Erinnerungen sind nicht immer schön. Aber sie sind nötig, um das Morgen zu gestalten. Erst recht wie bei der Initiative „Gedenken in Harburg“. Auch 2017 ist noch viel geplant …
Vor gut 15 Jahren startete das Projekt „Stolpersteine“ in Hamburg. An den Wohnorten ehemaliger Opfer werden seither goldene Steine mit Namen, Geburtsdatum und oft Zeitpunkt der Deportation sowie Ort desselbigen in den Boden eingelassen und so „stolpert“ man beim Gang durch die Straßen regelmäßig überNamen und Biographien unserer Geschichte. Diese Initiative gründete 1995 der Kölner Künstler Gunter Demnig. Mit seinem Projekt erinnert er so durch die Gedenksteine europaweit an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor deren früheren Wohnorten – seit 2002 auch in Hamburg. Die Anzahl der Stolpersteine in Hamburg beläuft sich bereits auf mehr als : 5200!
Bei der Recherche nach Opferdaten wurde überwiegend auf im Staatsarchiv Hamburg vorhandene Kopien von Deportationslisten zurückgegriffen. Hierin fanden sich jedoch grundsätzlich nur die letzten Wohnadressen – also Wohnungen, die zumal den jüdischen Opfern sehr häufig zwangsweise zugewiesen wurden. Dies hat zunächst dazu geführt, dass vor den ehemaligen so genannten ‚Judenhäusern’ eine Häufung von Stolpersteinen anzufinden war, während dort, wo die Opfer ihren eigentlichen Lebensmittelpunkt hatten, kein Stolperstein auf ihre Verfolgung und Ermordung hinwies.
Ab etwa 2004 griff man dann auch auf Anschriften aus der Kultussteuerkartei der früheren jüdischen Gemeinden in Hamburg und ergänzend auf alte Adressbücher zurück. Dies machte es möglich, Adressen ausfindig zu machen, an denen diese Opfer ohne Drangsalierung bis Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts gelebt haben. Nach Mitte der 30er Jahre wurden in diesen Unterlagen häufig Anschriften vorgefunden, an denen die Verfolgten nur noch zur Untermiete gelebt haben oder es waren Häuser von jüdischen Wohnstiften sowie Gebäude der jüdischen Gemeinde in Hamburg, in die sie aufgrund behördlicher Anordnung einquartiert wurden.
Eine der heutigen selbst gestellten Aufgaben der Initiative Gedenken in Harburg ist es, die jährlichen Harburger Gedenktage zu organisieren. Sie finden jedes Jahr um den 9. November, den Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, statt und werden mit vielfältigen Veranstaltungen begangen. Neben Ausstellungen werden Vortrags- und Filmabende, Lesungen, öffentliche Zeitzeugengespräche oder Exkursionen angeboten. Auch Publikationen bringt die Initiative heraus. So wurden mehr als 180 Stolpersteine in Hamburg-Harburg und Hamburg-Wilhelmsburg an Männer, Frauen und Kinder, die in der NS-Zeit von den Nationalsozialisten aus der `Volksgemeinschaft´ausgeschlossen und ermordet worden, dokumentiert und die Geschichte hinter diesen `Mini-Denkmalen´ in mühevoller Kleinarbeit erforscht und als Buch herausgegeben.
Aber die Gedenkarbeit ist noch viel umfangreicher. Die Initiative, die sich überkonfessionell und unabhängig versteht, über sich selbst: „Wir, die Initiative Gedenken in Harburg, stellen uns der Aufgabe, die Geschichte des Nationalsozialismus im Stadtteil zu beleuchten. Wir wollen nicht nur das geschehene Unrecht vorbehaltlos aufzeigen, sondern auch der Harburger Opfer des NS-Regimes gedenken. Dabei gilt es, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.
Lebendige Erinnerungskultur
Mit unserer ehrenamtlichen Arbeit möchten wir in Harburg eine lebendige Erinnerungskultur verankern und so das Bewusstsein für die Demokratie stärken. Unsere Initiative ist dem Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost angegliedert. Sie wird vom Bezirksamt Harburg und der Harburger Bezirksversammlung unterstützt.
Gespräche mit Zeitzeugen sind aus naheliegenden Gründen immer seltener geworden. Daher war es uns eine besondere Ehre und Freude, gleich zwei von ihnen begrüßen und zu verschiedenen Veranstaltungen begleiten zu dürfen: Hana Weingarten und Eva Smolková-Keulemansová.“
Noch 2017 plant die Initiative eine größere Zahl von Harburger Kulturträgern an der Gestaltung der Gedenktage zu beteiligen. Die Koordinatorin dieser Neugestaltung der Gedenktage obliegt Katja Hertz-Eichenrode:
„Im November 2017 werden die Harburger Gedenktage in einer neuen Form stattfinden.
Alle Harburger Schulen, Religionsgemeinschaften, Kultureinrichtungen, politischen, gesellschaftlichen und sozialen Organisationen und Vereine sind eingeladen, sich mit Beiträgen und Veranstaltungen an den Harburger Gedenktagen zu beteiligen, sie zu gestalten und zu bereichern. Die Harburger Gedenktageerinnern an die Opfer und die Verfolgten des Nationalsozialismus – mit dem Fokus auf Akteure und Ereignisse im Bezirk Harburg. Dabei ist das Gedenken an die Pogromnacht in Harburg, bei der am 10. November
1938 der jüdische Friedhof am Schwarzenberg geschändet und die Harburger Synagoge verwüstet wurden, ein fester Bestandteil der Harburger Gedenktage. Das Motto Erinnern für die Zukunft zeigt, dass die Harburger Gedenktage sowohl in die Vergangenheit wie auch auf die Gegenwart und in die Zukunft schauen. Extremismus, Diskriminierung und Verfolgung, Flucht und Vertreibung, Krieg, Selbstbehauptung und Widerstand sind auch aktuelle Themen. Mit dem Wissen um und aus der Verantwortung für die deutsche Vergangenheit beziehen die Harburger Gedenktage Stellung in der heutigen Zeit. Die Harburger Gedenktage stellen sich der Herausforderung, neue Formen des Erinnerns und des Gedenkens zu entwerfen und zu erproben. Die Harburger Gedenktage sind eine Veranstaltung aller Generationen!
Schulklassen und Jugendgruppen sind besonders aufgerufen, sich an den Harburger Gedenktagen zu beteiligen und Ergebnisse von Projekten oder AGs vorzustellen!
Viele Veranstaltungsformate sind denkbar:
- Vorträge und (Podiums-) Diskussionen
- Filmvorführungen, Theateraufführungen
- Stadtrundgänge und -rundfahrten
- Ausstellungen (Fotos, Bilder, Objekte, von Laien und Profis…)
- Konzerte (Chor, Klassik, Liedermacher, Rock, Jazz….)
- Gottesdienste, Andachten, Meditationen
- Zeitzeugengespräche
- Sportveranstaltungen
- Lesungen, Buchvorstellungen (Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher, Romane,…)
- interkulturelle Begegnungen Ideen und Fragen gerne an gedenktage(at)gedenken-in-harburg.de“
Auch wir wollen das Gedenken künftig unterstützen und werden hier regelmäßig Biografien ehemaliger Harburger*innen vorstellen und Sie über diese Geschichte an die Orte dieser Menschen und die „Stolpersteine führen. Denn es waren Menschen unter uns. Sie sind nicht einfach verschwunden. Sie sind deportiert und häufig umgebracht worden. Zur Zeit sind allein für Harburg 217 Namen (!) in der Datenbank erfasst – und die Suche geht weiter!
Zur Website der Initiative mit Terminen, weiteren Informationen und Buchtiteln: gedenken-in-harburg.de
Zum Stolperstein-Künstler Gunter Demnig finden sich Informationen auf seiner website: www.gunterdemnig.de
Die Aktion „Stolpersteine“ selbst finden Sie unter der website: www.stolpersteine-hamburg.de.
(05. Mai 2017, hl)