SuedLese-Autorin Maria da Silva Ataide-Estevao im Interview:

Wer die Welt retten will …

Ausgerechnet die Punkband ´Zona84` half ihr auf dem Weg aus Drogen und Obdachlosigkeit: Maria da Silva Ataide-Estevao kommt zur SuedLese. (Foto: PR)

Von einer Kindheit auf Amrum in die Punkszene, Drogenabhängigkeit und Obdachlosigkeit – das ist der teils autobiografische Stoff von Maria da Silva Ataide-Estevaos „Nina – das lebende Chaos“. Zur SuedLese haben wir schon mal nachgehakt …

Maria da Silva Ataide-Estevao wird am 28. April im Rahmen der 3. SuedLese-Literaturtage aus ihrem biografisch inspirierten Buch „Nina –das lebende Chaos“ vorlesen. Die Autorin beschreibt schnörkellos eine Lebensgeschichte voller Brüche. Angefangen bei der Aufsässigkeit der jungen Nina, die sich in ihrer Familie nicht zuhause fühlt. Sie kommt ins Heim, läuft weg, schließt sich Punkern an und findet Gefährten am Rand der Gesellschaft. Leser und Zuhörer erfahren, wie sie nach einer Drogenkarriere zur Gestalterin ihres Lebens wurde. ´Tiefgang` wollte es natürlich vorher wissen …

Tiefgang (TG): Es imponiert mir, wie schonungslos offen du einen Einblick in eine Szene gewährst, die den meisten von uns fremd ist. Wie sehr hast du mit Vorurteilen zu kämpfen, bzw. wie viel ist auch dran an der Vorstellung von der Verweigerung gegenüber einer Gesellschaft, mit der Punker sich nicht identifizieren können oder wollen?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Mit meiner offenen Art möchte ich keinem imponieren. Die Einblicke, die ich in meinem Buch beschreibe, sind nicht nur die Szene, sondern auch mein ganz eigenes Leben. Ich möchte dazu anregen, dass die Menschen einmal mehr über ihr Leben und so wie sie es führen nachdenken. Eine Verweigerung gegenüber der Gesellschaft bestand eigentlich bei mir nie. Ich wollte immer die Welt retten, das war meine Vorstellung vom Leben. Doch wer die Welt retten will, sollte bei sich selbst anfangen. Das gelang mir damals nicht.

TG: Hast du dich damals unfrei und nicht zugehörig gefühlt und bist deshalb ausgebrochen?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Ich habe zuhause sehr viele Freiheiten gehabt, doch konnte ich nie damit umgehen. Da wollte ich wirklich nie dazu gehören.

TG: Leid und Schmerz können eine Quelle der Kraft sein. Würdest du rückwirkend sagen, dass dich deine Erfahrungen geschwächt oder eher gestärkt haben?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Ich denke beides. Es hat mich gesundheitlich geschwächt und von der Denkweise gestärkt.

TG: Wie fühlt es sich für dich an, dass du ein Buch veröffentlicht hast und an der SuedLese teilnehmen wirst?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Das ist alles für mich noch kaum fassbar. Mir fehlen die Worte. Was zu Anfang so klein erschien, wurde für mich zu etwas so großem. Und jetzt sehe ich, wie viele Menschen sich für meinen Traum vom Buch einsetzen. Ich sag nur: Wow! Ihr seid einfach Spitze!

TG: Welche Rolle spielt die Punkband Zona 84 dabei?             

Maria da Silva Ataide-Estevao: Seit 2015 spielt Zona84 eine große Rolle in meinen Leben. Dadurch, dass ich Zona84 kennen lernen durfte, kam die Klarheit, dass ich aus der Abwärtsspirale von Drogensucht und Obdachlosigkeit aussteigen will. Doch erst gestaltete es sich schwierig,  denn ich haute wieder nach Hamburg ab und zog meinen üblichen Trott durch. Aber dann rüttelte ich mich selber noch mal richtig wach. Seitdem ging es steil nach oben, nicht nur bei meinem Einsatz für Zona84, sondern auch in meinem Leben. Grade im November war Zona84 erst in Deutschland auf ihrer ´Radio Pirata`-Tour und das hat mir echt wieder Kraft gegeben. Ich sag immer wieder FOR EVER AND EVER ZONA84! Deshalb tut es mir grade auf der SuedLese sauweh, dass sie nicht dabei sein können. Aber ich werde das Kapitel von Zona84 lesen und die Jungs immer weiter in die Welt tragen.

TG: Deine Tätigkeit als Moderatorin im Internet-Radio war und ist sicherlich auch ein Meilenstein in deinem Leben, oder?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Ich liebe die Musik und ich lebe die Musik. So kommt es immer wieder zu einem tollen Miteinander. Ich verbringe gerne Zeit mit Helge (von Kamikaze-radio.de ) und las dort das erste Mal aus meinen Buch: bei ihm zuhause vorm Kamin! Ich bin gerne bei Helge, das hilft mir seit einiger Zeit Ruhe zu finden. Und wir reden gerne über die Musik.

TG: Wann kam dir die Idee, deine Geschichte aufzuschreiben? Und wie lange hat es gedauert, bis diese Gestalt annahm?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Am 28.02 .2018 waren es genau fünf Jahre. Deshalb unternahm ich dann auch meine erste Autorenlesung für einen guten Zweck in der „Mission Künstlerische Maßnahme gegen die Kälte e.V.“ Es war uns nicht möglich, das Programm mit Livesendung einzuhalten: Kamikaze Radio.de konnte wegen Schauerwetters nicht senden, da musste das Programm geändert werden. Deshalb hatte ich meine Akustikgitarre und meinen Freund eingepackt und so fuhren wir los. Ich dachte, es würde alles schief gehen, aber dann war alles so schön und ein Obdachloser spielte mir ein Lied und sagte, es sei für mich. So was bleibt eben in Erinnerung und das ist ein Geschenk.

TG: Von wem hast du dich beim Buch unterstützen lassen und wie? Was macht für dich allgemein gute Hilfe aus? Ich frage, weil es mich sehr berührte, wie stark an einer Stelle in deinem Buch deine Dankbarkeit zum Ausdruck kam.

Maria da Silva Ataide-Estevao: Ich muss Dir gestehen, ich habe den Überblick verloren, wer mir grade alles hilft: beim Buch und um weiter zu kommen. Es sind so viele, das glaubst du mir gar nicht. Wenn ich sie alle benennen sollte, würde es das Interview sprengen.

TG: Was war die bisher beste Erfahrung auf deinem Lebensweg?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Ich habe eine Menge gelernt: zum Beispiel, die Menschen so zu nehmen wie sie sind. Ich weiß kleine Sachen im Leben zu schätzen. Ich gehe auf Menschen zu und kann von ihnen lernen.

TG: Wie sehen deine weiteren Ziele aus?

Maria da Silva Ataide-Estevao: Ich möchte gerne mal nach Argentinien, um einige Menschen dort zu besuchen und neue kennen zu lernen. Mein erster Radio-Fan war aus Buenos Aires. Dieser Frau verspreche ich immer, dass ich zu ihr komme und da wird nun dran gearbeitet. Obwohl es noch etwas Zeit braucht, ist jetzt mit dem Buch ein Meilenstein dazu gesetzt.

TG: Liebe Maria, wir bedanken uns für dieses Interview und wünschen dir viel Erfolg und gutes Gelingen bei deinen weiteren Vorhaben.

Lese-Termin: Sa., 28. April, 16 Uhr bei ´Alles wird schön`, Friedrich-Naumann-Str. 27, 21 075 Hamburg-Heimfeld, Eintritt frei!

Das Buch:

Maria da Silva Ataide-Estevao: Nina –Das lebende Chaos, awsLiteratur, ISBN 978-3-947051-03-8, 105 Seiten, Preis: 9,-EUR

Das Interview für ´Tiefgang` führte Sonja Alphonso.

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