessiert die Bilderstrecke ablaufen und über Transformationen sinnieren stehen wir wo?!!
Auf zu neuen Ufern!