Der Autor Lucas Timm ist nicht nur in der Schwulen-Literatur ein Begriff:

Pseudonym für schonungslose Ehrlichkeit

Interviews im ´Tiefgang` oder Radio kein Problem, Lesungen schon eher: Lucas Timm (Foto: L.Timm)

Er stammt aus dem Süden Hamburgs und nennt sich Lucas Timm. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Einer blickt durch“ – wir wollten wissen, wer und mehr …

Tiefgang (TG): Lucas, Du bekennst Dich nicht nur zum Schwul-Sein, sondern auch zum „Spannertum“, einer ausgeprägten Sexualität und wohnst zudem in St.Georg? Nicht reichlich klischeehaft?

Lucas Timm: Wie jeder Mensch habe ich mir den Lebensraum gesucht, in dem ich mich am wohlsten fühle. St.Georg ist ein toleranter Stadtteil, in dem man sich wenig mit Widerständen aus der Gesellschaft auseinandersetzen muss. Als schwuler Mann bietet die Bushaltestelle vor der Haustür genauso gute Flirtchancen, wie die Käsetheke im Supermarkt um die Ecke. Hier gibt es an jeder Ecke Möglichkeiten, die eigene Sexualität auszuleben oder zumindest den Grundstein für körperliche Vereinigung zu legen.

Als Spanner hingegen habe ich in meiner Wohnung im Stadtteil Hamburg-Hamm doch sehr viel mehr zu Gesicht bekommen. Zu meinem Leidwesen wohne ich jetzt im Erdgeschoss und habe so gut wie keine Möglichkeit, unbemerkt in anderer Leute Fenster zu sehen.

TG: Die Bücher erscheinen im Eigenverlag von Dir. War das nicht eine Menge Arbeit?

Lucas Timm: Sicherlich ist es am Anfang ein großer Berg an Arbeit, der einen erwartet. Es gibt einfach zu viele Dinge, die man falsch machen kann. Zum Glück habe ich über Facebook eine tolle Autorin kennengelernt, die mir da hilfreich zur Seite stand.

TG: Hat sich die Mühe gelohnt und würdest Du anderen auch dazu raten?

Lucas Timm: Mir fehlt hier die Vergleichsmöglichkeit, da ich selbst ja nie mit einem Verlag gearbeitet habe. Es spricht einiges für den Selbstverlag: Man kann alles so gestalten und machen, wie man es selbst für richtig hält. Bei einem Verlag wären die einen oder anderen Stellen, die etwas zu frivol sind, sicherlich nicht so gedruckt worden, wie es heute der Fall ist. Den Kaufpreis und somit auch die Einnahme bestimmt man selbst. Im Gegenzug bleibt es nicht aus, in Werbekampagnen zu investieren.

TG: Ist das nur Literatur für Schwule oder gibt es eben auch Erkenntnisse für Heterosexuelle? Und wenn welche?

Lucas Timm: Ich bezeichne mich selbst ja immer als „verkappten Bi-Mann“. Schwuler Sex macht mich als Spanner nicht sonderlich an. Da halte ich mich sozusagen von klein auf an Heteropaare oder einzelne Männer. Über meine eigenen Erfahrungen in Sachen Bi-Sex mit einem Heteropaar kann man sich in meinen Büchern amüsieren. Das lief leider nicht so, wie geplant. Vielleicht bietet sich mir ja in Zukunft noch die passende Gelegenheit dazu. Bis dahin mache ich weiter wie bisher.

TG: Willst Du schockieren und provozieren, wenn Du Dich selbst z.B. als Spanner bezeichnest. Oder gar enttabuisieren?

Lucas Timm: Der Schutzmantel, mein Leben anonym zu erzählen bietet einem die Möglichkeit schonungslos ehrlich zu sein. Ich brauche keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob mir jemand krumm nimmt, wenn ich über einen zu kleinen Schwanz oder das abnormale Treiben ehemaliger Bed&Breakfast-Gäste berichte. Hier ist es nämlich leider nicht so, wie anfangs erhofft, dass man mit jedem temporären Untermieter etwas anfangen will. Vielmehr haben die aufdringlichen Besucher mich immer wieder an den Rand des Wahnsinns getrieben.

TG: Ist St.Georg für Homosexuelle noch immer der Ort von „Freiheit“?

Lucas Timm: Sicherlich hat St.Georg sich in den letzten Jahren verändert, dennoch fühle ich mich in dieser sehr persönlichen und teilweise angenehm dörflichen Nachbarschaft frei. Ich bin glücklich und kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben.

TG: Ist ein weiteres Buch in Arbeit? Und wenn: wann wird herauskommen, worum gehen und wie heißen?

Lucas Timm: Der sechste Band meiner Buchreihe wird voraussichtlich Ende des Jahres erscheinen. Danach ist erst einmal Schluss, da wir in der Gegenwart ankommen. Hier steht dann das Erforschen neuer Männer, diverse Fettnäpfchen und neue Erfahrungen auf dem Plan, um Stoff für weitere Geschichten zu sammeln. Ganz müssen meine Leser allerdings in dieser Zeit nicht auf Neues verzichten. Ich habe bereits mit der Arbeit an einem schwulen Heidekrimi begonnen, der sicherlich 2018 fertig gestellt wird. Ihr werdet also noch einiges von mir zu hören bekommen.

TG: Danke für das aufschlussreiche Gespräch …

(22. Mai 2017, das Interview führte Heiko Langanke)

 

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