´Tiefgang`-Interview mit Ulrike Burbach

Aller guten Dinge sind drei

Ulrike Burbach

Schrift, Bild und Körper sind ihre Medien und Ausdrucksformen. Die Harburger Künstlerin Ulrike Burbach im Gespräch über das Verurteiltsein zu Freiheit und absurden Erfahrungen.

Von Sonja Alphonso

Ulrike Burbach begegnete ich das erste Mal in der Heimfelder Schreibwerkstatt von Kerstin Brockmann, ein offenes, geselliges Format, an dem man teilnehmen kann, um Feedback für selbstverfasste Texte zu bekommen. Ulrike las seinerzeit einen Auszug aus einer Geschichte, die in der Tanz-Szene spielt, und die ich sehr anschaulich fand. Dann sah ich Anfang des Jahres Bilder von ihr in einer Ausstellung im „Komm du“. (Siehe dazu auch ´Tiefgang`: Neue Kunstpfade). Und noch etwas später, während der Pandemie, wurde ich online auf ihren Tanz aufmerksam. (siehe siehe ´Tiefgang`: „Stagger – Musik von underworld“) Ulrike Burbach hat sich also gleich drei Ausdrucksformen verschrieben und bedient sich dabei der Schrift-, Bilder- und Körpersprache. Mich interessiert, wie sich diese Ménage à trois entwickelt hat.

TIEFGANG (TG): Wie die meisten Kinder damals hast du dir Geschichten ausgedacht, hast gemalt und dich gerne bewegt. Kannst du dich erinnern, ab wann es zu einem ernsthaften Interesse wurde und langfristig zu einem nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil in deinem Leben?

Ulrike Burbach: Ich glaube, das war immer ziemlich ernsthaft. Anfangs eben mit dem Ernst eines Kindes. Gelesen habe ich seit ich Buchstaben auseinanderhalten konnte. Ich habe früh angefangen, Tagebuch und Briefe zu schreiben. Das Schreiben ließ mich dann irgendwie nicht mehr los. Mit 8 Jahren habe ich zum ersten Mal ein Ballett im Fernsehen gesehen und war von Stund´ an dem Tanz verfallen. Ich glaube, das ist nicht übertrieben. Der einzige Berufswunsch, den ich je hatte, war Tänzerin zu werden. Die Malerei machte tatsächlich mal eine Pause. Sie begann nach der Kinderphase erst wieder, als ich im Laufe meines Studiums nach Hamburg wechselte. Ich habe übrigens Literaturwissenschaften studiert, nicht Tanz.

TG: Du bist also nicht Tänzerin geworden?

Ulrike Burbach: Nein, nicht im konventionellen Sinn. In meinen jungen Jahren habe ich mich mit diversen Tanztechniken beschäftigt. Ich habe den Tanz nie aufgegeben und im Laufe meines Lebens wurde etwas ganz Eigenes daraus, was mit der normalen Tanzszene ziemlich wenig zu tun hat.

TG: Wenn du eine Rangfolge bestimmen müsstest, was käme bei dir an erster Stelle bzw. was scheint dir unverzichtbar?

Ulrike Burbach: Lange Zeit schien mir der Tanz an erster Stelle zu stehen. Ich habe da alles reingesteckt, was ich an intellektuellen und körperlichen Möglichkeiten habe. Die Sprache über den Körper ist die tiefste aller menschlichen Ausdrucksweisen.

Aber im Laufe der Zeit und des zunehmenden Alters ist jeder Bereich auf seine Weise wichtig geworden und kann den anderen bereichern.

TG: Hast du Phasen, in denen ein Bereich überwiegt, wo du z. B. intensiv malst und dafür das Schreiben und Tanzen in den Hintergrund treten?

Ulrike Burbach: Natürlich steht immer mal wieder etwas anderes im Vordergrund. Bereite ich z. B. eine Tanzwerkstatt vor, dann tritt in dieser Zeit alles andere in den Hintergrund. Ebenso ist es mit der Vorbereitung einer Ausstellung oder einer Lesung. Oder wenn ich gerade sehr beschäftigt bin mit einer Geschichte, bleibt das Malen schon mal eine Zeit lang liegen und umgekehrt. Nur das Tanztraining setzt fast nie aus, weil man sehr schnell aus dem Training raus ist. In der Regel versuche ich aber, alle drei Bereiche in einer (zeitlichen) Balance zu halten.

TG: Worin siehst du die Stärke jeder einzelnen Ausdrucksform?

Ulrike Burbach: Ich interpretiere das mit der „Stärke“ jetzt mal so: was ist möglicherweise ein bisschen „besonders“, wo sticht was hervor? Beim Tanz ist es die Verschmelzung von Rhythmus und ausgeprägter Körperspannung, die mich ballettartige Formen auf bestimmte Weise nutzen lässt.

Beim Schreiben ist es ebenfalls eine Verbindung aus einer gewissen differenzierten Sprache mit einem Gefühl für die Direktheit von Erfahrungen und ebenfalls für Rhythmus. Es macht Spaß, die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der deutschen Sprache zu nutzen; die derzeitige Tendenz zur Verödung der Sprachkultur finde ich ausgesprochen langweilig und sogar gefährlich, weil bestimmte Erfahrungen nicht mehr angemessen sprachlich ausgedrückt werden können. Meine Malerei habe ich „Moderne primitive Malerei“ genannt, weil mich die Malerei sogenannter „primitiver“ Völker mit ihrer sehr ausdrucksstarken Ansprache sehr fasziniert. Ich kombiniere „einfache“ Maltechniken wie die Verwendung von Buntstiften und Kreide und schaffe daraus etwas ganz Eigenes.

TG: Welche Verbindungen siehst du zwischen deinen drei Bereichen?

Ulrike Burbach: Jeder Bereich entsteht erstmal für sich und bearbeitet eigene Themen. Aber es gibt sozusagen eine geistige Klammer um alles. Ich habe auch Philosophie studiert. Für mich ist der französische Existenzialismus sehr wichtig, der sagt, dass der Mensch zur Freiheit verurteilt sei. Von da aus ist es nicht mehr weit bis zur „absurden Erfahrung“. Auch Kafka hat mich sehr beeindruckt. Das wirkt sich auf alle drei Bereiche aus.

TG: Du machst Lesungen und Ausstellungen. Tanzt du auch öffentlich?

Ulrike Burbach: Ich trete so oft auf, wie sich eine Gelegenheit bietet. Einmal war ich im „Sprechwerk“ mit einer Performance, mit einem Stück auf der Probebühne Kampnagel. Sehr oft bin ich bei der „altonale“ aufgetreten. Das Wichtigste aber sind, glaube ich, meine Tanzwerkstätten. Da zeige ich meine neuesten Stücke und gebe den Zuschauern Erläuterungen dazu, damit auch die Tanzunerfahrenen einen Zugang dazu zu gewinnen können.

TG: Was inspiriert dich zu deiner Kreativität, oder speist sie sich ausschließlich aus sich selbst?

Ulrike Burbach: Die unglaubliche Verrücktheit dieser Welt – im positiven wie im negativen Sinne – ist eine Quelle immerwährender Anregung. Aber auch Schönheit, Ordnung und Symmetrie können sehr anregend sein.  Außerdem imponieren mir große geistige und körperliche Leistungen. Deshalb habe ich für alle drei meiner Bereiche meine Vorbilder. Auch in der Philosophie und der Psychologie suche ich immer wieder nach Erklärungen, die mich weiterbringen.

 TG: Wieviel Zeit widmest du erfahrungsgemäß einem Bild oder einer Kurzgeschichte?

Ulrike Burbach: Oh –– die guten Sachen gehen schnell, sie sind oft „ein Wurf“. Wobei „schnell“ auch relativ ist, das können Stunden, Tage, Wochen sein, je nachdem, wieviel Zeit ich übrig und wie viele heiße Eisen ich gerade im Feuer habe. Und wenn etwas fertig ist, muss es eigentlich noch eine Weile liegen und „reifen“. So ähnlich wie Käse. Erst in der zeitlichen Entfernung sehe ich, ob ein Ding wirklich die Überzeugungskraft hat, die es haben sollte.

TG: Wie gehst du vor, nachdem du eine Eingebung hattest?

Ulrike Burbach: Mittlerweile habe ich ziemlich viel Erfahrung in meinen Arbeitsbereichen, das macht es leichter. Grob gesagt weiß ich inzwischen, was geht und was wahrscheinlich nicht geht. Ich bevorzuge offene Strukturen, d.h. ich lege manches fest, vieles überlasse ich Zufall, Eingebung, Spontaneität. Meine Choreografien sind fast nie völlig durchgeplant; meist geht es um ein bestimmtes Thema, für das ich immer nur Näherungslösungen finde.

Auch Geschichten plane ich nicht durch. Ich habe das Thema oder die Themen, ein paar Notizen dazu und fange an zu schreiben. Vor meinen Augen beginnt ein Film abzulaufen, wenn es gut geht, und ich muss nur die Sprache finden, um aufzuschreiben, was passiert. Auch viele Bilder entstehen, indem ich die Dinge quasi ein ganzes Stück sich selbst überlasse.

Trotzdem ist das nur die halbe Wahrheit. An vielen Einfällen und Zufällen feile ich lange herum, biete mein „handwerkliches“ Wissen auf und suche nach der besten Lösung. Es ist also eine Mischung aus Zufall und bewusster Komposition.

TG: Beschäftigen dich manche Themen über einen längeren Zeitraum, sodass eine Art entsteht, oder gibt es ein zentrales Leitmotiv, das sich kontinuierlich in allen Bereichen wiederfindet?

Ulrike Burbach: Das eine schließt das andere nicht ganz aus. Trotzdem würde ich eher von zentralen Leitmotiven sprechen, die allerdings im einen oder anderen Bereich immer wieder auftauchen. Im Tanz geht es um Rhythmus (ich verwende nur sehr stark rhythmische Musik, also keine klassische), um Emotion, Impulse um (spontane) Bewegung. In der Malerei interessieren mich Natur und Struktur immer wieder, beim Schreiben hingegen geht es um Beziehungen, aber auch das Thema „sinnvolles Arbeiten“ taucht z. B. immer wieder auf.

In gewisser Weise habe ich meine Spezialthemen, von denen ich nicht wegkomme.

TG: Die Kulturszene hat ja insgesamt sehr unter der Corona-Krise gelitten. Was war bzw. ist derzeit für dich anders?

Ulrike Burbach:  Oh, ich habe mehr Zeit für das kreative Schaffen. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, jeder Arbeit so viel Zeit zubilligen zu können, wie sie eigentlich braucht. Aber da ist jetzt auch mehr Zeit für Zweifel und Selbstzweifel.

Zwar bin ich glücklicherweise finanziell abgesichert, aber ich habe ein bisschen Angst, dass meine Kontakte und Verbindungen auf die Dauer leiden. Online ist nicht so mein Ding, es beschränkt manches doch sehr, finde ich. Obwohl es natürlich wenigstens diese eingeschränkten Möglichkeiten bietet. Aber Kunst ist für mich grundsätzlich direkt: direkte Ansprache, direkter Kontakt.

TG: Wir bedanken uns für das Interview! Bleib gesund und kreativ!

Ulrike Burbach: Ich danke auch.

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