Jeder Mensch trägt sichtbare und unsichtbare Spuren seiner Herkunft in sich. Es ist, als trügen wir eine innere Landkarte in uns, auf der sich Erfahrungen, Geschichten und Erinnerungen eingeschrieben haben. Dieses unsichtbare Gewebe kannst du künstlerisch einfangen.
von Ulrike Hinrichs
Die künstlerische Biografiearbeit lädt dazu ein, den Spuren deiner Familiengeschichte mit schöpferischen Mitteln zu folgen. Sie verbindet Selbstreflexion und künstlerischen Ausdruck und macht sichtbar, was oft nur gefühlt oder geahnt wird. Beim Malen, Schreiben oder Gestalten entsteht ein Raum, in dem innere Bilder zu sprechen beginnen. Es geht nicht darum, ein perfektes Kunstwerk zu schaffen, sondern die eigene Geschichte in Farbe, Form und Symbol zu übersetzen.
Wenn wir unsere Herkunft auf künstlerische Weise erkunden, öffnen sich verborgene Türen. Erinnerungen, die im Alltag leise bleiben, treten hervor. Gefühle, die schwer in Worte zu fassen sind, finden ihren Ausdruck. Tabus und Geheimnisse werden sichtbar. So wird Biografiearbeit zu einer Art Landvermessung der Seele, zu einer poetischen Kartografie unseres Seins.
Mehr zur künstlerischen Biografiearbeit auf Tiefgang: Der eigenen Biografie kreativ begegnen

In meiner vom Bezirksamt Harburg geförderten Gruppe Heimat und Biografie – Begegnungen mit Pinsel und Farbe widmen wir uns biografischen Themen.
Die Werke aus der Gruppe werden am 2.11.2025 von 12.00 bis 18.00 Uhr auf dem Harburger Kulturtag in der Biff Frauenberatung (Neue Straße 59, 21073 Hamburg) präsentiert.
Ein Beispiel einer solchen biografischen Arbeit findest du im Beitrag. Es ist eine Landkarte der Herkunft. Das Werk, eine 1,20 m x 1 m große Collage, wird ebenfalls Teil der Gemeinschaftsausstellung sein.
Künstlerische Biografiearbeit kann helfen, sich selbst in einem größeren Zusammenhang zu sehen und zu verstehen. Sie schafft Verbindung zu den eigenen Wurzeln und öffnet den Blick dafür, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinanderfließen. Wer sich auf diese Reise einlässt, der erkennt: Wir sind nicht nur das, was uns widerfahren ist, sondern auch das, was wir daraus gestalten.
Mit den kollektiven Zusammenhängen in meiner Biografie habe ich mich im Buch Lebendig begraben: Guillain-Barré-Syndrom auseinandergesetzt. Emotionale Kälte, Härte und Disziplin waren Erziehungsmethoden einer traumatisierten Nachkriegsgeneration. Die transgenerationale Weitergabe von Traumata auf die nächste Generation ist ein Erbe, das viele nicht oder erst sehr spät erkennen. Der künstlerische Ausdruck kann helfen, undefinierbare Ängste und Gefühle zu verstehen.
Mehr dazu auf Tiefgang:
- Großmutters Erbe – transgenerationale Traumaweitergabe
- Die Narben der Geschichte – vererbte Traumata
- Samhain und die Kraft der Dunkelheit
Welche Geschichte hast du zu erzählen?

Lebendig begraben: Guillain-Barré-Syndrom
Krankheit, Trauma und die Narben der Geschichte
ISBN Softcover: 978-3-99139-739-7
EUR 18,00 EUR
Auch als ebook erhältlich
Ulrike Hinrichs ist Gesprächstherapeutin, Kunsttherapeutin (M.A), Traumatherapeutin, Anwenderin Positive Psychologie und Autorin www.ulrikehinrichs.com
