Ein Interview mit Theaterregisseur Fernando Zietek

„Nicht vom aber für´s Theater leben!“

Bernd Janeke, Ute Olk und rechts Regisseur Fernando Zietek sind frei und machen dennoch oder gerade deshalb Gutes Theater.

Theatermacher haben bisher in Harburg wenig Aufmerksamkeit erhalten. Dabei ist hier einiges los. Wie aber steht es um die Theaterszene in Harburg und Hamburg abseits der bekanten Bühnen? Wir haben mal Regisseur und Mitglied der Gruppe „Gutes Theater“ Fernando Zietek gefragt. Und manches erstaunt …

Tiefgang (TG): Wie bist Du selbst zum Theater gekommen?

Fernando Zietek: Durch Geburtsrecht. Ich bin Einzelkind, in Brasilien der frühen 60er geboren. Meine Eltern sind damals klassische Auswanderer gewesen, immer damit beschäftigt, sich zu finden und zu behaupten. Ich war ein Kollateralschaden ihrer Selbstverwirklichung. Um Aufmerksamkeit musste ich schreien – und hab früh damit angefangen. Das macht eine kräftige Stimme, ab Grundschule stand ich damit auf der Bühne. Papa wollte, dass ich „was Kaufmännisches“ mache oder ins Hotelfach gehe. Schon aus Trotz bin ich auf der Bühne geblieben. Und irgendwann dann lieber dahinter.

TG: Du bist Theaterregisseur? Was macht man da so?

Fernando Zietek: Von der Geburtsvorbereitung bis zur Rente betreust Du als freier Theatermacher Dein „Baby“. Du suchst das Stück aus oder schreibst es selbst. Und dann bringst Du es bis zur Premiere zum Laufen. Ich hab in New York gelernt und dann das ganze Hamburger Umfeld beackert. Von der Markthalle in die Ammersbeker Provinz, zurück nach Hamburg ans Kellertheater und irgendwann über die Elbe rüber nach Harburg.

TG: Die Gruppe „Gutes Theater“ gibt es seit sechs  Jahren. Wie und wo habt ihr euch zusammen gefunden?

Fernando Zietek: Meine Tochter ist Musikerin. Bei einem Auftritt hier in einem Pub um die Ecke von der 3falt lungerten in der Pause heimatlose Schauspieler vor der Tür rum. Wir fanden uns gut und haben eine gemeinsame Spielstätte gesucht. Die hat uns Marita Schillerwein in der Kulturwerkstatt geschaffen. Damals spielten wir noch unter dem Namen „Kurz vor’m Durchbruch“…

TG: Zusammen mit der Gruppe „Rampenrudel“ arbeitet ihr zur Zeit an einem größeren Stück „der kleine Horrorladen“. Was hat es damit auf sich?

Fernando Zietek: Das Rampenrudel macht komplett anderes Theater als wir vom „Guten“. Puppentheater mit Tanz und Musik im Gegensatz zu unserem klassischen Ansatz. Wir haben fusioniert und das beste beider Welten sollte ins erste gemeinsame Projekt einfließen. Für diese Symbiose hat sich der „Horrorladen“ förmlich aufgedrängt. Schwarzhumoriges Theater mit tollen Songs. Ein Grusical.

TG: Hamburg gilt gemeinhin als Theaterstadt mit gut 60 öffentlich-geförderten und Privattheatern wie dem Harburger Theater. Aber wie steht es um die freie Szene?

Fernando Zietek: Die Freien sind lebendig und wohlauf. Sie müssen oft mit Guerilla-Methoden arbeiten, aber die Fangemeinde ist zigfach anhänglicher und neugierige rals die Abonnenten im Frack. Als freie Bühne bist Du meistens wirklich frei. Vorausgesetzt, Du kriegst es irgendwie finanziert…

TG: Und was ist nun gut und was ist schlecht?

Fernando Zietek: Wir haben alle noch unsere normalen Jobs auf Lohnsteuer im Callcenter, als Sozialarbeiter oder hinter der Theke. Heißt: wir leben nicht vom Theater, aber für’s Theater. Das ist gut, weil es pure Leidenschaft ist. Und keiner quatscht uns rein. Wenn Filmemachen, Malen, Tanzen, Musik oder eben Theater machen nicht profitorientiert sein muss, ist das gut! Manchmal auch frustrierend, aber Profis erleben den gleichen Frust. Jetzt nicht die Handvoll Ensemble-Schauspieler oder Grimme-Preisträger. Sondern die Abertausenden, die sich von Engagement zu Engagement hangeln. Das sind auch alles Freiberufler ohne Netz und doppelten Boden. Artisten unter der Zirkuskuppel. Blöd nur, dass freie Gruppen oftmals nicht mal ne Kuppel überm Kopf haben. Wenn die Kirche hier in der Neuen Strasse tatsächlich ab März eine feste Einrichtung als Kulturzentrum wird, ist das Hauptproblem vieler freier Künstler in Harburg gelöst: eine faszinierende Spielstätte zu finden, die man sich leisten kann.

TG: Gibt es denn Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Städten oder Metropolen?

Fernando Zietek: Die Theatergemeinde in Hamburg ist unschlagbar, vergleichbar nur noch mit Berlin, was die Spannung und die Vielfältigleit angeht. Aber je besser Du eine Stadt kennst, umso mehr wirst Du entdecken. Bremen zum Beispiel hat ordentlich was zu bieten. Und es gibt jede Menge tolle Amateurbühnen außerhalb, die einfach saugutes Theater zeigen. Weiss nur meistens keiner, außer die Nachbarn.

TG: Und Harburg?

Fernando Zietek: Noch ziemlich ruhig hier. Wir müssen uns erst behaupten, ehe man uns für voll nimmt. Aber wir arbeiten ja dran… (lacht)

TG: Auf wie viele Theatermacher würdest Du denn die Harburger Szene schätzen?

Fernando Zietek: Ne Handvoll? Ne Kinderhand?

TG: Was kann Harburg gebrauchen – auch zur weiteren Entwicklung der Theaterszene?

Fernando Zietek: Ein aufregendes Zentrum für Kreative. Kreative, die nicht nur vor sich herpuzzeln wollen, sondern ihr Publikum richtig packen können. Ein Publikum, das gutes Entertainment annimmt. Entertainer, die Aufmerksamkeit schaffen und Harburg zu guten Schlagzeilen im Abendblatt verhelfen.

TG: Und was wünscht man sich dann als freier Theatermensch – außer Geld?

Fernando Zietek: Eine Politik im Stadtteil, die unbürokratisch, interessiert und aufgeschlossen mutige Entscheidungen zu treffen vermag. Und Publikum. Die Leute müssen halt kommen, sonst nützt das beste Schauspiel nix. Ich persönlich wünsche mir Mäzen*innen, die uns, ab vom Geld, einflussreich unterstützen.

TG: Was erwartet uns beim Auftritt mit dem Stück „KUNST“ in der 3falt?

Fernando Zietek: Gutes Theater, knackige Dialoge. Ein Stück, dass auf einem Bierdeckel stattfinden könnte, das Du aber am 18. Januar in einer Kirche vorgespielt kriegst!

TG: Klingt mehr als verführerisch! Dann also: viel Erfolg und Glück zum Auftritt und vielen Dank für das Interview.

(Das Interview für ´Tiefgang` führte Heiko Langanke)

Termin: Fr., 18. Jan. um 20h: „Gutes Theater“ – „KUNST“ von Yasmina Reza, in der „3falt“, Neue Straße 44, 21073 Hamburg, Eintritt 10,- €

Zusammen mit der Gruppe „Rampenrudel“ übt die Gruppe „Gutes Theater“ seit geraumer Zeit  in der „3falt“ in der Neuen Straße an dem Musical „Der kleine Horrorladen“. „Wir wollen den Kirchenraum in der Neuen Straße mit Chorklängen, Partituren und Texten füllen“, so Zietek zu den Arbeiten. „Wir wollen Teil des neuen werden, das dort am Entstehen ist. Mit einer Handlung, die die Gier nach Geld, Gentrifizierung und der wahren Liebe thematisiert. Und genau dort statt finden MUSS!“

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