Projekt Stadtschreiber*in Hamburg ist bei der 9. SuedLese zu Gast in Buxtehude

„Literatur macht das Leben reicher“

Katelijne Gillis (links) mit Stadtschreiberin 2022 Franziska Schubert (Foto: privat)

Stadtschreiber*in zu sein heißt in eine fremde Stadt zu kommen, sie kennen zu lernen und die gesammelten Eindrücke literarisch zu verarbeiten. Dies wird nun bei den 9. SuedLese-Literaturtagen erstmals einem breiten Publikum vorgestellt.

Katelijne Gillis kommt aus dem belgischen Antwerpen und der flämische Maler Rubens, der von 1577 bis 1640 gelebt hat, gehört in direkter Linie zu ihrer Ahnenreihe. Katelijne Gillis nutzte 2019 das Hamburger Literatur-Stipendium „Hamburger Gast“ dazu, neue Werke zu schreiben und sich von der Hansestadt und auch Harburg inspirieren zu lassen, arbeitete im Schloss Bergedorf aber auch der Harburger Kulturwerkstatt. (siehe auch „Rubens Nachfahrin wird Hamburger Gast 2019“, Tiefgang vom 15. Jun. 2019 und „´Hamburger Gast` in Harburg“, Tiefgang vom 28. Sept. 2019) Nun hat sie das Konzept „Hamburger Stadtschreiber*in“ übernommen und stellt es auf ungewohnte Weise bei den 9. SuedLese-Literaturtagen in Buxtehude vor. Grund genug, mal nachzuhaken …

Tiefgang (TG): Frau Gillis, das Buxtehuder Kulturforum ist zum ersten Mal bei den SuedLese Literaturtagen dabei und auch die Hamburger Stadtschreiber*in. Was hat Sie dazu bewogen, sich für ein Hamburger Literaturformat ausgerechnet dann in Buxtehude zu engagieren?

Katelijne Gillis: Als ich zum ersten Mal in Buxtehude war, hat diese kleine Stadt mich sofort bezaubert. Ich fühlte mich in Holland am Meer, mit den wunderschönen Holzschiffen, den kleinen Häusern, den Fleeten. Dabei ist es eine Hansestadt, die jede Menge Kultur bietet und reich an Geschichte ist.

Das Kulturforum am Fleet ist romantisch, frisch, originell und sehr herzlich. Es ist der ideale Ort für den Anfang eines Schreibstipendiums.

Eigentlich sollte es auch eine Stadtschreiberin Buxtehude geben.

TG: Was genau ist dieses Format der Stadtschreiber*in eigentlich und wie sind Sie dazu gekommen?

Katelijne Gillis: Stadtschreiberin ist ein dreimonatiges Schreibstipendium, man nimmt anhand einer Kurzgeschichte teil. Der Gewinner, die Gewinnerin wird nach Hamburg eingeladen, bekommt eine Wohnung, Taschengeld und jede Menge Möglichkeiten, zu schreiben und das Geschriebene an einem Publikum zu testen.

Ich habe 2019 ein ähnliches Stipendium gewonnen, Hamburger Gast. Als es dann aber auslief, habe ich es weiterentwickelt und unter dem Namen Stadtschreiberin neu organisiert. Ich fand es zu schade, es einfach so in den Elbsand versickern zu lassen.

TG: Sie veranstalten eine Lesung zu Bewerbungstexten für das Hamburger Stipendium. Welche Autorinnen und Autoren werden Sie dort präsentieren und was für eine Art Potpourri erwartet die Zuhörenden?

Katelijne Gillis:  Zusammen mit der Theaterpädagogin Petra Max werde ich Teile der eingesendeten Texte interpretieren und vortragen. Die Kurzgeschichten sind oft so schön, traurig, witzig oder krass geschrieben, dass sie nicht einfach gelöscht werden können. Wir werden die entsprechenden Autor*innen kontaktieren und um die Freigabe der Textteile bitten. So entsteht eine neue Geschichte. Vielleicht hat das Publikum auch etwas dazu zu sagen, so dass eine interaktive Geschichte entsteht.

Für die musikalische Umrahmung der Texte wird uns der Singer/ Songwriter Jan Schröder begleiten.

TG: Welche Rolle spielt die Verbindung vom Schreiben und Gast in einer bis dahin wenig bekannten Stadt zu sein?

Katelijne Gillis: Sobald eine Stadt beschrieben wird, ändert sie sich. Wir haben Lust, mit Buxtehude Energie auszutauschen. Die Stadt wird uns beeinflussen und wir sie. Wir haben eine Win-win-Strategie.

Das Thema für den Kurzgeschichtenwettbewerb ist „Auf zu neuen Ufern“. In Buxtehude fangen wir an. Die Kraft neuer Texte, die sich alle ums gleiche Thema drehen, werden die Zuhörer auf eine Reise ins Unbekannte mitgenommen. Neue Einsichten und Dialoge entstehen.

TG: Die SuedLese Literaturtage finden im Süden Hamburgs statt. Was macht diese Region aus Ihrer Sicht zu einem geeigneten Ort für ein Literaturfestival?

Katelijne Gillis: Hamburgs Süden steht für das wahre Hamburg. Hier sind die Schiffe, die Lotsen, die Industrie, es riecht hier nach Altöl und nach Meer. Gleichzeitig hat der Süden von Hamburg eine überraschend vielfältige Natur, mit Bergen und Wäldern. Die Elbe, die Este, die Heide und die Moorlandschaften inspirierten schon immer die Künstler. Das reiche Kulturangebot sorgt für Kreativität und Verbindung.

TG: Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig, wenn es um die Vermittlung von Literatur geht?

Katelijne Gillis: Mir ist wichtig, dass jeder einen Zugang zu Literatur finden kann. Wenn genug gelesen, erzählt, geschrieben und ausgetauscht wird, gibt es eine inspirierte, kreative, tolerante Gesellschaft. Wenn man die Geschichten, die man in sich trägt, in Literatur spiegeln kann, wächst man über sich hinaus. Literatur macht das Leben reicher.

Die Augen des Künstlers interpretieren, was sie sehen. Ohne Kunst verstehen wir die Welt nicht. Ohne Kunst gibt es keine Verbindung zwischen den Menschen.

TG: Welche Rolle spielen lokale Autorinnen und Autoren in Ihrem Programm?

Katelijne Gillis: Couleur locale ist wichtig in einer globalen Welt. Wie äußert sich ein Ort? Wie beeinflusst die Umgebung die Leute, die dort wohnen? Schreibt man besser in einer Stadt oder auf dem Land? Der Austausch zwischen Stadtschreiberin und lokalen Autor*innen ist bereichernd und sehr spannend.

TG: Gibt es besondere Angebote für Kinder und Jugendliche?

Katelijne Gillis: Das Stipendium Stadtschreiberin arbeitet zusammen mit dem „Young Writer’s Club“ der „Fantastischen Teens“. Bei unseren Veranstaltungen motivieren und stimulieren wir Kinder und Jugendliche, mitzumachen. Wir laden sie ein, ihre eigenen Geschichten vor einem Publikum vorzutragen.

TG: Wie können sich Interessierte über die verschiedenen Veranstaltungen informieren und Tickets erwerben?

Katelijne Gillis: Dazu gibt es die Webseite www.stadtschreiberin.de, mit Möglichkeiten, Tickets zu erwerben, sich zu informieren und auszutauschen. Post empfangen wir gerne unter hamburg@stadtschreiberin.de

TG: Zum Abschluss: Was würden Sie einem Literaturliebhaber sagen, der noch nie an den SuedLese Literaturtagen teilgenommen hat, um ihn neugierig auf das Festival zu machen?

Katelijne Gillis: Es ist eine einzigartige Möglichkeit, Neues zu entdecken, Abenteuer zu erleben und etwas Unvorhergesehenes zuzulassen. Die eigene Kreativität wird geweckt, die Inspiration. Ein Festival ist ein Fest, eine Freude, ein Zusammensein.

Außerdem sind die Literaturtage ein Ansporn, die eigenen Quellen der Freude und Kreativität sprudeln zu lassen.

TG: Besten Dank für das Interview und den Appetit, den Sie uns dazu gemacht haben … 

Termine:

7. März, 17 Uhr, HinZimmer, Hinzeweg 1, 219075 HH-Heimfeld: Schreibwerkstatt des Young Writers Club – Fantastische Teens

14. März, 17 Uhr, HinZimmer, Hinzeweg 1, 21075 HH-Heimfeld: Young Writers Club: „Jetzt sind wir dran!“

25. März, 19 Uhr, KulturForum Buxtehude, Hafenbrücke 1, 21614 Buxtehude: Snippets aus dem Wettbewerb Stadtschreiber*in Hamburg 2024

(Das Interview führte Heiko Langanke)

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